Schlagwort-Archive: Kredite

55

Mexico, 17. Januar 1928

Mein lieber Adolf !

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 13. Dezember, deren Inhalt mir manches Interessantes brachte. Es freut mich, zu sehen, dass es Deine Verwunderung erregt, wenn ich mich noch auf meine alten Tage (ich war vor wenigen Tagen 55) in neue Un­ternehmungen einlasse. Ich war eigentlich immer ziemlich un­ternehmungslustig, ohne mich in uferlose Projekte zu verlie­ren und die Vorsicht ausser Acht zu lassen. Letzteres habe ich allerdings immer getan und dabei geriet ich manchmal in Collision mit den jüngeren Herren. Als wir durch die vielen Revolutionen und den Krieg 1919 ziemlich ausgepowert waren, setzten wir uns gleich zusammen und berieten, was wir noch unternehmen könnten. Inzwischen waren neutrale oder alliierte Häuser sehr in die Höhe gekommen und hatten uns alles abge­nommen. Da meinten die ganzen Herren, nun gehörig bestellen und wieder hinein ins Geschäft. Aber womit? Wir hatten unse­ren Grundbesitz, aber verflucht wenig Bargeld. Unsere USA und englischen, sowie französischen Kredite waren weg und von Deutschland war nichts zu bekommen. Wir hatten bei der hiesi­gen Deutschen Bank einen Kredit von 250 000 $. Ich fragte dann an, was man uns geben könne. Die Antwort war absolut ne­gativ, wie es ganz natürlich war. Sie hatten selber nichts. Da kam die Bank of Montreal und bot uns 50 000 $ an und so starteten wir wieder. Es ist leicht gesagt, fix bestellen, aber dann kommen die Riesenzölle & der zu gewährende Kredit auf lange Monate. Nun, wir gingen dann langsam vor, erhielten neue Gelder, liquidierten manches aus der Kriegszeit verblie­bene und in 3 Jahren waren wir wieder so weit, dass wir in unserem Hauptbetrieb wieder oben waren und die Konkurrenz bös zurückblieb. Unsere Associès, die vorher nicht genug heraus­ziehen konnten an Geldern, verdienten so gut, das Niemand mehr Gelder aufnehmen wollte. Ich musste also wieder suchen, was mit den schon vorhandenen und in Bälde zu erwartenden Überschüssen gemacht werden sollte, denn auf die Bank legen kann man das Geld nicht, wenn man es hoch verzinsen soll. Dann muss es arbeiten. Deshalb habe ich mich in die Eisenwa­rengeschichte hineingesteckt. Ich habe noch ein Projekt in petto, eine Wollfabrik für Strickwolle, aber nach dem Ader­lass muss ich mir die Sache noch etwas verkneifen. Ich möchte es gar zu gerne machen. Inzwischen mussten wir die Zucker­plantage übernehmen und fangen jetzt an, zu arbeiten. Klein­bahnen, Ochsen, Motorboote und alle solche Sächelchen müssen herbei, und dafür brauche ich auch Geld. Unser Betriebskapi­tal sind jetzt über 7 Mill. Mark, und ich könnte ganz gut 10 Mill. verbuttern. Da muss ich aber Geduld entwickeln, bis ich es (mir) leisten kann, denn die Hauptsache ist doch ein ge­sunder finanzieller Standpunkt. Lieber weniger verdienen. Und in einem solch unsicheren Land wie Mexico muss man extra vor­sichtig sein.

Übrigens darfst Du Dich nicht über mich wundern, Du steckt Dich ja auch wieder hinein, statt auf Deinen Lorbeeren auszu­ruhen. Ich wünsche Dir übrigens besten Erfolg dazu und glaube sicher, dass er nicht ausbleiben wird, denn Du verstehst Dei­nen Kram. Ich wundere mich immer wieder, wie die Leute bei O & C Dich haben herausekeln können. Es geschieht ihnen recht, wenn sie jetzt merken, dass das unüberlegt und unklug war. Es wird mich sehr interessieren, zu hören, wie sich die Sache weiterentwickelt. Das betr. Rundschreiben ist übrigens noch nicht eingetroffen. Vergiss es nicht, mir zu senden.

Von Vetter Loehmer hatte ich einen Brief, worin er meinte, ob ich mich noch an das deutsche Weihnachtsfest mit Tannenbaum etc. erinnere. Wir feiern es nie anders. Rings um das Thal von Mexico wachsen herrliche Tannen zwischen 3000 und 3500 M Höhe. Wir hatten dieses Jahr ein Prachtexemplar und hatten eine sehr schöne Feier. Es fehlt gegen deutsche Weih­nachten nur der Schnee. Den kann man nur sehen, wenn man von dem fla­chen Dach aus die Vulkane ansieht.

Dem jungen Wernz geht es gut, aber er schreibt wohl wenig nach Hause?

Vom Verschönerungsverein erhielt ich die Anerkennungs-Ur­kunde, die mich sehr freute. Ich habe auch an den Pfälzer Waldverein einen Beitrag gesandt. Soll man eigentlich einen der beiden Vereine vorziehen? Und welchen?

Mit meiner Reiserei wird es wohl wieder Essig, denn ich kann mit gutem Gewissen nicht weg unter den jetzigen Umständen. Ich bin ein schlechter Seefahrer und die 3 Wochen hin und 3 Wochen her sind mit ein Greuel. Wenn es man erst gute Luft­schiffe gäbe! Vielleicht komme ich dann eher ans Reisen. Mir geht es fast so wie unserem Gründer Julius Albert, dem auch das Reisen einen Schrecken verursachte.

Wenn Du gelegentlich bei Crusius vorbeikommst, könntest Du ihm mal empfehlen, er möge mir Preisliste senden von Büchern über die Pfalz, Albums etc. sowie Karten.

So, für heute muss ich schliessen. Lasse mal bald wieder von Dir hören und grüsse mir die Herren Loehmer, Wolf, Hertzog, Lieberich. Du selber sei allerbestens gegrüsst von

Deinem alten Freund
C. Reichert