15. 2. 1923
Mein lieber Freund !
Dein Brief vom 23. v. Mts. gelangte in meinen Besitz und ich will mich beeilen, denselben sofort zu beantworten. Deine Verwandten können in der Tat froh sein, die Lebensmittelsendung in der reichen Auswahl von uns empfangen zu haben, denn in der Zwischenzeit ging die Geldentwertung mit Riesenschritten vorwärts. Seit einigen Tagen sind die Kurse wohl wieder bedeutend abgeflaut. Während der Dollar vorige Woche auf 48 000 stand, ist er heute auf 20 000 herunter gesaust und damit ist auch gleichzeitig gesagt, wie schwer es ist, unsere Waren zu kalkulieren. Die schönen Kalkulationstabellen, die Du s. Zt. für O. & C. angefertigt hast, sind daher nicht mehr zu benutzen und es wäre für Dich jetzt eine „schöne“ Arbeit, wenn Du hier wärest und jeden Tag eine solche Tabelle erstellen könntest. Es ist klar, dass bei diesen Schwankungen die Aufstellung einer Bilanz mit sehr grossen Schwierigkeiten verknüpft ist und aus diesem Grunde gibt auch das Reich jetzt neue Richtlinien heraus, weil man Derartiges in Deutschland noch nicht erlebt hatte. Aber das steht fest, wie diese auch ausfallen werden, jedermann wird Verluste haben, denn die Substanz wird immer kleiner und von dem, was übrig bleibt, wird der Franzmann einen grossen Teil verlangen. Über die Lage im Ruhr- und im altbesetzten Gebiet darf und will ich Dir nichts schreiben, denn die Zensur wacht mit strengen Blicken, und Du wirst aus den Zeitungen wohl orientiert sein.
Der junge Hünerfauth ist in der Zwischenzeit drüben angekommen, wie ich hörte und es würde mich interessieren zu erfahren, wie er sich anlässt. Herr Franz Jaenisch, der früher Mitteilhaber der Fa. Heinrich Jaenisch war, sagte mir gelegentlich seines letzten Hierseins, dass er sich an Dich wegen seiner patentierten Kupplung gewendet habe. Bezüglich Deines Schwagers Alverdes bin ich der Ansicht, dass ich vorerst nichts tue, bis er sich an mich wendet. Er wird natürlich für die Lebensmittelsendung tatsächlich gut Verwendung haben, denn Offenburg ist ja auch besetzt und Lebensmittel sollen daselbst sehr knapp sein. Deshalb glaube ich für Dich ein gutes Werk getan zu haben, wenn ich auch natürlich diesen französischen Vormarsch nicht ahnen konnte.
Für die gesandten Marken lässt Dir mein Franzel bestens danken. Bezüglich des Andenkens kann ich Deinem Wunsch leider nicht entsprechen. Dein Freund Fröhlich wird wohl ein Geschenk annehmen, aber der Schreiber Fröhlich kann sich nicht dazu verstehen, über Dein Geld zu verfügen. Von Berlin habe ich mir $ 25.- verlangt für die Armen der hiesigen Stadt und werde nach Ankunft solche dem Bürgermeister übergeben und Dir noch berichten. Somit beträgt Dein Berliner Guthaben noch $ 950.-.
Nachdem wir einmal über ein Andenken gesprochen haben, will ich offen sein und Dir sagen, dass mir eine Uhrkette Spaß machen würde, eine sogen. Kavalier-Kette. Ich habe s. Zt. meine goldene Kette zum Goldfond abgeliefert und trage seither mit Stolz eine eiserne Kette. Ich selbst möchte mir tatsächlich keine goldene Kette kaufen, und wenn Du dorten Gelegenheit hast, etwas billiges zu erstehen, will ich es als Zeichen unserer innigen Freundschaft ausnahmsweise annehmen und tragen. Sonst weisst Du ja, bin ich kein Freund von solchen Sachen.
Mit den besten Grüssen an Dich, Bassler und Deine Familie verbleibe ich
in alter Freundschaft Dein
A. Fröhlich