MEXICO, 22. Jan. 1922
Mein lieber Freund Fröhlich!
Ich empfing s. Zt. Deine l. Zeilen vom 12. November und danke Dir für Deine freundliche Bemühungen, meiner Tante und der guten Frau Mangold die beiden Schecks zu wechseln. Beide waren sehr erfreut über den Haufen Papiergeld, die sie für die Dollars erhielten. Ich hatte an verschiedene Verwandte und alte bedürftige Bekannte kleine Rimessen gemacht, aber die durch Dich gewechselten hatten am meisten Glück. Du bist halt ein tüchtiger Financier!
Meine Tochter Blanca hatte sich auf der Universität einschreiben lassen, aber der Arzt sagte ihr, dass seiner Meinung nach dieses Studium doch zu schwer wäre, da sei sie doch gesundheitlich nicht stark genug. Mein Socius hat ihr, meine diesbezügl. Wünsche sehr gut kennend, auch abgeraten und so hat sie sich entschlossen, für einige Monate in eine Pension zu gehen, um bessere Hausführung zu lernen und wird dann zurückkommen, was mich sehr freut, denn sie fehlt mir sehr. Ich war nie dafür, dass sie studiert, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, und ich bin nun ein sehr nachgiebiger Vater, speciell, wo sie das einzige Mädel ist. Sie wartet darauf, dass ich sie abhole, aber da wird wohl kaum etwas daraus. Die Verhältnisse hier sehen mal wieder recht brenzlich aus , und ich wage es nicht, weg zu gehen. Wenn inzwischen was passierte, würde ich mir das nie verzeihen. Ob es im Spätjahr geht, wissen die Götter. Ich mache schon gar keine Pläne mehr, denn für gewöhnlich geht doch alles schief. Die Adresse ist: Blanca Reichert, Adr. Kommerzienrat Albert, Fährstrasse 2, Hamburg. Vielleicht geht sie demnächst nach Stuttgart, aber das weiss ich noch nicht.
Deine Mitteilungen über Wolff, Korn etc. waren mir sehr interessant, und wenn Du mir gelegentlich solche Neuigkeiten schreibst, bin ich Dir dankbar. Ich bin oft im Geist bei Euch in Lautringen! Das kannst Du an einliegendem Check von Mk 15000,– auf Deutsch-Südamerikanische Bank, Berlin, ersehen, den ich Dich bitte, im Namen unserer Firma dem dortigen Gymnasium zu schenken, um damit arme Beamtensöhne nach Gutdünken zu unterstützen. Sei so gut und entledige Dich dieser Aufgabe und nehme meinen besten Dank im Voraus für diese neue Belästigung.
Für heute verbleibe ich mit herzlichen Grüssen an die Herren Schneider, Heger und besonders an Dich und Deine l. Familie von uns Allen
Dein alter Freund!
C. Reichert