67

Kaiserslautern, 20. Dez. 1929

Mein lieber Freund  C a r l!

Gestern und vorgestern las ich in den Zeitungen wiederholt Deinen Namen anlässlich Deiner Weihnachtsspende an den „Pfälzerwald- und den Verschönerungsverein“. Das ist schön von Dir mein Junge! Es erinnert mich gleichzeitig daran, Dir zum bevorstehenden Jahreswechsel die aufrichtigsten Wünsche zu übermitteln, wie wir dies schon seit Jahren gegenseitig gewohnt sind. Beinahe hätte ich es allerdings verbummelt, denn ich liege schon seit acht Tagen ernstlich erkrankt zu Bett. Auf einer Geschäfts­reise ins Rheinland habe ich mir einen Mundhöhlenkatarrh und eine eitrige Zahnwurzelentzündung zugezogen, die äusserst schmerzlich ist. Hoffentlich bin ich bald wieder davon, denn ich muss bei den Abschlussarbeiten des „Einkaufskontores“ da­bei sein und Anfang Januar nach Ber­lin fahren.

Entschuldige diesmal die Kürze und sei Du mit Deinen Lieben von uns allen herzlichst gegrüsst, besonders von Deinem

alten treuen Freunde
A. Fröhlich

66

o. D. (1929)

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich empfing Deine l. Zeilen vom 19. August & Karte aus Niesen – Kuhn & bedauerte herzlich die Erkrankung Deiner geschätzten Gattin, die einen so unangenehmen Abbruch Eures Ferienaufent­haltes zur Folge hatte. Ich hoffe, bald von Dir zu hören, wie es ihr geht & sende meine besten Wünsche für eine schnelle Wiedergenesung. Hier in unserem Klima gibt es auch häufig Ge­lenkrheuma & es wird Athophan oder Novathophan dagegen ge­nommen. Die Höhe der Hauptstadt (über 2200 Meter über d. Meer) macht die Sache oft recht schlimm, weil das Herz auf dieser Höhe natürlich sehr in Anspruch genommen wird.

Für Briefe etc. genügt übrigens unsere Postadresse (Apartado 146).

An Frau Herbig habe ich geschrieben & mich bedankt, die Bil­der sind inzwischen wohlbehalten eingetroffen & haben mich sehr gefreut. Ich besaß sehr wenig an Familienbildern, denn was zu Hause war, haben wohl die Geschwister an sich genom­men, & da ich weg war, so ging ich leer aus. Dank der Hilfe mehrerer Freunde & Verwandter habe ich aber nun eine ziemlich gute Sammlung.

Was will eigentlich Dein Franzl studieren? Oder ist diese Frage noch verfrüht? Als man mich in jenem Alter frug, war Astronomie meine stete Antwort. Und dann kam es doch anders & man wurde Heringsbändiger, was ich glücklicherweise noch nie bereut habe.

Mit dem V.V. & dem Pfälzer-Waldverein werde ich nach Deinen Weisungen verfahren. Ich habe dem Pf.W. neulich nochmals M 400 eingesandt, damit auch meine Söhne Franz und Albert Mit­glieder werden. Ihr könnt sie ruhig aufnehmen, denn sie sind beide nicht vorbestraft.

In der Deutschen Handelskammer gibt es jetzt ziemlich zu tun. Ich bin eben dabei, eine Reklamation von 1 1/2 Millionen in Ordnung zu bringen, die der Deutsche Handel vor 14 Jahren dem Präsidenten Huerta auf dessen sehr „dringlichem“ Anfordern a conto einer Staatsanleihe vorschießen mußte. Die nachkommen­den Regierungen erklärten Huerta als „Usurpator“ & erkannten diese Vorschüsse nicht an. Dann arbeite ich an dem Silber­geld, das Gold gegenüber einen ziemlichen Verlust hat. Wir haben hier Goldwährung, aber de facto circuliert nur Silber. Ich habe vor vier Jahren, als das Agio auf 14 % gestiegen war, einmal eingegriffen & es damit auf 2 % gedrückt. Jetzt ist es ziemlich stabil auf 3 1/2 %. Es ist eine sehr interes­sante Sache, gehört unter die uns beiden so geläufige Rubrik der „schönen Arbeiten“.

Wegen des jungen W. habe ich s. Z. einen Brief seines Vaters erhalten, worin er mich bat, nicht nach Lautern zu schreiben. Ich bin diesem Wunsch natürlich nachgekommen & kann Dir daher keine Details geben. Du kannst Dir ja ohnehin schon so ein Bild machen, nach dem, was Dir Herr W. Senior sagte.

Mein ältester Filius ist aus China zurück. Er wollte sich in den U.S.A. im Farm-Geschäft betätigen, fand aber ein Haar darin. Er frug dann an, ob ich ihn auf unserer Zucker-Pflan­zung beschäftigen könnte, was ich ihm zusagte. Als er dann ankam, wurde ein Lagerposten bei uns frei, um den er sich be­warb. Hoffentlich hält er bei der Stange. Es ist mir so lie­ber, denn die Zuckerpflanzung liegt im heißen Klima an der Küste von Veracruz & man bekommt leicht Malaria.

Ist L. Stephany, der als Vorsitzender des Pfälzer-Waldver­eins zeichnet, eigentlich derselbe, der zu unseren Zeiten Stift bei O & C war? Dann bist Du so freundlich, ihn von mir zu grüßen.

Was ist sonst aus alle den „Damaligen“ geworden?

Für heute schließe ich: nochmals meine besten Wünsche für Deine Gattin & herzliche Grüße von

Deinem getreuen
C. Reichert

65

México, 17. Juli 1929

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich will den heutigen Feiertag (1 Jahr „Tag der Abmurksung des Ehrenmannes Obregon) benutzen, um mit meiner Privat-Cor­respondenz etwas aufs Laufende zu kommen & in erster Linie Deine l. Zeilen vom 11. Juni beantworten.

Mit herzlichem Bedauern höre ich von dem tragischen Ende Dei­nes Freundes Reiling, der auch mir gut erinnerlich ist. Ein tüchtiger guter Mensch & es tut einem weh, wie solch ein Mann aus einer Laufbahn gerissen wird in ziemlich jungen Jahren, während alle möglichen Lumpen ein hohes Alter erreichen. Die Wahrnehmung, die Du erwähnst, daß es um uns herum lichter wird, habe ich auch schon empfunden. Wenn man alte Adressen­listen durchsieht, fehlt heute schon gar mancher. Aber such is life!

Wunschgemäß sende ich Dir anbei einige Marken zum Tauschen für Deinen Filius. Wenn er in die kaufmännische Laufbahn geht, werde ich ihm gerne behilflich sein, & es würde mich freuen, ihn in unserer Firma tätig zu sehen. Wenn er dann so wird, wie sein Vater, kann ich mir zu der Hilfskraft gratu­lieren, und der junge Mann kommt dann weiter.

Für die Zusendung der Pfälz. Presse besten Dank. Es freut mich, daß die Herren an mich gedacht haben, & ich werde gerne mein Scherflein zu dem guten Zweck beitragen.

Deine Hoffnung auf Räumung der Pfalz teile ich, aber ich glaube es nicht, bis es sich erfüllt. Unsere Politik taugt nichts, wir sind zu schlapp. Die Parteiwirtschaft, Pazifismus etc. schaden uns sehr in der Welt. Ich wollte, wir hätten einen Kerl wie Mussolini: der würde sich das Alles nicht ge­fallen lassen. Wenn man aber im Reichtag darüber verhandelt, wie oft das Wort Republik erwähnt wurde, so kann man über un­sere Reichsboten nur pfui sagen.

Ich bin gespannt darauf, ob Du die neue Firma O & F. gründest. Ich glaube auch bestimmt, daß Du bei den großen Kenntnissen und der Erfahrung keinen Fehlgriff tun würdest. Wären die al­ten Herren Dir gegenüber vernünftiger gewesen, so ständen die Nachfolger besser da.

Für Deine Bereitwilligkeit, mir wegen der mir noch fehlenden Marken behilflich zu sein, danke ich Dir sehr, aber ich glaube nicht, daß es Zweck hat, Dich dafür zu bemühen. Was mir noch fehlt, ist fast nicht aufzutreiben. Ich habe meine Manko-Liste bei sehr bedeutenden Händlern in London, Paris & Bern liegen & die sagen auch, daß man vielleicht durch Zufall noch eine oder die andere Marke bekommen kann. Ich bin auch jetzt nicht so sehr darauf erpicht, denn die Revolution hat uns schwer Geld gekostet, & ich muß ein wenig an mich halten. In meiner Sammlung stecken schon über 30ooo Dollar, für mich schon ein recht annehmbarer Betrag. Unter Umständen würde ich die Sammlung für obige Summe verkaufen.

Das Werk „Die Buddenbrocks“ kenne ich & besitze es schon. Ich erhalte regelmäßige, monatliche Büchersendungen, da ich viel lese. Wenn Du aber mal bei Crusius vorbeikommst, könntest Du mir eine gute Karte der Pfalz aussuchen, die auch die Burgen & Wege enthält. Sie darf 25–30 Mark kosten. Ich werde „Crusius“ sofort nach Erhalt den Betrag anweisen lassen.

Von Heger hatte ich neulich einen Brief. Er hält sich fabel­haft. Er muß wohl an die 70 sein. Auch von meinem Vetter Löhmer erhalte ich regelmäßig Nachricht. Arbeiten eigentlich Verschönerungs- & Pfälzer-Waldverein Hand in Hand & wen soll man eigentlich bevorzugen?

Bassler ist es in seinem Herren-Ausstattungs-Geschäft ziem­lich schlecht gegangen. Er klagte mir neulich sein Leid, & ich machte ihm den Vorschlag, wieder zu uns zu kommen, was er sofort annahm. Ich freute mich darüber, denn Bassler ist ein fleißiger Mensch, aber heutzutag ist ohne Kapital nicht viel zu wollen.

Wir haben jetzt 260 Angestellte, außer den mit uns liierten anderen Betrieben natürlich. Ich fühle mich sehr wohl, denn es gibt „scheene Arweede“ die Menge. Aber der Zauber macht doch auch viel Kopfzerbrechen. Mit der Gründung der Deutschen Handelskammer für die Republik México hat es für mich als Vorsitzenden auch mehr zu tun gegeben, aber ich habe immer gerne gearbeitet.

Dein Bildchen aus Stettin habe ich erhalten & finde, Du siehst auch wie ein Kommerzienrat aus. Aber im Wonnemonat Mai noch mit einem dicken Mantel? Brr!

Für heute will ich nun schließen & verbleibe mit besten Grüßen an Dich & die werten Deinen

in alter Freundschaft

Dein
C. Reichert

64

MEXICO, 21. Mai 1929.

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt nach langer Unterbrechung Deine l. Zeilen vom 5. April und freute mich sehr, Gutes von Dir und Deiner Familie zu hören. Die allgemeinen Dinge drüben sind allerdings weni­ger lieblich und man fragt sich mit Bangen, wo das hin soll. Allzu viel Freiheit kann das sog. „Volk“ nicht vertragen, und ich betrachte es als einen grossen Fehler, sie ihm zu geben. Der Mensch ist auch eine Bestie und braucht einen Zügel. Wir sind in Deutschland zu schlapp. Wir hatten doch eine wirklich angenehme Freiheit früher. Aber heutzutag REDET man nur davon und missbraucht sie. Anderwärts ist das gerade so. Was fabelt man Alles von Freiheit z.B. in den Vereinigten Staaten und dabei darf man da nicht einmal ruhig ein Glas Bier trinken. Je mehr ich diese Sauwirtschaft der modernen Ideen ansehe, desto weniger Geschmack finde ich daran. Du wirst sehen, und wir werden es vielleicht noch erleben, dass eine schwere Re­action eintreten muss, denn es ist ein Scandal, in welch un­glaublicher Weise man fast in allen Ländern darauf los saut.

In dem Jahresbericht des Gymnasiums, den mir der Herr Direk­tor freundlicherweise zugesandt hat, sah ich schon den Namen Deines Filius Franz und freue mich mit Dir, dass er sich so nett macht. Wenn Kinder wohl geraten, ist das eine wirkliche Freude. Möge es auch weiter so bleiben und den Eltern dadurch gedankt werden für Alles, was man doch mit den Kindern durch­machen muss. Vielleicht kommt er später einmal in die Gran Sederia oder einen unserer anderen Betriebe, wenn er Lust ins Ausland hat.

Ist Reiling wieder ganz auf dem Damm? Er ist mir noch gut er­innerlich trotz der langen Zeit, in der ich ihn nicht mehr sah. Darf ich Dich bitten, ihn von mir zu grüssen?

Neulich bekam ich auch eine Karte von Peter Wolff, die Lud. Lieberich und Hertzog unterschrieben hatten. Es freut mich immer, von den alten Bekannten zu hören.

Was hörst Du eigentlich von Ottmanns? Die Leutchen scheinen einen schweren Stand zu haben und sind den jetzigen Schwie­rigkeiten kaum gewachsen. Also Ende 1929 wirst Du frei sein von der übernommenen Verpflichtung? Ich bin begierig, zu hîören, was Du noch unternehmen wirst, meine aber auch, wenn Du genug zum Leben hast, solltest Du nicht mehr riskieren. Du hast wahrhaftig genug geschuftet, und Deine verschiedenen Ehrenämter geben Dir genug zu tun, um Dich nicht zu langweilen. Etwas Anderes wäre es, wenn Du als Direktor in eine Bank oder Ähnliches gingest. Ich glaube, da wärest Du auf dem richtigen Platz, brauchtest Dich nicht zu sehr anstrengen, und der Ge­halt diente zur Complettierung der Zinsen Deines Vermögens. Ich dachte auch früher Ähnliches, aber ich kann aus unserem Betrieb überhaupt noch nicht heraus und strebe nur dahin, es mir etwas leichter zu machen. Ich hoffe, im nächsten Jahre lässt es sich einrichten, nach Xalpamila zu ziehen, um dann meine Arbeitszeit von 10–4 (Uhr) anzusetzen mit 1/2 Stunde Mittagspause. Ich brauche 25 Minuten mit dem Auto bis zum Ge­schäft. Dann hätte ich Morgens und Nachmittags noch etwas von dem herrlichen Garten. Ich habe noch manches verschönern las­sen, und die Geschichte sieht jetzt wirklich fein aus. Im April war ein Reise-Redacteur von SPORT IM BILD hier, der eine Weltreise macht. Er war so entzückt von Xalpamila, dass er um Fotografien bat, um in der genannten Zeitschrift einen Artikel über „Das Märchenschloss bei Mexico“ zu bringen. Es passte mir nicht recht, denn solche Dinge machen mir keine Freude, aber er drängte darauf, und ich konnte es nicht ver­hindern. Er kann ja schliesslich schreiben, was er will.

Ist Dir zufällig eine Frau Graeser, Hebamme, bekannt? Der Sohn ist Schauspieler in Newyork und kam hierher, um deutsche Vorstellungen zu arrangieren. Das gelang ihm nicht, und er sass ohne Mittel hier. Er wollte sich erschiessen und bat mich, ihm nach Newyork zu verhelfen. Ehrenwort, Fussfall, Tränen etc. Aber angeschmiert wurde ich doch, denn er hat nie wieder was von sich hören lassen. Ich habe allerdings schon recht viele solche Sächelchen erlebt und meinen Glauben ver­loren. Man sollte sich immer sagen: Lieber als hart gel­ten, als sein Geld so zu verpulvern, um allen möglichen Lum­pen zu helfen. Aber schliesslich kann Niemand aus seiner Haut her­aus.

Crusius hat mit seiner Offerte sehr lange gebraucht und dann auch viel Zeug offeriert, wofür ich kein Interesse habe. Ich habe (bei) ihm aber einige Pfälzer Romane bestellt, damit er sich nicht ganz unnötig bemüht habe. Inzwischen hatte ich Ge­legenheit, hier recht nette Sachen aus 2. Hand zu kaufen, weil der Betreffende verkaufen musste.

Hier sieht es wenig lieblich aus. Schon seit der Ermordung Obregons setzte eine allgemeine Unsicherheit ein, die ein schlimmes Stagnieren zur Folge hatte. Der Ausbruch der Revo­lution hat die Krise sehr verschärft, und wenn auch Calles der Geschichte schnell Herr wurde, so sieht es doch wenig schön aus. Wir hatten grosse Lieferungscontracte gemacht und müssen sie abnehmen, während die Verkäufe sehr niedrig sind und der Geldeingang ganz unzureichend. Zwischen dem Eisenwarengeschäft, Rückstände der Debitoren und Warenplus haben wir gegen August 1928 fast 1 1/2 Millionen Pesos MEHR, und die Activ-Seite der letzten Bilanz weist 4 Millionen Pesos auf, für unsere jetzigen Verkäufe also ein Zustand, bei dem nichts verdient wird. Dabei ist es nicht leicht, den Zauber wieder auf diese Zustände umzustellen, und ich kann Dir sagen, ich bin seit Monaten gar nicht auf Rosen gebettet. Aber man muss in einem solchen Land immer ein wenig Stehauf-Männchen sein, sonst „fressen Eem die Gens“!

Anbei einige Marken für Franz. Braucht er keine zum Tauschen? Ich schicke ihm sehr gerne welche.

Ich selber sammle immer noch flott und rechne jetzt nicht mehr, wieviele ich habe (es sind wohl so an die 45 000), son­dern wieviele mir noch fehlen. Das sind nämlich nur 200. Aber das sind böse Brüder, die sehr schwer zu bekommen sind.

So nun habe ich reichlich getippt. Strenge Dich auch an und schreibe mir bald wieder. Inzwischen sei herzlich gegrüsst von

Deinem alten Freund
C. Reichert

63

Mexico, 5. April 1929

Mein lieber Fröhlich!

Ich schrieb Dir am 24. Dezember und habe inzwischen von Dir eine Neujahrskarte erhalten, für die ich noch bestens danke. Ich vermute, dass Du viel zu tun hast, weil ich noch keine Antwort erhalten habe.

Die Ansicht aus der Eisenbahnstrasse zeigt den Aufschwung, den das alte, liebe K’lautern mitgemacht hat. Da das Fir­menschild Pallmann vorne sichtbar ist, so habe ich (mich) na­türlich schnell ausgekannt, auch daran, dass es sonst wenige krumme Strassen in Lautern gibt, ausser dem unteren Teil der Eisenbahnstrasse.

Von Crusius habe ich nun endlich einige Preislisten erhalten und ich habe bei ihm einige pfälzische Novellen bestellt. Ich bin mit Pfalzliteratur gut versehen, denn ich hatte letzthin Gelegenheit, aus zweiter Hand Einiges zu kaufen. Auch erhielt ich einige Bücher als Geschenk von alten Bekannten.

Deine Karte trägt noch die alte Adresse Rue la Monterilla 1. Die Postadresse ist einfach CR Apartado 146. Apartado heisst Postschliessfach. Unser Strassen-Name ist schon vor 20 Jahren umgeändert worden. Die alte Strasse Monterilla heisst jetzt „Cinco de Febrero“ und unsere Hausnummer ist 3. Der andere Eingang ist 16 de Septembre 83. Beide Strassennamen sind hohe Gedenktage der Mexikaner. Es genügt also in jedem Fall mein Name und Apartado 146.

Anbei sende ich Dir einige Luftpostmarken und eine holländi­sche 2 1/2 Guldemarke, die vielleicht im Album des jungen Fröhlich noch fehlt.

Aus den Zeitungen wirst Du ersehen haben, dass die Zustände hierzulande wieder normal sind. Es sieht nicht so aus, als ob man hier jemals ohne Revolution leben könnte. Früher hatte man wenigstens immer einen Ruf, der als Vorwand diente, um zu räubern. Diese neueste Unternehmung hat nicht einmal das für nötig gehalten. Früher ging es um Demokratie, Nicht-Wieder­wahl des Präsidenten, Wirklichkeit der Volkswahl etc., alles sehr schöne Sachen, wenn man sie nämlich hat. Wir haben sie aber nicht im allerferntesten.  Diese neue Schweinerei wird dem Land eine Menge Geld kosten und sie wird der Steuerschraube, über deren langsame Drehung sich hier nie Jemand beschwert hat, neuen Impuls verleihen. Namentlich die Eisen­bahnen der Nordwest-Staaten haben enorm gelitten und sind vielfach zerstört. Um ihren Rückzug zu decken, haben die Re­bellen viele Brücken zerstört und die Schienen aufgerollt, auch ein Zeichen des Fortschritts. Früher wurden die Schienen abgeschraubt und weggeschleppt, aber man hatte sie bald wie­der und konnte sie benutzen. Jetzt spannt man eine Lokomotive vor und rollt sie so unter Feuer zusammen, dass man nichts mehr damit machen kann. Man sollte diese ganzen Kerle fassen und Jahrelang arbeiten lassen, um wieder einigermassen gutzu­machen. Das wäre eine bessere, gerechtere Reparationsarbeit, wie bei Deutschland.

Nun will ich Dir noch zu Deinem Geburtstag alles Gute wün­schen und hoffe, dass Dich meine Zeilen im Verein mit Deinen Lieben gesund antrafen. Herzliche Grüsse von

Deinem alten Freund
C. Reichert

62

México, 24 Dez. 1928

Mein lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine beiden Schreiben vom 8. Oct. & 5. Dezember & freute mich, daraus zu ersehen, daß es Dir & den ll. Deinen gesundheitlich gut geht. Die geschäftliche Seite ist dorten wenig zufriedenstellend: tröste Dich, hier auch nicht. Es ist ein gräßlich unruhiges Land & immer kommt es anders, als man logischer Weise denken sollte. Es ist ungeheuer schwer, hier in größerem Maßstabe zu operieren, denn wenn man sich heraus­getüftelt hat, aus so & so viel Gründen muß das so ausgehen, kommt sicher ein neuer Factor & wirft die ganze Rechnung über den Haufen. Die Ermordung des erwählten Präsidenten war ein Streich, der das Land auf längere Zeit wieder in Unsicherheit brachte. Der Mann taugte nichts, aber da man ihn kannte, so konnte man sich darauf einstellen. Wer jetzt kommt, wissen die Götter. Das ist es, was ich an der republ. Staatsform auszusetzen habe, überall Corruption.

Crusius hat wohl wenig Interesse, & ich habe immer noch keine Preislisten erhalten. Lassen wir ihn halt auf seinen Lorbee­ren ausruhen!

Herrn Werntz habe ich auch seit Monaten nicht gesehen, aber als ich ihn zuletzt sprach, war er mit seiner Stellung ganz zufrieden. Es ist ja eigentümlich, daß er an seine Eltern nicht schreibt. Er muß da wohl einen Grund haben. Bei der nächsten Gelegenheit will ich ihm mal auf den Zahn füh­len. Bei dem Wort Zahn fällt mir der Vertreter von Pfaff ein, der kürzlich nach dorten reiste. Er konnte hier eine Agentur ein­richten, & ich hoffe, daß sie damit Erfolg haben. Ich habe ein wenig dabei geholfen.

Dr. Kesselring hat mir schon geschrieben. Ich wünschte, ich könnte mehr tun, aber man muß sich auch etwas einteilen. Ich habe in diesem Jahr an Verwandte, Freunde & Dinge, wie Gymna­sium, versch. Vereine & sonstige Bestrebungen wieder privatim über 20 000 Mark verpulvert, abgesehen von dem, was unsere Firma leistet & wovon ich selber nochmals am meisten zu zah­len habe, weil ich die höchste Gewinnquote habe. Trotz Allem hat man keinen Dank im Allgemeinen, eher noch Ärger dazu!

Für Ölgemälde ist augenblicklich kein Geld hier. Es gibt eine Reihe mexik. Maler, die ganz Nettes leisten & deren Gemälde einen viel bescheideneren Preisansatz haben, als deutsche. Es war in den letzten Jahren eine Anzahl deutscher Maler hier, die dieses Fiasco machten. Von drüben wird kaum Jemand etwas in Gemälden bringen. Ich selbst habe so viel schon kaufen müssen, das ich nichts mehr unterbringen kann.

Willy Schmidt hat mal an mich wegen Jung-Philipp geschrieben, & ich habe ihm gerne ausgeholfen. Es freute mich sehr zu hören, daß Du ihm einen Posten besorgen konntest. Jung ist ein guter, fleißiger Mann gewesen, allerdings kein Licht.

Wie steht es mit Deinen Bestrebungen mit dem Einkaufskontor? Funktioniert Alles gut? Schreibe mir mal Näheres darüber.

Für heute schließe ich, wiederhole meine besten Glückwünsche für das neue Jahr für Dich & Deine Lieben & verbleibe stets

Dein alter Freund
C. Reichert

Brief des OStD Kesselring

An Herrn Kommerzienrat
Adolf Fröhlich
hier

L.A.
Vom Direktorat des Humanistischen
Gymnasiums Kaiserslautern

Sehr geehrter Herr Kommerzienrat!

Herr Großkaufmann Carlos Reichert in Mexiko hat das Gymnasium durch eine hochherzige Spende von 450 RM überrascht. Da ich wohl weiß, daß diese hochwillkommene, dankbarst begrüßte Zu­wendung in erster Linie Ihr Verdienst ist, indem Sie, sehr verehrter Herr Kommerzienrat, sich entgegenkommender Weise bei Herrn Reichert brieflich für uns verwendet haben, möchte ich nicht versäumen, Ihnen für Ihre selbstlose Mühewaltung und Anregung den verbindlichsten Dank auszusprechen.

Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung

ergebenst

Kesselring Oberstudienrat