„Mein lieber Fröhlich“ – so beginnt Karl ,Carlos’ Reichert fast jeden seiner Briefe, die er aus Mexiko/Stadt an seinen Jugendfreund Adolf Fröhlich in Kaiserslautern schrieb. Nachdem sich beide 1890 als Lehrlinge bei der Kaiserslauterer Großhandelsfirma Ottmann kennengelernt hatten, blieben sie sich ein Leben lang verbunden. Reichert fand nach seiner Lehrzeit eine Anstellung in Wuppertal und wurde von seiner dortigen Firma bald nach Mexiko entsandt. Bei der Firma Julio Albert y Cia Suc. in Mexiko-Stadt trat er eine Stelle an, der Vertrag lief zunächst über drei Jahre. Adolf Fröhlich blieb in Kaiserslautern bei Ottmann. Bald wurde er dort Prokurist, dann Gesellschafter. 1925 wurde ihm der Titel eines Bayerischen Kommerzienrats verliehen. In Kaiserslautern war Fröhlich angesehen, er engagierte sich in einer Vielzahl von Initiativen und Vereinen, bis ihm die Nazis schließlich – Fröhlich war Jude – die Geschäfte und das Leben schwer machten.
In den insgesamt 139 Briefen, die sich die beiden zwischen 1895 und 1939 geschrieben haben, geht es natürlich um das Geschäft – um die kleinen Dinge wie Veränderungen in den jeweiligen Betrieben, neue Handelsverbindungen und Geschäftsideen, aber auch um die allgemeine Lage in Mexiko, in Deutschland und der Welt. Viel geht es deshalb auch um Politik – der Einfluß der USA, die Revolution in Mexiko, der Krieg in Europa und natürlich die weltweite Wirtschaftskrise. Und schließlich drängt sich auf eine seltsam beklommene Art und Weise zunächst das Erstarken, ab 1933 dann die Schikanen und Übergriffe der Nazis in Deutschland immer mehr in den Vordergrund der Briefe. Und während vor allem Reichert in den ersten Jahren nach 1933 noch abwiegelte, während sich Fröhlich, möglicherweise aus Sorge vor einer Überwachung, meist sehr bedeckt hielt, setzte sich doch auch bei Reichert irgendwann die Erkenntnis durch, dass der Judenhass der Nazis keiner Taktik geschuldet war und auch keine Episode bleiben würde. Erst in den letzten Briefen erörtern Fröhlich und Reichert, wie man eine Emigration Fröhlichs und seiner Familie bewerkstelligen könnte. Dazu kam es nicht mehr. Fröhlich starb 1946, nach vielen Jahren der „alltäglichen Quälereien“, wie er selbst schrieb, in Kaiserslautern. Carlos Reichert hielt die Verbindungen nach Kaiserslautern auch nach Fröhlichs Tod aufrecht. Er starb 1961 in Mexiko-Stadt.
Auf diesem Blog wird sukzessive die gesamte Korrespondenz der beiden Freunde veröffentlicht werden, in loser Folge außerdem biographische Skizzen und Erläuterungen zu den Themen, welche die beiden in ihren Briefen immer wieder beschäftigten.