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Kaiserslautern, den 15. Oktober 1926

Lieber Freund Reichert !

Ich nehme zunächst Bezug auf einliegendes handschriftliches Schreiben und komme auf Deinen lieben Brief vom 14. August zurück. Hoffentlich sind die beiden „Weltreisenden“ wieder glücklich in Mexico gelandet und haben durch den furchtbaren Sturm an der Floridaküste nicht gelitten. Meine Kinder spre­chen immer noch von Deinem netten jungen Sohn, und ich hoffe, dass  er Dir alles von seinem Aufenthalt hier und in Baden­weiler erzählen wird.

Deine Aufklärungen in der Konsulatsfrage haben mich sehr in­teressiert, und ich kann wohl die Empfindung der Auslands­deutschen verstehen. Es wäre besser gewesen, wenn man in Wei­mar damals die alte Flagge gelassen hätte, dann wäre dieser hässliche Flaggenstreit nicht entstanden. Im üb­rigen wird aber dadurch die deutsche Republik nicht in Gefahr kommen, denn wir brauchen jetzt endlich Ruhe, um die Wirtschaft zu konsolidieren, wozu ja allerseits in Europa Anstrengungen ge­macht werden. Dass Du schliesslich die Konsulate abgelehnt hast infolge Deiner Gesundheit, da­mit hattest Du recht. Denn wir sind beide keine „heurige Hasen“ mehr und das Alter er­fordert einmal sein Recht. Ich hoffe, dass  Dein Unwohlsein sich in der Zwischenzeit wieder behoben hat und würde Dir ra­ten, öfters auszuspannen. Bezüglich des Kulturkampfes ist es in Mexico nach den Zei­tungen wieder etwas ruhiger geworden. Wie Du weisst, war ich von jeher ein Gegner aller Kulturkampfbestrebungen, denn ich stehe mit dem „Alten Fritz“, König von Preussen, auf dem Standpunkt, dass  man jeden nach sei­ner Fasson selig werden lassen soll.

Besondere Neuigkeiten in hiesiger Stadt gibt es nicht, die Dich interes­sieren könnten. Nur möchte ich heute etwas an­schneiden, und damit komme ich gleichzeitig das erste Mal als „Bettler“ zu Dir. Wie Du aus einlie­gender Zeitungsnotiz erse­hen wirst, wurde dieser Tage wieder der alte Verschönerungs­verein neu gegründet, nachdem er in der Inflationszeit eingeschlafen war. Infolge Verrohung der Jugend wurden die vielen Anlagen, Bänke etc. oft in unwilliger Weise auf ge­meine Art zerstört und es gibt jetzt, wenn man das Alte wie­der auffrischen will, viel Arbeit. Ich bin selbst in dem Aus­schuss, und da die meisten Leute aus dem früheren Mit­telstand verarmt sind, können wir nur M 3.– Jahresbeitrag erheben, ohne zu wissen, welche Zahl wir erreichen können. Schon oft hast Du Dein mil­des Herz für Notleidende während der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgetan, ohne jegliche Anregung meiner­seits, und wenn ich Dich diesmal bitte, dem Verschönerungs­verein etwas zu stiften, dann weiss ich, dass  Du mir dies nicht „krumm“ nehmen wirst. Die ganze Einwohnerschaft hat In­teresse daran, dass  die schönen Spaziergänge in unserm Kai­serslauterer Wald wie­der in den alten Zustand versetzt wer­den. Wenn Du dazu beitragen willst, dann wird Dein Name als Förderer in goldenen Lettern ins Vereinsbuch ein­getragen. Vielleicht beteiligt sich auch Bassler mit einem kleinen Be­trag, und ich bitte mir dieses Ersuchen nicht übel zu deuten.

Auf Deinen letzten Brief erwarte ich noch eine Nachricht und begrüsse Dich wie immer

in alter Treue
Dein
A. Fröhlich