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19

México, 27. October 1922

Mein lieber Adolf!

Mein letzter Brief vom 20. ds. kreuzte sich mit Deinem vom 3. ds. und unter Rücksendung des Schreibens meines Schwagers bitte ich Dich, ihm die 300.000 Mark zur Etablierung des Bürstengeschäfts zu geben und Dir den Gegenwert von unserem Berliner Haus anweisen zu lassen. Wenn es mehr ist, als genannte Summe, so hat es nichts zu sagen. Du kannst bis zu 1000 Dls gehen, aber ich ziehe vor, wenn Du etwas Billigeres kriegen kannst, dann hat man die Möglichkeit, später mal noch nachzuschiessen, denn ich habe eine ganze Anzahl an Unterstützungen zu geben und da muss man sich doch etwas einrichten. So dick sitzen mir die Dollars auch nicht!

Handle also nach bestem Ermessen. Du brauchst mich nicht zu fragen im Rahmen obigen Limits, denn das verstehst Du doch besser als ich. Wenn die ganzen 1000 Dls nicht benötigt werden, so ziehe bitte nur das, was Du brauchst: Du kannst dann später mehr haben. Es ist auch gut, wenn Alverdes an mich schreiben muss, wenn er mehr braucht, sonst denkt er, der mexikanische Knochen soll blechen. Hier ist der Zinsfuß nämlich 12 %, und da macht man nicht gerne Depots!

Anbei noch Copie meines letzten Briefes.

Nochmals herzlichen Dank für Deine Bemühung, und wenn ich Dir dienlich sein kann, dann – con mucho gusto.

Der junge Hünerfauth war auf der untergegangenen Hammonia [!] und ist jetzt wieder unterwegs. Er kommt ca. 4. November in Veracruz an, und ich werde mich gerne seiner annehmen.

Mit vielen Grüssen

Dein
C. Reichert

18

México, 20. October 1922

Mein lieber Fröhlich!

Vielen Dank für Deine frdl. Zeilen vom 25. pti und Deine Bereitwilligkeit, mir in Sachen Alverdes etc. gefällig zu sein.

Von Offenburg habe ich keine Nachricht erhalten, möchte aber keine Zeit verlieren und habe deshalb unser Berliner Haus angewiesen, Dir oder der Firma O & C den Betrag von 1000 Dollars zur Verfügung zu stellen. Hoffentlich kommt dadurch und Deine freundliche ö#berwachung der liebe Schwager in ein richtiges Geleis. Vielleicht hast Du gelegentlich Zeit, mir einige Worte zu sagen, wie die Sache läuft, denn so wie ich ihn kenne, wird er kaum Zeit finden zum Schreiben. Wenn es ihm einigermassen geht, braucht er mich nicht.

Was die Lebensmittelsendungen angeht, so danke ich Dir sehr für Deine Bereitwilligkeit und mache davon Gebrauch, indem ich Dich bitte, an beiliegende Adressen passende Lebensmittel zu senden, deren Auswahl besser Dir überlassen bleibt. Wenn Du etwas Weihnachtsgewürz, Chokolade, Rosinen und dergl. beifügen kannst, ist das angenehm, ebenso vielleicht Schmalz, Kaffé etc. Nun, Du weisst ja, was man da geben kann.

Für diese Sendungen füge ich einen Check über Dls 100.– hier bei auf die Bank of Montreal, Newyork. Solltest Du den Check nicht selbst gebrauchen können, so kannst Du ihn durch die Deutsch-Südamerikanische Bank, Berlin, einziehen lassen oder durch unser Berliner Haus.

An die 3 Adressen lasse bitte 3 Postkarten schreiben mit Versandanzeige und Angabe, dass die Sendung auf meinen Wunsch erfolgt. Alle Auslagen bitte in Rechnung zu stellen. Für Deine Freundlichkeit sage ich Dir recht vielen Dank.

Der junge Hünerfauth schrieb mir heute. Er war auf dem untergegangenen Dampfer Harmonia und kommt nun mit einem andern anfangs November hier an. Ich werde ihm gerne behilflich sein.

Mein Töchterchen reist auch in diesen Tagen drüben ab, und ich erwarte sie Mitte November.

Zu Deinen Ehrenämtern gratuliere ich Dir herzlich. Wenn man dadurch auch viel zu tun hat, so liegt doch eine Anerkennung Deiner Tätigkeit und Bedeutung darin, die Dir Befriedigung gewähren muss.

Für heute schliesse ich und begrüsse Dich als

Dein alter Freund!
C. Reichert

17

MEXICO, D. F., 5. Septbr. 1922

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich schrieb Dir unterm 10. Mai, erhielt aber inzwischen keine weitere Nachricht von Dir. Möglicherweise ist mein Brief verlo­ren gegangen. Leider habe ich ihn auch nicht kopiert und kann daher keine Copie nachschicken für den gedachten Fall. Der Hauptzweck meines damaligen Schreibens war, bei Dir wegen mei­nes Schwagers Leo Alverdes, Offenburg, Baden, anzufragen & Dei­nen Rat zu erbitten.
Ich bekomme von meiner Schwester immer Jammerbriefe und habe es mir schon einen hübschen Posten Geld kosten lassen, dem guten Mann etwas zu helfen. Aber bis dato scheint der Erfolg ganz mi­nimal zu sein, denn wenn ich einen Betrag sende und sage, fangt damit etwas an, womit Ihr Euer Leben machen könnt, so höre ich nichts mehr, bis nach einigen Monaten ein neuer Klagebrief kommt. Ich habe jetzt so viele Sachen am Bein, dass ich schon fast die Geduld verloren habe. Eine ganze Anzahl von Verwandten erinnert sich meiner jetzt, und wenn ich auch sehr gerne helfe, so muss ich doch etwas ein­teilen und dann kann nicht Jeder Mil­lionen bekommen. Das Ende vom Lied wird sein, dass man mir das als Knickrigkeit auslegt und es mir verübelt. Aber das geht ja gewöhnlich so. Jeder denkt, ich habe mich über 27 Jahre herum­geplagt, um ausge­rechnet IHM zu helfen. Na, das ist so eine Ge­fühlsexplosion, die Dir nur meinen Standpunkt angeben soll.
Also Leo Alverdes betreffend. Er hat seit Monaten nichts von sich hören lassen und wohl das Kapital, das ich ihm sandte, nach & nach aufgefuttert. Hast Du Dich mit ihm in Verbindung gesetzt? Sollte man ihm nicht einen Tabakladen oder einen klei­nen Kolonialwarenladen aufmachen. Eventuell auch Zuckerbäcke­rei? Das ist, was er, bezw. meine Schwester ver­stehen. Ich wäre conform, ihm dazu noch 1000 Dollars zu ge­ben, aber nur, wenn er etwas unter Deiner Kontrolle anfängt, nicht dass er evtl. sich Dampferbillets besorgt und geht nach Südamerika, denn ich hörte was von solchen Plänen. Bei seinem Alter von ca 50 Jahren geht das unbedingt schief.
Sollte also in diesem Sinn was zu machen sein, so wäre es mir sehr lieb, wenn Du ihm behilflich sein könntest. Vielleicht hast Du etwas Passendes an Hand. Also er versteht Tabak etc. und meine Schwester Conditoreikram. Sie war früher beim Hofkon­ditor Koch am Schillerplatz. Ich wäre Dir dankbar, wenn Du da­bei helfen möchtest, ein gutes Werk zu tun.
Dann habe ich noch ein Anliegen. Ich möchte zu Weihnachten an verschiedene Verwandten, die fast alle im unbesetzten Gebiet wohnen, Sendungen von Lebensmitteln machen. Also Zucker, Kaffe, Linsen, etc., etwas Chokolade etc. Je etwa 25 Dollar. Könnt Ihr das im Geschäft besorgen oder ist es besser, wenn ich mich nach Hamburg wende? Es können etwa 200 Dls zusammen werden.
Ich hoffe, bald von Dir wieder mal zu hören, danke Dir im Vor­aus für Alles und bin mit vielen Grüssen stets

Dein alter Freund & Kampfgenosse
C. Reichert

16

MEXICO, 4. März 1922

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt heute Deine l. Zeilen vom 13. Februar und es freut mich, aus den darin enthaltenen Angaben zu ersehen, dass es der alten Firma O & C doch nicht ganz so schlecht gehen kann, wenn sie ein Personal von 70 Personen beschäftigen muss und der Monatsumsatz so in die Millionen geht. Drüben ist das Geld immerhin noch etwas wert und nur die aus dem Ausland zu beziehenden Waren erscheinen sehr teuer. In Wirklichkeit ist das auch nur eine Illusion. Wenn man hier allerdings in Mark zum jetzigen Kurs umrechnet, so ist man gerade kein armer Mann, aber das ist auch nur eine Illusion! Wenn die Dinge so weiter gehen, so können wir bald von lauter Illusionen leben.

Ich beglückwünsche Dich auch zur Ernennung als Vorstandsmitglied der Handelskammer recht herzlich. Es freut mich, dass man Deine Tüchtigkeit und Fleiss anerkennt. Du hast es nicht gerade leicht gehabt, in Deiner Lage Dich in die Höhe zu arbeiten und umso befriedigter kannst Du sein, dass Du das aus eigener Kraft geschafft hast. Das hätte man sich früher bei O & C nicht träumen lassen.

Die Nachrichten von drüben lauten ja sehr wenig anmutend, aber der leidige Socialismus ist eine Weltkrankheit geworden und muss sich halt austoben. Auch hier werden die blödesten Sächelchen geleistet, denn sogar die Regierung ist teilweise direct kommunistisch angehaucht. Eine Garantie ist die Nähe der Vereinigten Staaten, die sicher eingreifen, wenn es gar zu toll wird. Wir haben es nicht gerade schön heutzutage, und die mageren Jahre halten sehr lange an. Aber man muss sich damit abfinden und noch zufrieden sein, denn Anderen geht es noch schlechter.

In diesem Gedanken möchte ich Deiner Anregung entsprechen und sende Dir anbei Check über M 10000.– a/ Deutsch-Südamerikanische Bank, Berlin, als Spende für die Oberreal­schule, die Du nach Deinem Gutdünken verwenden kannst. Es soll mich freuen, wenn ich einigen Leutchen etwas helfen konnte.

Oscar Ottmann habe ich in die Agentur der Musikwarenfabrik M. Hohner, Trossingen, hier, lanciert, wo er eine ganz passable Stellung hat. Hoffentlich hält er da aus. Er ist ein braver Kerl, aber etwas unbeständig.

Sonst für heute nichts Neues. Sei vielmals gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

15

MEXICO, 22. Jan. 1922

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich empfing s. Zt. Deine l. Zeilen vom 12. November und danke Dir für Deine freundliche Bemühungen, meiner Tante und der guten Frau Mangold die beiden Schecks zu wechseln. Beide waren sehr erfreut über den Haufen Papiergeld, die sie für die Dollars erhielten. Ich hatte an verschiedene Verwandte und alte bedürftige Bekannte kleine Rimessen gemacht, aber die durch Dich gewechselten hatten am meisten Glück. Du bist halt ein tüchtiger Financier!

Meine Tochter Blanca hatte sich auf der Universität einschreiben lassen, aber der Arzt sagte ihr, dass seiner Meinung nach dieses Studium doch zu schwer wäre, da sei sie doch gesundheitlich nicht stark genug. Mein Socius hat ihr, meine diesbezügl. Wünsche sehr gut kennend, auch abgeraten und so hat sie sich entschlossen, für einige Monate in eine Pension zu gehen, um bessere Hausführung zu lernen und wird dann zurückkommen, was mich sehr freut, denn sie fehlt mir sehr. Ich war nie dafür, dass sie studiert, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, und ich bin nun ein sehr nachgiebiger Vater, speciell, wo sie das einzige Mädel ist. Sie wartet darauf, dass ich sie abhole, aber da wird wohl kaum etwas daraus. Die Verhältnisse hier sehen mal wieder recht brenzlich aus , und ich wage es nicht, weg zu gehen. Wenn inzwischen was passierte, würde ich mir das nie verzeihen. Ob es im Spätjahr geht, wissen die Götter. Ich mache schon gar keine Pläne mehr, denn für gewöhnlich geht doch alles schief. Die Adresse ist: Blanca Reichert, Adr. Kommerzienrat Albert, Fährstrasse 2, Hamburg. Vielleicht geht sie demnächst nach Stuttgart, aber das weiss ich noch nicht.

Deine Mitteilungen über Wolff, Korn etc. waren mir sehr interessant, und wenn Du mir gelegentlich solche Neuigkeiten schreibst, bin ich Dir dankbar. Ich bin oft im Geist bei Euch in Lautringen! Das kannst Du an einliegendem Check von Mk 15000,– auf Deutsch-Südamerikanische Bank, Berlin, ersehen, den ich Dich bitte, im Namen unserer Firma dem dortigen Gymnasium zu schenken, um damit arme Beamtensöhne nach Gutdünken zu unterstützen. Sei so gut und entledige Dich dieser Aufgabe und nehme meinen besten Dank im Voraus für diese neue Belästigung.

Für heute verbleibe ich mit herzlichen Grüssen an die Herren Schneider, Heger und besonders an Dich und Deine l. Familie von uns Allen

Dein alter Freund!
C. Reichert

14

México, 16. Mai 1921

Mein lieber Fröhlich!

Ich komme heute zur Beantwortung Deiner l. Zeilen vom 27. Januar und danke Dir zuerst bestens für die freundliche Besorgung der Sache mit dem Check für das Gymnasium. Es hat mich gefreut, wenn der Betrag, wenn auch klein, zu etwas dienen konnte. Aber unsere Mittel sind auch gering, und wir haben die gesammelten Beträge in recht viele Teile gehen lassen müssen, damit möglichst Viele etwas bekommen.

Seit Monaten haben wir grossen Zuzug von deutschen Auswanderern, denen man drüben goldene Berge versprach, ihnen ihr Letztes aus der Tasche zog und die dann mit leeren Händen in Veracruz landeten, um hier zu „siedeln“. Es sind Leute dabei, wie Bibliothekar, Pfarrer, Bauzeichner etc., die alle der Meinung waren, hier sei es ein Kleines, sofort eine Farm geschenkt zu bekommen, die sich ohne Kenntnisse bewirtschaften lässt. Wir verhältnismässig wenige Deutschen haben uns dann organisiert, um den Leuten zu Stellungen zu verhelfen, denn in der Hochebene, die ziemlich gesund ist, wo sie also leben könnten, ist es unmöglich, mit dem Indianer zu konkurrieren, die fast nichts gebrauchen. Wo Landwirtschaft Rechnung lässt, ist an den Küsten für Kakao, Gummi, Kaffee, aber da halten die armen Leute das Klima nicht aus. Es war unverantwortlich, wie man solche Leute hierherkommen lassen konnte. Wenn es junge Bauern wären oder Leute mit grossem Vermögen, aber um eine Familie einigermassen anzusiedeln, müssen in Land und Geräte wenigstens 30000 $ gesteckt werden, also damals fast eine Million Mark!! Ich habe auch eine Familie aufgenommen, die zu 6 hier ankamen und von der wir 5 anstellen konnten, sodass diese Leute wieder ihr Auskommen haben. Unsere Deutsche Oberrealschule hat auch unter der Not der Umstände zu leiden, und ich musste mich entschliessen, die Leitung wieder zu übernehmen, indem ich den mir angetragenen Vorsitz im Verwaltungsrat der Schule wieder übernahm. Eines der Ehrenämtchen, die viel Arbeit machen und einem dazu noch Geld kosten. Aber wir Deutschen müssen schwer arbeiten, um wieder aus dem Schlamassel herauszukommen.

Rheinberger hat mir neulich auch eine Postkarte geschickt, wo­nach es ihm gut zu gehen scheint. Dass Huber vorwärts kommt, freut mich zu hören. Die Amerikaner lernen absolut keine andere Sprache und wenn einer hinkommt, der in Latein-Amerika war und ein paar Worte Spanisch kann, ist es ihm leicht, einen besseren Posten zu kriegen.

Bassler geht es gut. Ich habe ihm gleich reklamiert, dass er Dir mal schreiben soll und er hat es mir versprochen. Hoffentlich hat er auch sein Versprechen gehalten. Er hat ein Herrenartikelgeschäft, d.h. eine Niederlage ohne offenen Laden und da er sehr geringe Unkosten hat und eine Menge Leute kennt, so verkauft er ganz nett.

Durch Eure beiden Circulare sehe ich, welche Veränderungen eingetreten sind. Ich wünsche Dir und der alten Firma von Herzen alles Gute: speciell Du hast schwer schuften müssen in Jahrzehnte langer Arbeit und es möge Dir auch vergönnt sein, nun die Früchte zu sehen. Grüsse mir bitte die alten Kollegen vielmals und übermittelt ihnen bitte meine besten Wünsche.

Anbei sende ich Dir wunschgemäß eine Partie México-Marken, die hoffentlich Anklang finden.

Zu Hause geht es, Gott sei Dank, gut, nur meine Mutter kann immer noch nicht ganz auf den Damm kommen: Die langen Jahre in 2brücken haben ihr sehr geschadet und es bedarf langer Zeit und Geduld, damit es wieder einigermassen gut wird.

Nun bin ich schon wenigstens 20 Mal unterbrochen worden und muss schliessen, da wir sehr zu tun haben. Es fehlen 2 Prokuristen, den einen musste ich nach Berlin schicken, weil wir das Berliner Haus nun auch übernommen haben, denn der bisherige Leiter Carl Albert hat sich in Mecklenburg ein Gut gekauft und will nun privatisieren und die anderen beiden Soci in Berlin wollen auch nicht mehr. Der andere Prokurist war drüben zum Einkauf und wird in 8 Tagen wieder hier sein.

Also viele herzliche Grüsse an die ganze Firma, soweit sie mir bekannt ist, speciell an Dich von meiner Familie und

Deinem alten Freund!

C. Reichert

13

MEXICO, 18. Aug. 1920

Mein lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 26. Juli, für heutige Verhältnisse also fabelhaft schnell und will sie gleich beantworten, indem ich Dir vorerst für Deine Freundlichkeit danke, meiner Tante Marie Ott Deinen Rat zur Verfügung gestellt zu haben. Sie hat mir durch meine 2. Mutter sagen lassen, dass sie ihr kleines Kapital auf der Sparkasse lassen will, da sie kein Haus bekommen konnte.

Meine Mutter ist vor wenigen Tagen hier eingetroffen, nach einer langwierigen Reise über Amsterdam, Spanien und Cuba. Es ist Alles heutzutage sehr umständlich und 4 mal so teuer, als in Friedenszeiten. Natürlich in Gold gerechnet, denn Mark ist ja keine Währung mehr, sondern ein Begriff. So nach und nach begreift man das drüben auch. –

Mein Socius, der Herr Kommerzienrat, kam auch mit merkwürdigen Ideen an. Nachdem wir uns schon mit einem schlimmen Briefwechsel ziemlich ans Visier geraten waren, entschloss er sich, hierherzureisen. Nach 24 Stunden Hiersein war er ein ganz anderer Mensch. Es ist für uns eine böse Sache geworden. Zuerst hier Papierwährung, dann legten wir einen grossen Teil unserer flüssigen Mittel nach Berlin & haben nun die verdammte Papiergeschichte dorten. Glücklicherweise konnte ich trotz schwarzer Listen und aller sonstigen Plackereien die Verluste schon wett machen. Beide Dinge zusammen haben uns nämlich rund 1 Million Pesos gekostet. Also ein ganz respektabler Aderlass. Als er sah, dass wir unser Kapital nicht allein gehalten, sondern noch eine anständige Dividende herausgewirtschaftet hatten, reiste er zufrieden wieder nach Haus. Was ich aber in alle den Jahren leisten musste, das kann er kaum begreifen, das muss man mitgemacht haben.

Mit Bedauern las ich, dass der arme Ruppel gestorben ist. Deine alten Kollegen Sch. und H. werden nun Deine Prokuristen! Wie merkwürdig es doch manchmal zugeht im Leben! Ich bemerkte mir, dass die neue Firma nun in Ordnung ist und wünsche Dir besten Erfolg. Du hast für das Haus viel getan und verdienst es, an der Spitze zu stehen.

Du siehst es als Rätsel an, was ich Dir wegen einer Heirat sagte. Solange meine gewesene Frau noch lebt, kann ich mich nach den hiesigen Gesetzen nicht wieder verheiraten, denn eine mex. Scheidung lässt keine solche Wiederverheiratung zu. Erst das neue Gesetz der Revolutionäre sieht das vor, bringt aber keine Bestimmung wegen der nach dem alten Gesetz Geschiedenen. Man könnte nun ausser Landes heiraten, aber die geschiedene Frau kann dann Durcheinander machen und das würde die Meinige sehr gerne tun, um Geld herauszuquetschen. Auch wird die 2. Frau dann hier nicht für voll angesehen, denn Jedermann weiss, dass die Ehe vor dem mex. Gesetz nicht gilt. Denke an Erbschaftskram etc. Nein, ich habe davon genug. Ich bin alt genug, um auf gewisse Dinge verzichten resp. sie an­derweitig haben zu können. Ich verzichte recht gern auf den Ehemann.

Was das Depot angeht bei der Rh. K. Bk., so möchte ich Dich bitten, veranlassen zu wollen, mir gelegentlich einen Auszug zu senden. Es ist zwar nur eine kleine Summe, ich habe aber seit Jahren nichts mehr darüber gehört.

Anbei einige Marken, willst Du noch Revolutionsmarken?

Mit herzlichen Grüssen von Haus zu Haus bin ich Dein
C. Reichert