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Mexico, 11. Septbr. 1925

Mein lieber Fröhlich!

Lang ist es schon wieder her, dass ich Deine l. Zeilen vom 1. Mai in dem Fach für unerledigte Correspondenzen privater Na­tur liegen habe. Der Grund liegt darin, dass wir sehr viel zu tun haben, was ja schliesslich ein angenehmer Grund ist, denn Ar­beit ist doch der grösste Genuss im Leben. Ich erinnere mich noch oft daran, wie wir uns gegenseitig die „scheene Ar­weete“ wegnahmen, d.h. Du als mein Chef hast sie mir nicht gegeben und warst nur etwas liberaler, wenn Du selber zu viel zu tun hat­test. Im März/April hatte unser neues Oberhaupt in Religionssa­chen eine sehr gefährliche Massregel ergriffen und dann kam die Controverse mit den USA dazu, um wieder einmal eine recht unan­genehme Lage zu schaffen, die natürlich auf das Geschäft direkt lähmend wirkte. Dazu kamen noch Gerüchte über die Gründung einer Notenbank, die sich inzwischen zur Tatsache verdichtet ha­ben. Das Volk hat mit Papiergeld fast so viel zu leiden gehabt, wie Deutschland, in mancher Hinsicht noch mehr, denn jede Revo­lutionspartei hatte ihre Pa­pierwische, die wertlos waren, wenn eine andere Bande ein­rückte. Calles, der jetzige Präsident, scheint aber die be­sten Absichten zu haben und man bringt ihm allgemein Zutrauen entgegen. Das Geschäft hat sich daher ziem­lich gebessert. Im März/April fingen also die meisten Häuser an, zurückzuhalten und abzuwarten, während JA & CS mal wieder anders dachten. Und damit haben wir einen sehr netten Fischzug getan, wie im Vorjahr, als wir bei der Silbersanierung mitmach­ten, wo auch alle Welt unkte und den Mut verlor. August war für uns ein Recordmonat, und unsere Bilanz vom vergangenen Jahr war auch ein Record. Aber bei einem solchen Betrieb sich für län­gere Zeit los zu machen, ist ganz undenkbar. Das Maximum der Ge­fühle sind meine öfteren Ausspannungen hier in der Nähe: dar­auf halte ich allerdings strikt, sonst könnte ich es nicht schaffen. Ich gehe jetzt alle 2 Monate für eine Woche nach Cu­ernavaca, einem wunderbar gelegenen Landstädtchen in den Sub-Tropen. Es hat eine deutsche Familie (der Vater war ein Herr v. Ried, Kammerherr in Sachsen-Meiningen) eine Pension da aufge­macht, die ich financiert habe und wo es sich gut wohnt. Einfa­che Wohnung, ruhig, sauber und gutes, einfaches Essen. Das Ge­höft liegt vor der Stadt, sodass man richtiges Landleben hat. Die Leute hatten ihren Besitz drüben verkauft und ihr Geld in ein Siedlungsunternehmen gesteckt, das glatt verkrachte, sodass sie vis-à-vis de rien stehen. Ich habe ih­nen geholfen, die Farm zu kaufen und nun machen sie ihr Leben mit der Pension. Ich hoffe, nächstes Jahr nach drüben zu kom­men und dann will ich mir in der Pension einige Zimmer besser herrichten lassen und dann jeden Monat auf eine Woche da zu­bringen, dolce far niente. Zum Rentner scheine ich nicht ge­boren zu sein, also muss man es so versuchen, seine Kräfte einigermassen frisch zu erhalten.

Neulich kam mit einer Reisegesellschaft ein Herr Münch, des­sen Vater das Waldschlösschen gehörte. Er selber hat eine Fa­brik in Neustadt a/H und wollte hier Metallsiebe verkaufen. Wir, besser gesagt ich, schwelgte in Erinnerungen an unser liebes Lautern.

Wernz ist bei der Canadian Bank of Commerce angestellt und macht sich gut. Es scheint eine Ausnahme der hier schon sehr berüchtigten Nachkriegsdeutschen zu sein. Hoffentlich bleibt er so.

Von der Rhein. Creditbank bekam ich ein Circular wegen der Auf­wertung von Staatspapieren. Du hast s. Zt. da 700 Mk für mich hinterlegt. Ich habe der Bank geschrieben, sie möge den kleinen Betrag für irgend einen wohltätigen Zweck verwenden.

Ludwig Gelbert schrieb mir vor kurzem aus Zürich und sagte mir darin, wie sehr sich O & C unter Deiner Leitung herausge­macht habe. Das scheint mir nach dem, wie ich taxiere, kein Wunder. Es würde mich sehr interessieren, wenn Du mir mal ge­legentlich etwas über O & C sagen möchtest. Du siehst, Dein Ruhm ist schon ins Aztekenland gedrungen und Du brauchst nicht hinterm Berg zu halten. Mich interessiert Alles riesig, was ich von dorten höre, speciell O & C und was Ihr jetzt treibt. Also diktiere mal eine kleine Epistel darüber.

Weihnachten naht wieder heran, und ich möchte fragen, ob es für Euch nicht zu lästig ist, eine Anzahl Postpakete für Ge­schenke herzurichten. Könntest Du mir evtl. eine Preisliste der in Be­tracht kommenden Sachen senden? Ich möchte dann et­was für die Einzelnen zusammenstellen. Wenn es Euch zu gering ist, kannst Du mir vielleicht sagen, an wen ich mich wenden soll. Mit Har­der & de Voss bin ich vor einem Jahr gehörig hineingefallen, was mich sehr wunderte, denn die Firma hat einen guten Ruf.

Wegen der projektierten Festhalle etc. sehe ich Deinen Nach­richten noch entgegen. Ich meine allerdings, wenn drüben al­les so arm ist, wären andere Dinge nötiger, als eine Festhalle. Bei Erwähnung der gestifteten Summen will es mir scheinen, als ob Du meinen Geldbeutel doch bedeutend über­schätzest. Daran kann ich gar nicht denken, aber innerhalb meiner Möglichkeiten wäre ich für eine Stiftung evtl. zu ha­ben, wenn die Geschäfte so weiter gehen, wie heute. Ich habe in den Jahren nach dem Krieg etwa ein Zehntel meines Kapitals an alle möglichen Sachen für Unterstützungen in Deutschland gehängt und ich glaube, damit mehr geleistet zu haben als viele Andere, die besser ab sind wie ich. Aber immerhin, schreibe mir mal gelegentlich, wie die Sache mit dem Alters­heim steht.

Meine Tochter ist vorgestern mit Mann und Kind von dorten wie­der eingetroffen und berichtet von dem übermässigen Luxus, der in Deutschland getrieben wird. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen und nimmt alle Welt gegen uns ein. Wir bet­teln in der Welt herum und sind wirklich schlecht ab, das un­terliegt keinem Zweifel, dann darf aber andererseits kein solcher Luxus und Leichtsinn herrschen und man sollte stramm dagegen angehen. Wofür haben wir denn die goldenen Zeiten der herrlichen Demokra­tie, die der Teufel in seinem Zorn erfunden hat. Ich lasse es mir eher gefallen, wenn altverdiente Adlige Ordnung halten, als wenn grüne Lausejungens sich dicke tun und Alles versauen. Doch ich komme da auf ein böses Thema. Politik ist eine Schweinerei und heutzutage wird leider viel zu viel daran gemacht. Jeder Rotzbube fühlt sich berufen und hat das Recht, mitzuquatschen. Ich war früher auch einmal sehr liberal veranlagt, heute neige ich aber mehr zur Knute, wenn ich sehe, was aus der Welt mit dieser sog. Freiheit für entsetzlicher Unfug getrieben wird.

Sonst geht es uns gesundheitlich Gottlob gut, was ich auch von Dir und Deiner Familie hoffe.

Lasse bald wieder von Dir hören und sei herzlich gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert