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Kaiserslautern, 20. Dez. 1929

Mein lieber Freund  C a r l!

Gestern und vorgestern las ich in den Zeitungen wiederholt Deinen Namen anlässlich Deiner Weihnachtsspende an den „Pfälzerwald- und den Verschönerungsverein“. Das ist schön von Dir mein Junge! Es erinnert mich gleichzeitig daran, Dir zum bevorstehenden Jahreswechsel die aufrichtigsten Wünsche zu übermitteln, wie wir dies schon seit Jahren gegenseitig gewohnt sind. Beinahe hätte ich es allerdings verbummelt, denn ich liege schon seit acht Tagen ernstlich erkrankt zu Bett. Auf einer Geschäfts­reise ins Rheinland habe ich mir einen Mundhöhlenkatarrh und eine eitrige Zahnwurzelentzündung zugezogen, die äusserst schmerzlich ist. Hoffentlich bin ich bald wieder davon, denn ich muss bei den Abschlussarbeiten des „Einkaufskontores“ da­bei sein und Anfang Januar nach Ber­lin fahren.

Entschuldige diesmal die Kürze und sei Du mit Deinen Lieben von uns allen herzlichst gegrüsst, besonders von Deinem

alten treuen Freunde
A. Fröhlich

60

o. D. (1928)

Lieber Freund Reichert!

Zu Deinem Briefe vom 10. August.

In der Zwischenzeit hast Du von mir einen kurzen Brief erhal­ten, worin ich Dir Grüsse von Staatssekretär Dr. von Schubert bestellte.

Deine Mitteilungen waren für mich hochinteressant und gaben mir Kunde davon, in welch großzügiger Weise Du die Firma Al­bert & Cie. ausbaust und womit, davon bin ich überzeugt, wei­tere lukrative Einnahmequellen geschaffen worden sind. Mit solchen Zahlen, mit denen Du operierst, kann man in Deutsch­land heute nicht mehr auftischen, denn das Geld ist bei uns sehr rar und teuer. Infolgedessen muss sich jeder soviel ein­schränken, als er kann, weil die Kapitaldecke zu kurz ist. Zweifellos wird die Erweiterung viel Arbeit bringen, aber Du hast in Deinen Söhnen wohl tüchtigen Nachwuchs, sodass Du es Dir leichter machen kannst, um recht den Besitz Deines Schlosses zu geniessen. Wohl glaube ich Dir, dass Du noch kein Rockefeller oder Morgan bist, aber zwischen Dir und mir besteht doch ein grösserer Unterschied. Es geht mir auch so gut. Geld allein macht nicht glücklich. Wenn man nur soviel hat, wie man zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und Erzie­hung seiner Kinder braucht.

Des alten Hegers Steckenpferd, die Versdichtung, ist mir wohl bekannt. Der Mann ist nicht mehr zu heilen und altert ziem­lich rasch. Es war ihm von jeher lieber, wenn er der Kundschaft ein Gedicht von sich vortragen konnte, als 10 Ballen Kaffee in Auftrag zu nehmen. Er ist tatsächlich ein Idealist, bescheiden und mit wenigem zufrieden.

Die Buchhandlung Crusius hat Deine Preislisten „verschwitzt“. Sie sind in der Zwischenzeit aber abgegangen und wohl in Dei­nem Besitz.

Unser Einkaufskontor entwickelt sich gut, und wir haben in der vorigen Woche in Essen die „Reichsgemeinschaft deutscher Einkaufskontore“ gegründet, wie Du aus beiliegender Zeitungs­notiz ersehen kannst. Das „Einkaufskontor“ bringt mir finan­ziell nicht viel ein, weil ich nur ein kleines Fixum habe, allerdings auch einen kleinen Anteil am Gewinn. Ich habe die Geschäftsführung nur übernommen, weil ich mich verbindlich gemacht habe, vor Ende 1929 kein Konkurrenzgeschäft zu er­richten. Müßig wollte ich nicht herumlaufen. Ich bleibe so in der Branche, habe Fühlung mit allen Lieferanten und wenn wi­der Erwarten das Einkaufskontor nicht so ausfallen sollte, wie ich mir denke, bin ich ja nicht gebunden.

In der Zwischenzeit habe ich in dem Buch „Bestie Ich“ etwas weiter gelesen und mir ein rechtes Bild über Mexico-Land ver­schaffen können. Da muss es ja kunterbunt hergehen und auf ein Menschenleben mehr oder weniger kommt es wohl nicht an. Hoffentlich habt Ihr jetzt, nachdem für Calles ein Ersatz-Präsident bestimmt worden ist, politisch etwas Ruhe.

Vor einigen Tagen habe ich auch Deine Bilderserie über Dein neues Besitztum erhalten, die in der Tat einen Edelmanns-Be­sitz zeigen. Es ist schade, dass ich dies alles nicht einmal sehen kann. Vorerst ist es mir nicht möglich, die Zeit, die ich für eine solche Reise nötig hätte, um gleichzeitig auch meine Brüder zu besuchen, herauszubringen. Sodann würde mich die Sache doch mindestens 10 000.- RM kosten, die ich auch nicht opfern möchte. Für die Bilder vielen Dank.

Der Vater von dem jungen Werntz sagte mir dieser Tage, dass sein Sohn seit langer Zeit nicht mehr geschrieben habe. Viel­leicht mahnst Du ihn wieder einmal an seine Kindespflicht. Wenn es ihm auch gut geht, so sind die alten Leute immer beunruhigt, wenn längere Zeit keine Nachricht kommt, und die Eltern können verlangen zu wissen, wie es ihren Kindern geht.

Nunmehr habe ich heute wieder eine „Bettelei“, nicht pro domo, sondern für das hiesige Gymnasium, auf dem mein älte­ster Bub Franzel ja auch Schüler ist. Ich habe zufällig vor kurzer Zeit den neuen Studiendirektor Dr. Kesselring gespro­chen und hörte, dass infolge Verarmung des bayerischen Staa­tes, wie überhaupt aller Reichsbehörden, die Lehranstalten nicht die notwendigen Bücher für die Bibliotheken anschaffen könnten, weil der Staat hierfür keine Mittel hat. Auch im Or­chester mangelt es an Noten. Es steht nur ein altes Harmonium zur Verfügung, das schlechte Töne von sich gibt. Man erinnert sich daher Deiner früheren Stiftung als einstiger Schüler dieser Anstalt und hat durchblicken lassen, dass es sehr er­wünscht wäre, wenn Du mal wieder Deinen Beutel etwas auftun und einen entsprechenden Betrag stiften würdest. Der Oberstu­diendirektor hat Dir den letzten Jahresbericht zugeschickt, und ich glaube, Dir ruhig empfehlen zu dürfen, hier etwas zu tun, denn es findet Anerkennung und ist für Dich als alter Schüler dieser Anstalt Befriedigung.

Sodann hätte ich noch eine weitere Bitte vorzutragen, wie ich es einem Münchner Maler versprochen habe, von dem ich einige Ölgemälde besitze. Der Mann hat unter 200 Bewerbern den „Rompreis“ erhalten. Er ist 34 Jahre alt und berechtigt zu den grössten Hoffnungen. Er hatte in der Familie Pech, indem seine erste Frau im Wochenbett starb und er von der zweiten Frau erst vor Kurzem geschieden wurde. Bei der Armut in Deutschland geht es allen Künstlern sehr schlecht, weil die meisten Leute kein Geld haben, Bilder zu kaufen. Herr Ziegler malt sehr schöne Landschaften, speziell bayer. Vorgebirge, aber auch Portraits. Augenblicklich hat er Bilder in der Preislage von RM 700.-, 1000.- und 1200.- mit Rahmen, hervor­ragend in Farbe, und die Münchner Kritiker, von denen ich ei­nige Rezensionen gelesen habe, beurteilen ihn erstklassig. Wenn Du ein oder zwei Bilder haben willst, könnten dieselben direkt nach Mexico geschickt werden. Der bekannte Maler Defregger hat selbst ein Bild von ihm gekauft. Wenn Ziegler jetzt Unterstützung findet, glaubt er später „ein ganz Gros­ser“ werden zu können und mithin ist ein jetziger Kauf seiner Bilder eine gute Kapitalsanlage.

Sonst weiss ich für heute nichts Neues und so verbleibe ich mit besten Grüssen von meiner Frau und den Kindern an Dich und Deine liebe Familie,

in alter Freundschaft

Dein
A. Fröhlich

Brief an OStD Kesselring

Herrn

Oberstudiendirektor Dr. Kesselring,

Kaiserslautern

Sehr geehrter Herr Oberstudiendirektor!

Sie lassen durch meinen Franzl um die Adresse meines Freundes Reichert bitten; dieselbe ist:

Carlos  R e i c h e r t ,

mit Briefen an die Fa. Julio Albert y Cia.,

Succ., „La Gran Sedera“,

M e x i c o  D F , Apartado 146.

Ihr Hausmeister hat mir gelegentlich meines gestrigen Besu­ches bereits erwähnt, daß ein dringendes Bedürfnis für Ihre Bibliothek, evtl. auch für ein Harmonium vorliege und ich einmal wieder bei meinem Freunde Reichert, der sich als frü­herer Schüler Ihrer Anstalt, in der Kriegszeit bereits als Gönner erwiesen hatte, anklopfen sollte. Ich bin selbstver­ständlich gerne bereit, dies zu tun und möchte Sie bitten, mir ein entsprechendes Gesuch zu überlassen, das ich alsdann empfehlend weitergebe, da ich ohnedies nächster Tage meinem Freunde auf seinen letzten Brief Antwort geben muß.

Wenn Sie direkt dahin schreiben, befürchte ich, daß dies we­niger Beachtung findet, denn ich weiss, daß sehr viele Ansu­chen an ihn gestellt werden, und er zahlreiche Bettelbriefe empfängt, die meistens in den Papierkorb wandern.

Ich werde die Sache warm empfehlen und hoffe, etwas für die Anstalt herauszuholen.

Mit hochachtungsvollem Gruss

Ihr ergebener
A. Fröhlich

58

Kaiserslautern, 23. August 1928

Lieber Freund Carl !

Ich erhalte heute Dein Circular vom 1. August, das ich man­gels Kenntnis der spanischen Sprache nicht ganz verstehe. Ich entnehme demselben aber wenigstens, dass Du als einer der Se­niors der Firma fungierst und spreche Dir hierzu meinen aufrichtig­sten Glückwunsch aus.

Seit einer Woche bin ich mit meiner Familie aus Tegernsee zu­rück. Meine Kartengrüsse von da wirst Du wohl erhalten haben. Ich habe daselbst zufälligerweise eine interessante Bekannt­schaft gemacht in der Person des Staatssekretärs Dr. von  S c h u b e r t , der von 1909 bis 1912 in Mexico tätig war. Er kennt Dich und Bassler sehr gut und hat mich beauftragt, Dir Grüsse von ihm zu übermitteln, was hiermit geschehen soll.

Auf meinen letzten Brief vermisse ich noch Deine Antwort. Ich habe bei meiner Rückkehr aus dem Urlaub viel Arbeit vorgefun­den. Unser Büro dehnt sich immer mehr aus und sobald ich mehr Zeit habe, berichte ich Dir Näheres.

Besten Gruss
A. Fröhlich

57

o. D. (1928)

Mein lieber Freund Carl !

Ich habe noch Deine beiden Briefe vom 17. Januar und 19. März d.J. zu beantworten. Es ging aber leider nicht früher, weil ich mit dem Einkaufskontor ausserordentlich viel Arbeit deswegen bekam, weil nunmehr von dem württembergischen Kolonial­warengrosshandel 34 Firmen unserer G.m.b.H. beigetreten sind. Ich schreibe Dir daher kurz, um Dich nicht länger warten zu lassen und gratuliere Dir nachträglich noch zu Deinem 55. Ge­burtstage. Meinen 56. beging ich am 27. April. Man kommt so ins Alter hinein, ohne es zu merken.

Es freute mich riesig von Deinen guten Geschäftserfolgen zu hören. Derartiger Aufschwung ist nach den trostlosen Ereig­nissen, die (wir) in Deutschland, Gott sei Dank, hinter uns haben, nicht möglich. Hätte man ahnen können, daß einmal sol­che Zeiten überhaupt kommen könnten, hätten mich in der Ju­gend auch keine hundert Gäule gehalten und ich wäre auch ins Ausland gegangen. Jetzt ist aber nichts mehr daran zu ändern, denn man hat Kinder, für die man sorgen muss. Daß Du Dich nunmehr zum Schloßbesitzer aufgeworfen hast, erregt meine Freude und doch vielleicht innerlich ein neidisches Gefühl. Aber ich gönne Dir alle Erfolge von Herzen und es würde mir tatsächlich ein Vergnügen machen, einmal Deinen neuen Besitz, der nach Deiner Schilderung einfach großartig sein muss, zu sehen. Für heuer ist mit der Reise nichts, denn durch das Einkaufskontor bin ich gebunden, trotzdem ich s. Zt. nur die Absicht hatte, täglich nicht mehr als einige Stunden dafür zu widmen. Jetzt aber muss ich von morgens bis abends dabei sein, bis die Sache einmal richtig funktioniert.

Für das mir gesandte Buch danke ich Dir verbindlichst. Wegen Mangel an Zeit war es mir bis jetzt nur möglich, einen Ab­schnitt daraus zu lesen, den ich interessant fand. Ich hoffe, im Herbst und Winter das Buch mit Aufmerksamkeit studieren zu können.

Der Verkehrsverein hatte letzthin seine jährliche Mitglieder­versammlung und wurde dabei Deiner – auch in den Zei­tungen ­– ehrend gedacht. Der Unterschied zwischen Verkehrsverein und Pfälzer Waldverein ist, daß der „Pfälzer Waldver­ein“ die Liebe zur Pfalz und die Waldungen pflegt, während der Verkehrsverein die Instandsetzung der Wege, Markierungen etc. innerhalb und ausserhalb der Stadt übernommen hat. Beide verfolgen somit ideelle Zwecke, und Du kannst auch für die zwei Korporationen je nach Belieben Deinen gefüllten Geldbeu­tel auftun. Grenzen sind keine gesetzt. Ich habe dem Verkehrsverein den Vorschlag gemacht, daß man vielleicht Dir zu Ehren einen Platz als „Reichertplatz“ benennt, evtl. auch mehrere Bänke. Allerdings sind in Kriegs- und Nachkriegszeit durch Rohlinge, deren wir nicht wenige haben, viele Schäden entstanden, zu deren Ausbesserung grosse Mittel notwendig sind. Hiesige Industrielle und Private steuern fortgesetzt bei, damit die Spaziergänge wieder in Ordnung kommen, woraus die gesamte Einwohnerschaft Nutzen zieht, denn der Wald ist und bleibt der Stolz unserer Vaterstadt und bedarf der Pflege.

Die Preislisten der Buchhandlung Crusius hast Du wohl inzwi­schen er­halten.

Die Herren: Loehmer, Wolf, Hertzog, Lieberich, Reiling lassen Dich alle recht herzlich grüssen. Kieffer, der s.zt. bei Sie­mens & Halske in Mexico war und jetzt in Japan ist, kommt im Herbst für dauernd nach Deutschland zurück. Der alte Hofmann, der früher bei O. & C. war, ist vor kurzem gestorben. Der junge Wernz scheint in der Tat sehr schreibfaul zu sein, denn sein Vater sagte mir neulich, daß er wenig von ihm hören würde. Allerdings ist ja die Hauptsache, dass es ihm gut geht. Von Bassler’s Schwager in Mußbach hörte ich letzthin, dass Bassler dieses Jahr nach Deutschland kommt und wenn dies der Fall ist, werden wir wohl manches Stündchen über Dich sprechen und auch ein Schöppchen auf Dein Wohl trinken. Lie­ber wäre es mir, wenn Du selbst Dich einmal zur Reise hierher aufraffen wolltest. Die Dampfer sind doch jetzt infolge des Reisesystems sehr gut eingerichtet, sodass es keine Seekrank­heit mehr gibt, und Du könntest in Deiner alten Vaterstadt, die sich seit Deinem letzten Hiersein doch wesentlich verän­dert hat, interessante Studien machen.

Am letzten Sonntag hatten wir, wie Du ja weisst, die Wahlen. Dieselben haben einen gewaltigen Ruck nach links gebracht. Welchen Einfluss diese Schiebung auf die innere Politik haben wird, ist noch nicht vorauszusehen. Nach aussen wirkt sie je­denfalls, wenn die grosse Koalition zustande kommt, beruhi­gend, Deutschland braucht Jahrzehnte lang Ruhe, um seine Ver­hältnisse wieder zu konsolidieren, aber natürlicher Weise ist es dabei notwendig, dass die Linke nicht die Übermacht be­kommt, sonst ist Enteignung des Privateigentums und viel­leicht ein kleiner Bolschewismus zu erwarten und das darf na­türlich nicht der Fall sein.

Der Schwiegersohn von Herrn Krell, Justizrat Dr. Walinger, ist augenblicklich in Heidelberg, woselbst er sich einer Ma­genoperation unterziehen musste. Es soll ihm nicht gut gehen. Der alte Kittelberger, der Dir wohl noch in Erinnerung ist, ist auch schwer leidend. Mein Freund Reiling ist Direktor der Kammgarnspinnerei geworden.

Wann und wo ich meinen diesjährigen Urlaub verbringe, kann ich noch nicht sagen.

Die Firma O. & C. hat eine Autogarage eröffnet, nachdem der Kolonialwarengrosshandel infolge weiterer Ausdehnung der Ein­kaufsgenossenschaften des Kleinhandels und der Konsumvereine keine grosse Verdienstmöglichkeit mehr lässt. Ausserdem hat sie seit meinem Ausscheiden viel Kundschaft an die Konkurrenz verloren.

Die Abwicklung der Geschäfte unseres „Einkaufskontors“ geht derart vor sich, dass wir für die uns angeschlossenen 56 Fir­men gemeinsame Abschlüsse tätigen (Konjunktur-Artikel sind ausgeschlossen). Wir selbst berechnen Salz und Zündhölzer auf eigene Rechnung. Circa weitere 40 Artikel werden von den Fa­briken direkt an unsere Gesellschafter berechnet. Wir erzie­len durch diese gemeinsamen Abschlüsse natürlich grosse Preisvorteile, die den einzelnen Gesellschaften am Ende des Jahres nach Maßgabe der Bezüge zugute kommen.

Laß bald wieder von Dir hören und sei herzlichst gegrüsst von

Deinem
A. Fröhlich

52

Kaiserslautern, den 4. April 1927

Mein lieber Freund Fröhlich!

Dein lieber Brief vom 11. ds. Mts. kam dieser Tage in meinen Besitz, als ich krank im Bett lag und zwar an einer starken vernachlässigten Grippe, die zu einer schweren Bronchitis führte. Ich bin noch nicht ganz herge­stellt und darf tagsüber nur einige Stunden ausser Bett zubringen. Ich hoffe jedoch, dass mit Beginn des warmem Frühjahrswetters die Sache bald wieder behoben wird. Die Erkältung hatte ich schon seit An­fang des Jah­res, aber sie niemals richtig ausgeheilt, weil man sich keine Zeit dazu nimmt.

Zu Deinem 32jährigen Mexico-Dienstjubiläum gratuliere ich Dir herzlichst. Es ist in der Tat eine lange Zeit, ein Menschen­alter, welches Du im frem­den Lande zugebracht hast. Du kannst jedoch die Befriedigung für Dich bu­chen, das erreicht zu ha­ben, was Du Dir als Ziel stecktest und für Deine Kinder hast Du nunmehr das Bett gemacht. Wenn ich mein Schicksal dagegen vergleiche, dann müsste ich mich allerdings darüber aufregen, aber das ist mir nicht gegeben, denn in einer Art bin ich froh, dass ich von Ottmann-Thomas weg bin, denn ich hätte mich zu Tode geär­gert. Wenn auch bei den alten Herren Ott­mann, namentlich in den letzten Jahren, viel auszusetzen war, was mir nicht gefiel, wovon Du keine Ahnung hast und das ich Dir auch nicht schreiben möchte, so war es doch immerhin er­träglich, weil man sich sagte, die alten Herren wissen in ih­rer nervösen Krankheit nicht, was sie tun und sind nicht voll verantwortlich. … Ich bin mit 140–150 000.- MK. abgefunden worden. Davon ist ein Teil so­fort zahlbar, der grössere Teil in Jahresraten. Ich hätte zwar ruhig Teilhaber bleiben können, aber die Umfirmierung der Firma Ottmann-Thomas passte mir nicht in den Kram und hätte eine spätere Liquidation der Firma Ottmann & Co., die mir zustand, illusorisch gemacht. Die Sache kam vor das Landgericht Mannheim, das im Vortrag als zuständig erklärt war und habe ich dort den Vergleich ge­schlossen. Wäre derselbe nicht zustande ge­kommen, dann hätte es einen jahrelangen Prozess  gegeben. Vorerst lebe ich ein­mal als Rentner und da ich mich schon früher verpflichtet habe, innerhalb drei Jahren kein Konkurrenzgeschäft anzufan­gen und mich an kei­nem solchen zu beteiligen (in Mannheim, d.h. ausserhalb der Pfalz wäre mir dies sofort erlaubt und sind mir schon Anerbieten gemacht worden), will ich vorerst einmal langsam tun, um meine ziemlich heruntergekommenen Ner­ven in Ordnung zu bringen. Du hast recht, wenn Du für die neue Firma Dein Desinteresse erklärst.

Das Ansehen, welches ich für die Firma geschaffen habe, schwindet sicher­lich bald dahin und hat schon Not gelitten. In die Handelskammer bin ich trotzdem wieder gewählt worden. Auch meine übrigen Ehrenämter (Vorstandsmitglied des Nah­rungsmittelgrosshandels in der Pfalz, in Bayern und in Ber­lin, ferner Mitglied des Landeseisenbahnrates für Bayern und München etc.) behalte ich infolge Neuwahl bei.

Deine Neujahrswünsche, die ich mittels der reizenden Karte mit dem Bilde Deines lieben Enkels Veerkamp erhielt, habe ich s. Zt. erwidert und Dir ebenfalls gratuliert. Hoffentlich ist mein Brief angekommen.

Bezüglich Deiner Anregung zu einer Amerikafahrt, so schwebt mir diese Idee schon selbst einige Monate im Kopf herum, doch ist es mir in den nächsten Monaten nicht möglich, eine solche auszuführen. Ich will einmal ruhig den Sommer vorübergehen lassen und dann mit meinem Bruder in Arkan­sas in Verbindung treten, um zu hören, was dieser meint. Vorerst bitte ich Dich, Dich damit zu trösten, dass aufgeschoben nicht aufgeho­ben ist. Ich muss hier noch Verschiedenes abwarten, und dann ist auch mein augen­blicklicher Gesundheitszustand nicht der­art, dass ich eine solche Reise unternehmen kann. Dass ich während meines evtl. dortigen Aufenthaltes Dein Gast sein darf, dafür danke ich Dir verbindlichst und wenn ich mich entschliesse, die Reise zu machen, können wir ja vorher noch die Route festlegen.

Lieb wäre es mir natürlich, wenn Du Deine geplante diesjäh­rige Sommer­reise nach Europa ausführen würdest. Dann würde ich mich bestimmt einige Wochen frei machen und mit Dir in der Schweiz oder sonstwo einige schöne Tage zubringen.

Die Mexico-Politik verfolge ich stets mit grösster Aufmerk­samkeit. Es hat jetzt den Anschein, dass hinsichtlich des Kirchenkonfliktes wieder Ruhe herrscht und auch die Affäre mit den U.S.A. in Ordnung kommt. Dass Bass­ler in seinem Ge­schäft nicht prosperiert, tut mir sehr leid. Er ist in der Tat ein braver fleissiger Mensch mit gutem Charakter und es beruhigt mich, von Dir zu hören, dass er evtl. eine Stütze an Dir hat.

Deine Mitteilungen bezüglich Prinz Heinrich und seines Bru­ders Wilhelm II. interessierten mich ausserordentlich. Ich kann mir lebhaft denken, dass dieser Besuch für Dich und alle dortigen Deutschen von grossem In­teresse war und dass Du viel erfahren hast, was gewöhnliche Sterbliche im deutschen Reiche nicht wissen und je erfahren werden. Es ist heute unbe­stritten, dass der Kaiser am Weltkrieg nicht mehr schuld hatte wie die übrigen Regierungschefs auch, wenn er auch manchmal besser geschwiegen als viel geredet hätte. Seine Ratgeber hatten ein gerüttelt Maß an Schuld an dem Nieder­gang, aber die Ereignisse, die zum Unglück Deutschlands führ­ten, lassen sich nicht mehr ändern und es ist jetzt Pflicht eines jeden Deutschen, ob zu Hause oder in der Fremde, mitzu­helfen an dem Wiederaufbau unseres Vaterlandes. Die Lasten, die wir zu tragen haben, sind ausserordentlich, und ich glaube, im Verlauf der Jahre werden die kleinen Parteien und Parteichen verschwinden müssen. Schuld daran sind nur die egoistischen Führer, die im Trüben fischen wollen. Was uns die Zukunft bringen wird, wissen wir nicht und (das) ist gut so. Ich war vor dem Kriege ein ausgesprochener Monarchist und bin heute noch kein überzeugter Republikaner. Aber jedermann, welcher die Verhältnisse in Deutschland miterlebt hat und sich heute nicht persönlich um Politik bekümmert, sagt sich doch, dass in den nächsten Jahren an den bestehenden politi­schen Zu­ständen nichts zu ändern ist, weil sonst der Bürger­krieg unvermeidlich ist. Ich empfehle Dir, einmal das Buch zu lesen: „Wilhelm II.“ von Emil  L u d w i g , Verlag Ernst  R o w o h l t , B e r l i n , Ausgabe 1926, das grosses Aufse­hen erregte. Wenn es dorten nicht zu haben ist, will ich es Dir gerne schicken.

Dass Ottmann verheiratet ist, ist mir neu. Er war voriges Jahr hier, und ich konnte ihn nur kurz sprechen.

Hat sich Dein Ältester bei der amerikanischen Marine auf meh­rere Jahre verpflichtet und ist er Offizier?

Hoffentlich bist Du und Deine Familie gesundheitlich in be­ster Ordnung. Seit Januar hatte ich ausser mir ständig Kranke; meine Kinder und meine Frau waren nacheinander bett­lägrig. Das sind die Sorgen eines Familienva­ters.

Sonst weiss ich für heute nichts besonders Neues. In der Hoffnung, bald wieder von Dir hören, begrüsse ich Dich

in alter Freundschaft
Dein
A. Fröhlich

N. B. Ich bewundere Deine immer noch so jugendliche, energische und dabei überaus schöne Handschrift, die noch nichts davon merken lässt, dass der Schreiber bereits über 50 Jahre alt ist.

50

Kaiserslautern, den 9. 12. 1926

Lieber Freund Reichert !

Mit Deinem Briefe vom 15. November hast Du mir und natürlich noch mehr dem Verschönerungsverein hier, viel Freude berei­tet. Wir müssen hier in der Stadt wegen der geringen Beiträge von M 3.– bis 4.– bei den alten Mitgliedern des Verschöne­rungsvereins tatsächlich betteln gehen, um die vor dem Kriege erstellten Bänke und Wege wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen. Durch die Verrohung der Jugend wurde Vieles zer­stört, und Du kannst Dir lebhaft vorstellen, dass in Anbe­tracht der rückliegenden In­flation der Mittelstand verarmt ist und gerade aus dieser Sparte des Deutschtums hatte früher der Verschönerungsverein seine Mitglieder her­eingeholt. Mit Deiner hochherzigen Spende können wir schon manches begin­nen. Ich überlasse Dir in der Einlage zunächst ein offizielles Dank­schreiben des Verschönerungsvereins sowie zwei Zeitungs­ausschnitte. Der Artikel stand noch in mehreren Zeitungen, und ich hoffe, dass  Du über Deine Gabe selbst Befriedigung findest. In der nächsten Ausschußsitzung soll noch besprochen werden, wie man Dich im übrigen ehren will.

Was nunmehr den übrigen Inhalt Deines Briefes anbelangt, will ich Dir kurz mitteilen, dass  ich jetzt für das Schieds­gericht eine Dame mehrere Wochen beschäftigte, um die Entwickelung der Differenz niederzulegen. Mein Rechtsbeistand stu­diert nunmehr die Sache, und ich hoffe, dass die Angelegenheit in Fluss kommt. Über das Urteil werde ich Dich später verständigen. Es ist genau so wie Du schreibst und auch hier in Kaiserslau­tern hat man mehrere solcher Beispiele.

Der Krieg hat vieles zerstört, was früher gang und gäbe war. Ob dies aber für die Wirtschaft von Vorteil ist, möchte ich bezweifeln. Bevor das Schiedsgericht nicht gesprochen hat, kann ich für die Zukunft keinerlei Pläne machen und es ist richtig, was Du vermutest: Meine Nerven sind we­sentlich ruhi­ger geworden, ich schlafe besser und fühle mich gesundheit­lich überhaupt mehr auf dem Damm. Ich selbst hatte schon die Idee, wenn meine Sache erledigt ist, eine mehrmonatliche Ame­rikareise zu machen und habe dies bezüglich auch meinen bei­den Brüdern (zwei sind in den letzten Jahren gestorben) ge­schrieben. Etwas Bestimmtes kann ich noch nicht vor­hersagen und will ruhig abwarten, was das neue Jahr bringt. Wenn ich dann die Fahrt über das Wasser mache, um meine beiden Brüder, die im Staate Arcansas (Lonoke und Devalls Bluff) wohnen, ist es meine feste Absicht, die Heimreise über Mexico zu machen, um auch Dir und den übrigen dortigen Freunden „Guten Tag“ zu sagen.

Es tut mir sehr leid zu hören, dass Du Dich in letzter Zeit nicht ganz wohl fühlst. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn Du Deinen nächstjäh­rigen grossen Urlaub in Europa ver­bringen könntest, damit wir uns gemein­sam einige schöne Woche machen können. Ich empfehle Dir unter allen Umständen, jetzt mit der Arbeit langsam zu tun, denn die fünfziger Jahre sind für die Männer immer etwas verhängnisvoll, wie mir mein Pro­fessor in Heidelberg sagte. Hoffentlich ist bei Dir die Sa­che nicht so schlimm, da­mit Du bald wieder in Ordnung kommst.

Du schreibst, dass  Dein ältester Sohn bei der amerikanischen Marine war. Das war mir unbekannt, und ich glaubte, dass letztere nur Amerikanern einstellen würde. – Über die Mexico-Politik verfolge ich mit großem In­teresse die Tageszeitungen. Hoffentlich wird sich der amerikanisch-mexi­canische Streit auch in Güte erledigen lassen. War Prinz Heinrich bei Dir? Ich wäre Dir dankbar, wenn Du mir darüber schreiben würdest. – Das Bild, das ich Dir sandte, war ein Schnellbild. Viel Runzeln habe ich noch nicht, dagegen schon einen grauen Kopf.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland sind immer noch sehr un­günstig. Die Steuern erdrücken jegliches Gewerbe und Handel, sie sind beinahe unaufbringlich. Wenn sich aber die europäischen politischen Verhältnisse konsolidieren, glaube ich doch auf eine allmähliche Besserung schliessen zu dürfen. Die vielen Zollschranken, die der Versailler Vertrag errichtet hat, müssen wieder fallen und es ist das Bestreben aller Politiker, ein Pan-Europa zu schaffen.

Gestern sprach ich auch Peter Wolf, der Dich auch bestens grüssen lässt. Durch die Verbandsgeschichten habe ich immer noch Zerstreuung und ich werde Anfang Januar zu einer Vor­standssitzung des Reichsverbandes des Deutschen Nahrungsmit­telgrosshandels nach Hamburg fahren. Was macht Bass­ler’s Ge­schäft? Was macht der junge Ottmann? Letzthin traf ich auch Hermann Rheinberger, der in Pirmasens bei seinem Onkel in der Schuhfabrik ist. Es geht ihm gut. Er lässt Dich ebenfalls grüssen. Mein Schwager Gotthold, der auch einmal drüben bei Dir war, wird am 7. Januar für ver­schiedene deutsche Firmen eine Indien-Reise unternehmen. Meine Familie ist gesund, und ich hoffe, dass bei Dir sonst auch alles in Ordnung ist. Schliesslich wünsche ich Dir und Deinen lb. Ange­hörigen zum bevorstehenden Jahreswechsel das Allerbeste. Auch Herrn Bass­ler bitte ich für das Jahr 1927 unsere besten Grüsse und Wün­sche zu bestellen. Er soll einmal was von sich hören lassen.

In alter Treue
Dein Freund
A. Fröhlich