MEXICO, D.F., 14. Januar 1926
Lieber Fröhlich!
Meine Neujahrswünsche hoffe ich zeitig in Deinem Besitz gelangt und wünsche Dir hiermit nochmals für das neue Jahr gute Gesundheit, ebenso für Deine Familie. Der Spanier wünscht einfach: Salud y Pesetas und gibt da kurz und treffend, was man Jemanden wünschen soll: Gesundheit und Moneten. Mit diesen beiden Artikeln lässt es sich schon aushalten und die wünsche ich Dir auch.
Leider muss ich aus Deinen Briefen, zu deren Beantwortung ich heute komme, ersehen, dass Du in 1925 über Deinen Gesundheitszustand nicht viel Gutes berichten kannst, ich hoffe aber, dass Deine Ausspannung Dir geholfen hat. Es lässt sich denken, dass Ihr im Geschäft unter der augenblicklich schlechten Lage dorten schwer zu leiden habt. Der definitive Umgang aus der Inflationsepoche in die stabile Währung bringt aber immer schwere Verschiebungen mit sich. Ich konnte dieses Problem hier am eigenen Geldbeutel spüren und glaube, darin Einiges gelernt zu haben. Hoffentlich komme ich nicht nochmals in die Lage, meine etwas kostspieligen Kenntnisse verwerten zu müssen. Ich weiss nicht, ob ich nochmals den Mut und die Spannkraft aufbringen würde, wieder so ungefähr von vorn wieder anfangen zu müssen.
Hier geht es momentan auch wieder recht brenzlich her. Mexiko macht jetzt stark in Gesetzen, die man selber als „sehr fortschrittlich“ bezeichnet. Arbeitergesetze, idem gegen Ausländer, Landbesitz etc.: fast jede Woche bringt eine Überraschung. Schon längst hätte ich gerne eine längere Ausspannung gehabt, aber immer wieder kommt etwas dazwischen und mit reinem Gewissen kann man dann nicht weg. In finanziellen Dingen haben unsere Junior-Partners wenig Erfahrung, und ich stehe da recht allein. Mein Sohn Pancho macht sich zwar recht gut und kann trotz seiner Jugend laufende Sachen schon ganz gut führen, aber sich auf neue Geschichten einstellen, dazu braucht es etwas mehr.
Statt mich freier machen zu können, hat man mich nun noch zu einer anderen Geschichte eingefangen. Ich habe für die Deutsche Kolonie speciell während meiner 11-jährigen Schultätigkeit viel Zeit und Geld geopfert und war fest entschlossen, mich dazu nicht mehr quetschen zu lassen. Die Zeiten erfordern aber einen Zusammenschluss, um nicht zu sehr untergekriegt zu werden. Andere Nationalitäten, sogar die Chinesen, haben längst eine Handelskammer, nur die Deutschen, die in kommerzieller Hinsicht viel bedeutender sind, wie die meisten anderen Nationen, konnten es noch nicht fertig kriegen. Nun wurde ich solange gepiesackt, bis ich den Vorsitz übernahm und die Sache ins Leben rief. Nun habe ich also wieder mein Pöstchen, und Du kannst mir Dein Beileid ausdrücken.
Korn hat mir von seiner Idee, seinen Sohn hierherzusenden, noch nichts geschrieben, hat sich überhaupt immer stark ausgeschwiegen. Vielleicht hatte er Angst, ein solcher Mexiko-Abenteurer könne ihn mal anpumpen oder sonstwie belustigen. Wenn die Herren so in die Höhe kommen, kennen sie nicht mehr gerne ihre alten Kameraden. Ich hatte und habe so das Gefühl und weiss nicht, ob es mich täuscht. Sollte ich mich täuschen, desto besser. Vor mir und meinen Belästigungen meinerseits kann er sicher sein. Natürlich werde ich ihm gerne behilflich sein, wenn er seinen Sohn schicken will. Er muss mir natürlich vorher sagen, was er mit ihm vorhat, um einen Platz für ihn zu suchen.
Für die gemachten Sendungen von Weihnachtsartikeln an einige meiner Verwandten danke ich Dir sehr, und die Sortierung hatte meinen vollen Beifall. Aus den Berliner Berichten sehe ich, dass man den Betrag an Euch remittiert hat. Nochmals vielen Dank.
Das Buch von Landenberger enthält manches Wissenswerte und manches treffende Urteil über das Land. Man sieht, der Mann hat mit offenen Augen gesehen. Wenn man aber mal 30 Jahre hier ist, findet man in solchen Reisewerken immer manches, was nicht stimmt. Im Allgemeinen ist es aber so beschrieben, dass man eine Ahnung von diesem Land hat, wenn man das Buch gelesen hat.
Ich erwarte Deinen Kollegen in der Würde, unseren Kommerzienrat Albert, im April hier. Er will seinen Sohn hierherbringen, der sich hier im Geschäft nützlich machen soll. Er bleibt dann wohl hier, bis ich mit der Bilanz fertig bin und wenn Alles ruhig bleibt, würde ich mit ihm Ende Juli nach Deutschland fahren. Allzu grosse Lust habe ich nicht, denn ich fühle mich in meinen 4 Wänden sehr mollig und meine Arbeit ist mir lieb. Ich bin gerade heute 53 Jahre alt geworden, da fängt man an, bequem zu werden.
Für heute schliesse ich und verbleibe mit herzlichen Grüssen in alter Freundschaft
Dein
C. Reichert