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Kaiserslautern, den 9. 12. 1926

Lieber Freund Reichert !

Mit Deinem Briefe vom 15. November hast Du mir und natürlich noch mehr dem Verschönerungsverein hier, viel Freude berei­tet. Wir müssen hier in der Stadt wegen der geringen Beiträge von M 3.– bis 4.– bei den alten Mitgliedern des Verschöne­rungsvereins tatsächlich betteln gehen, um die vor dem Kriege erstellten Bänke und Wege wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen. Durch die Verrohung der Jugend wurde Vieles zer­stört, und Du kannst Dir lebhaft vorstellen, dass in Anbe­tracht der rückliegenden In­flation der Mittelstand verarmt ist und gerade aus dieser Sparte des Deutschtums hatte früher der Verschönerungsverein seine Mitglieder her­eingeholt. Mit Deiner hochherzigen Spende können wir schon manches begin­nen. Ich überlasse Dir in der Einlage zunächst ein offizielles Dank­schreiben des Verschönerungsvereins sowie zwei Zeitungs­ausschnitte. Der Artikel stand noch in mehreren Zeitungen, und ich hoffe, dass  Du über Deine Gabe selbst Befriedigung findest. In der nächsten Ausschußsitzung soll noch besprochen werden, wie man Dich im übrigen ehren will.

Was nunmehr den übrigen Inhalt Deines Briefes anbelangt, will ich Dir kurz mitteilen, dass  ich jetzt für das Schieds­gericht eine Dame mehrere Wochen beschäftigte, um die Entwickelung der Differenz niederzulegen. Mein Rechtsbeistand stu­diert nunmehr die Sache, und ich hoffe, dass die Angelegenheit in Fluss kommt. Über das Urteil werde ich Dich später verständigen. Es ist genau so wie Du schreibst und auch hier in Kaiserslau­tern hat man mehrere solcher Beispiele.

Der Krieg hat vieles zerstört, was früher gang und gäbe war. Ob dies aber für die Wirtschaft von Vorteil ist, möchte ich bezweifeln. Bevor das Schiedsgericht nicht gesprochen hat, kann ich für die Zukunft keinerlei Pläne machen und es ist richtig, was Du vermutest: Meine Nerven sind we­sentlich ruhi­ger geworden, ich schlafe besser und fühle mich gesundheit­lich überhaupt mehr auf dem Damm. Ich selbst hatte schon die Idee, wenn meine Sache erledigt ist, eine mehrmonatliche Ame­rikareise zu machen und habe dies bezüglich auch meinen bei­den Brüdern (zwei sind in den letzten Jahren gestorben) ge­schrieben. Etwas Bestimmtes kann ich noch nicht vor­hersagen und will ruhig abwarten, was das neue Jahr bringt. Wenn ich dann die Fahrt über das Wasser mache, um meine beiden Brüder, die im Staate Arcansas (Lonoke und Devalls Bluff) wohnen, ist es meine feste Absicht, die Heimreise über Mexico zu machen, um auch Dir und den übrigen dortigen Freunden „Guten Tag“ zu sagen.

Es tut mir sehr leid zu hören, dass Du Dich in letzter Zeit nicht ganz wohl fühlst. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn Du Deinen nächstjäh­rigen grossen Urlaub in Europa ver­bringen könntest, damit wir uns gemein­sam einige schöne Woche machen können. Ich empfehle Dir unter allen Umständen, jetzt mit der Arbeit langsam zu tun, denn die fünfziger Jahre sind für die Männer immer etwas verhängnisvoll, wie mir mein Pro­fessor in Heidelberg sagte. Hoffentlich ist bei Dir die Sa­che nicht so schlimm, da­mit Du bald wieder in Ordnung kommst.

Du schreibst, dass  Dein ältester Sohn bei der amerikanischen Marine war. Das war mir unbekannt, und ich glaubte, dass letztere nur Amerikanern einstellen würde. – Über die Mexico-Politik verfolge ich mit großem In­teresse die Tageszeitungen. Hoffentlich wird sich der amerikanisch-mexi­canische Streit auch in Güte erledigen lassen. War Prinz Heinrich bei Dir? Ich wäre Dir dankbar, wenn Du mir darüber schreiben würdest. – Das Bild, das ich Dir sandte, war ein Schnellbild. Viel Runzeln habe ich noch nicht, dagegen schon einen grauen Kopf.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland sind immer noch sehr un­günstig. Die Steuern erdrücken jegliches Gewerbe und Handel, sie sind beinahe unaufbringlich. Wenn sich aber die europäischen politischen Verhältnisse konsolidieren, glaube ich doch auf eine allmähliche Besserung schliessen zu dürfen. Die vielen Zollschranken, die der Versailler Vertrag errichtet hat, müssen wieder fallen und es ist das Bestreben aller Politiker, ein Pan-Europa zu schaffen.

Gestern sprach ich auch Peter Wolf, der Dich auch bestens grüssen lässt. Durch die Verbandsgeschichten habe ich immer noch Zerstreuung und ich werde Anfang Januar zu einer Vor­standssitzung des Reichsverbandes des Deutschen Nahrungsmit­telgrosshandels nach Hamburg fahren. Was macht Bass­ler’s Ge­schäft? Was macht der junge Ottmann? Letzthin traf ich auch Hermann Rheinberger, der in Pirmasens bei seinem Onkel in der Schuhfabrik ist. Es geht ihm gut. Er lässt Dich ebenfalls grüssen. Mein Schwager Gotthold, der auch einmal drüben bei Dir war, wird am 7. Januar für ver­schiedene deutsche Firmen eine Indien-Reise unternehmen. Meine Familie ist gesund, und ich hoffe, dass bei Dir sonst auch alles in Ordnung ist. Schliesslich wünsche ich Dir und Deinen lb. Ange­hörigen zum bevorstehenden Jahreswechsel das Allerbeste. Auch Herrn Bass­ler bitte ich für das Jahr 1927 unsere besten Grüsse und Wün­sche zu bestellen. Er soll einmal was von sich hören lassen.

In alter Treue
Dein Freund
A. Fröhlich