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Mexiko, 18. Januar 1924

Mein lieber Fröhlich!

Ich empfing Deine l. Zeilen vom 22. und 27. Dezember und bin über die Briefschreiberei meines Bruders nicht allein sehr er­staunt, sondern peinlich berührt. Du bist so freundlich, Deine Zeit dafür zur Verfügung zu stellen und das wird von dem guten Mann mit dummen Schreibereien beantwortet.

Du hast sicher recht, wenn Du da jemand anders vermutest der hinter der Sache steckt, denn mein Bruder ist ein guter Kerl, der nur den Brief unterschrieben hat, denn er ist nicht fähig, so was zu verfassen. Jedenfalls hat er sich bei mir ge­waltig geschadet, denn er hatte mir einen verzweifelten Brief geschrie­ben, so als ob er dicht vor dem Selbstmord stünde. Er wollte auswandern und so was. Und nun scheint er nur darauf aus gewe­sen zu sein, sich Geld zu verschaffen. Wenn er Le­bensmittel nö­tig gehabt hätte, so brauchte er keine wertbeständige Währung, wie er da quatscht! Und Franken sind bei allen Schwankungen doch eine Währung, die auf die Dauer wohl sicherer ist, wie Rentenmark. Ob für alle Zeiten, das kann Niemand sagen, aber sicher für die kurze Zeit, wo mein Bruder das Geld nötig hatte, wenn anders es wahr war, dass er so schlecht ab war. Aber mit 60–70 Franken die Woche braucht man wohl noch immer nicht zu verhungern und zu verzweifeln.

Ich glaube, die allermeisten Leute drüben sind nicht allein hochgradig nervös und unzurechnungsfähig geworden, sondern sie haben auch die Ansicht, dass die Welt und speciell die Freunde und Verwandten im Ausland direkt die Verpflichtung haben, für sie einzuspringen. selber haben sie aber nie etwas getan, um ihren Verwandten zu helfen, wenn diese es nötig ha­ben. Du darfst es meinem Bruder deshalb nicht so sehr ver­übeln, wenn er in seiner Dummheit danebengehauen hat, und ich werde Dich be­stimmt in Zukunft verschonen mit derartigem Kram, der mit mei­nen lieben Verwandten zusammenhängt. Ich sagte Dir schon ein­mal, es ist scheusslich, was man da Alles erleben muss. Betteln tun sie permanent an Einem herum, aber dann tun sie sich auch noch dicke und spielen den stolzen Mann.

Mein Bruder, hinter dem seine mir wenig sympathische Frau steckt und ihn treibt, hat sich mit dieser Geschichte einen sehr schlechten Dienst getan, und wenn er das gewusst hätte, hätte er es wohl gelassen. Jedenfalls bin ich mit Deinen Mass­nahmen absolut einverstanden & es bleibt mir nur übrig, Dir nochmals zu danken und um Entschuldigung dafür zu bitten, was Andere verbockt haben.

Was die fragliche Lebensmittelsendung betrifft, so hatte ich Dich nicht aufgefordert, solche zu machen, von „Aufforderung“ kann doch Dir gegenüber nie die Rede sein, sondern höchstens von einer Bitte. Ich frug damals bei Dir an, ob die Verhält­nisse es erlaubten, Sendungen nach dem unbesetzten Gebiet zu machen. Da ich keine Antwort erhielt und nach inzwischen hier eingetroffenen Nachrichten annehmen musste, dass solche Sendun­gen sehr erschwert oder direkt unmöglich seien, machte ich Be­stellungen bei Harder & de Voss, Hamburg. Der betr. Brief ist wohl verloren gegangen, und ich sende Dir keine Co­pie, weil er sonst nichts Wesentliches enthält.

Ich habe die Firma R.G. Dun & Co (Auskunftsfirma ersten Ran­ges in Newyork) und auch die British-America Bank in San Francisco gebeten, gute Dry-Fruit Exporthäuser an Deine Firma zu verwei­sen und denke, dass Du schon bald Nachricht erhalten wirst. Wir selber haben ja mit dem Artikel nichts zu tun und für uns ist auch Frisco von gar keiner Bedeutung, sodass wir nur oberfläch­liche Beziehungen da haben. Wir hatten früher da eine Firma für die ostasiatischen Seiden etc. Verschiffungen, seit aber die Toyo Kisen Kaisha und sonstige Far East Linien den mexik. Hafen Manzanillo anlaufen, verladen wir billiger direkt nach hier via Manzanillo oder Salina Cruz.

Hier sieht es mal wieder sehr bös aus und die letzten Wochen waren die schwersten, die ich hier seit fast 29 Jahren mitge­macht habe. Vor 10 Jahren hatten wir gefährlichere Zustände, aber geschäftlich wirkte sich das nicht so sehr (aus), weil man damals seine ganzen Unkosten in Papier bezahlen konnte, was eine sehr geringe Abnahme an Goldwerten bedeutete. Man hatte des Krieges wegen keine Waren unterwegs, wenigstens was von Be­deutung gewesen wäre, infolgedessen keine Passiva und nichts zu zahlen. Heute ist es ganz anders: die Unkosten in Gold, hoher Bankdiskont, kein Geld, grosse Warenmengen unterwegs, die nun sehr exponiert in den Häfen lagern, ohne die hierherbringen zu können, abgeschnitten von allen Distrikten, wo wir verkaufen können und grosse Aussenstände haben, von denen (wir) absolut nichts hereinbekommen. Unsere Kontrakte mit den Fabriken drüben müssen wir einhalten und die Facturen gleich in Berlin zahlen und hier geht nichts ein.

Es ist eine scheussliche Lage und selbst wenn die Sache, wie es jedoch nicht den Anschein hat, bald zu Ende geht, und selbst wenn  wir keine Verluste an Sendungen erleiden, wird dieses Bi­lanzjahr wieder einmal keinen Gewinn geben. Wir müs­sen da um­sonst arbeiten, weil 2 Kerle, die absolut auf den Präsidenten­sessel wollen, nicht warten wollen, bis die Zeit der Wahlen kommt, sondern schon vorher das ganze Land wieder in Durchein­ander bringen. Die Menschen sind so dumm, dass man anfängt, Ekel vor dem ganzen Geschlecht zu bekommen. So was Verlogenes und Scheinheiliges, Grausames, findet man bei kaum einem Tier. Am liebsten sässe ich auf einer kleinen Insel und sähe nichts mehr von Politik, Demokratie und sonstigen Weltbeglückungs­ideen, die alle auf Betrug hinausgehen. Jener schwedische Ge­sandte hatte ganz Recht, der seinem Sohn sagte: Du ahnst nicht, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird. Jedes kaufmänni­sche Geschäft, das mit so wenig Sachkenntnis geleitet wird, wie die meisten Länder, müsste sofort bankrott machen. Die ganze Welt scheint an einer Epidemie zu kranken, denn gesunde Men­schen können doch nicht so viel Blödsinn ma­chen, wie das heut­zutage fast überall geschieht.

Doch was nützt es? Die Welt geht ihren Lauf und man möchte manchmal an unseren Herrgott verzweifeln, der so unglaubliche Geschichten zugibt. Ich betrachte die heutigen Zustände di­rekt als einen Beweis des vollständigen Versagens des christ­lichen Gedankens, der doch wirklich einen guten Fond hat, aber es ge­hören wohl bessere Menschen dazu. Und wo sind die?

Na, für heute habe ich genug philosophiert und geklagt, aber wenn man getreten wird, so muss man einmal schreien gegen so viel Ungerechtigkeit, wie (sie) heute auf der Welt herrscht.

Hoffentlich bricht der Gedanke, dass es so nicht weitergehen kann, und der schon hie und da schüchtern sich vorwagt, sich bald Bahn, denn dieses Leben ist eine Schweinerei und nicht alle der Sorgen wert.

Ich verbleibe mit vielen herzlichen Grüssen an Dich und Deine werte Familie, sowie die Herren Schneider und Heger stets

Dein alter Freund!
C. Reichert

22

México, 23. Januar 1923

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich empfing nacheinander Deine l. Zeilen vom 22. Nov., 12. und 30. Dezember und die Abrechnungen über die Lebensmittelsendungen. Von meinem Bruder etc. habe ich schon Nachricht, wie prachtvoll die Sendungen ausfielen und ich danke Dir vielmals für alle Mühe, die Du damit gehabt hast. Ich ahnte allerdings nicht, dass Du so reichhaltig sortieren lassen würdest, sondern meinte nur für jede Sendung etwas Kaffée, Zucker, Bohnen etc.

Nur von Alverdes/Offenburg hörte ich bislang noch nichts und da sie es verlangt haben, so sind diese Leutchen wohl der Ansicht, dass das ihr gutes Recht ist. Mit Alverdes habe ich schon manche Enttäuschung erlebt, und er hat mich schon ein nettes Stück Geld gekostet. Deshalb wünsche ich eigentlich keine Unterstützung mehr in dieser Form zu geben. Ich wollte, dass er ein Geschäft habe, wo er arbeiten muss mit seiner Familie. Denn die Form, einfach sich etwas kommen zu lassen, conveniert mir nicht. Sei so gut und gebe ihm das zu verstehen, dass Du nur mehr für ein richtiges Geschäft etwas geben könntest. Wenn Du ihm aber eine passende Stellung besorgen kannst, so wäre ich Dir sehr dankbar dafür.

Meine Tante aus Weiden schrieb mir ganz enthusiasmiert, wie wunderbar fein die Lebensmittelsendung war und aus den Fakturen ersehe ich, wie Du das Sortiment von O & C ausgedehnt hast.

Es muss dorten jetzt sehr schwer sein und ein kleines Bild davon kann ich mir ja machen, denn wir haben ja hier auch Papierzeiten durchgemacht, wo einem alle Werte unter den Fingern zerfliessen. Du sollst einmal sehen, wenn da mal eine Basis gefunden wird für eine neue Währung oder Stabilisierung der alten. Was hat man da an der Bilanz herumzuflicken. Ich legte mir damals ein Specialconto für die Verluste und eines für die neuen Gewinne, letztere in Gold, an. Wir hatten schliesslich auf dem Verlustconto ca. 2 Drittel unseres Kapitals stehen. Allerdings habe ich durch die jahrelange Arbeit die Geschichte wieder wettgemacht. Aber es ist eine schreckliche Geschichte.

Was eine Unterstützung für die Armen von Lautern angeht, so bitte ich Dich, Dir von Berlin extra 25 Dollar kommen zu lassen und sie im angegebenen Sinne zu verwenden.

Bassler werde ich Deine Nachricht ausrichten. Er ist scheints sehr schreibfaul.

Anbei sende ich Dir einige Marken für Deinen Kronprinzen.

Mit Deiner Bemerkung wegen eines Andenkens hast Du mir einen Wunsch, den ich schon hatte, vorweggenommen, nur weiss ich leider nicht, was Du gerne hättest. Ich halte es daher für am besten, wenn Du mir den Gefallen tust, Dir etwas Passendes auszuwählen und es mir in Rechnung zu stellen. Überreiche es dann meinem alten Freund Fröhlich und drücke ihm dabei meine Erkenntlichkeit aus für alle seine Freundlichkeit, mit der er meine Belästigungen hinnimmt und sie so tadellos ausführt. Letzteres bin ich ja von seiner Präcision gewohnt.

Habe nochmals vielen Dank für Alles und sei herzlich gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

15

MEXICO, 22. Jan. 1922

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich empfing s. Zt. Deine l. Zeilen vom 12. November und danke Dir für Deine freundliche Bemühungen, meiner Tante und der guten Frau Mangold die beiden Schecks zu wechseln. Beide waren sehr erfreut über den Haufen Papiergeld, die sie für die Dollars erhielten. Ich hatte an verschiedene Verwandte und alte bedürftige Bekannte kleine Rimessen gemacht, aber die durch Dich gewechselten hatten am meisten Glück. Du bist halt ein tüchtiger Financier!

Meine Tochter Blanca hatte sich auf der Universität einschreiben lassen, aber der Arzt sagte ihr, dass seiner Meinung nach dieses Studium doch zu schwer wäre, da sei sie doch gesundheitlich nicht stark genug. Mein Socius hat ihr, meine diesbezügl. Wünsche sehr gut kennend, auch abgeraten und so hat sie sich entschlossen, für einige Monate in eine Pension zu gehen, um bessere Hausführung zu lernen und wird dann zurückkommen, was mich sehr freut, denn sie fehlt mir sehr. Ich war nie dafür, dass sie studiert, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, und ich bin nun ein sehr nachgiebiger Vater, speciell, wo sie das einzige Mädel ist. Sie wartet darauf, dass ich sie abhole, aber da wird wohl kaum etwas daraus. Die Verhältnisse hier sehen mal wieder recht brenzlich aus , und ich wage es nicht, weg zu gehen. Wenn inzwischen was passierte, würde ich mir das nie verzeihen. Ob es im Spätjahr geht, wissen die Götter. Ich mache schon gar keine Pläne mehr, denn für gewöhnlich geht doch alles schief. Die Adresse ist: Blanca Reichert, Adr. Kommerzienrat Albert, Fährstrasse 2, Hamburg. Vielleicht geht sie demnächst nach Stuttgart, aber das weiss ich noch nicht.

Deine Mitteilungen über Wolff, Korn etc. waren mir sehr interessant, und wenn Du mir gelegentlich solche Neuigkeiten schreibst, bin ich Dir dankbar. Ich bin oft im Geist bei Euch in Lautringen! Das kannst Du an einliegendem Check von Mk 15000,– auf Deutsch-Südamerikanische Bank, Berlin, ersehen, den ich Dich bitte, im Namen unserer Firma dem dortigen Gymnasium zu schenken, um damit arme Beamtensöhne nach Gutdünken zu unterstützen. Sei so gut und entledige Dich dieser Aufgabe und nehme meinen besten Dank im Voraus für diese neue Belästigung.

Für heute verbleibe ich mit herzlichen Grüssen an die Herren Schneider, Heger und besonders an Dich und Deine l. Familie von uns Allen

Dein alter Freund!
C. Reichert

13

MEXICO, 18. Aug. 1920

Mein lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 26. Juli, für heutige Verhältnisse also fabelhaft schnell und will sie gleich beantworten, indem ich Dir vorerst für Deine Freundlichkeit danke, meiner Tante Marie Ott Deinen Rat zur Verfügung gestellt zu haben. Sie hat mir durch meine 2. Mutter sagen lassen, dass sie ihr kleines Kapital auf der Sparkasse lassen will, da sie kein Haus bekommen konnte.

Meine Mutter ist vor wenigen Tagen hier eingetroffen, nach einer langwierigen Reise über Amsterdam, Spanien und Cuba. Es ist Alles heutzutage sehr umständlich und 4 mal so teuer, als in Friedenszeiten. Natürlich in Gold gerechnet, denn Mark ist ja keine Währung mehr, sondern ein Begriff. So nach und nach begreift man das drüben auch. –

Mein Socius, der Herr Kommerzienrat, kam auch mit merkwürdigen Ideen an. Nachdem wir uns schon mit einem schlimmen Briefwechsel ziemlich ans Visier geraten waren, entschloss er sich, hierherzureisen. Nach 24 Stunden Hiersein war er ein ganz anderer Mensch. Es ist für uns eine böse Sache geworden. Zuerst hier Papierwährung, dann legten wir einen grossen Teil unserer flüssigen Mittel nach Berlin & haben nun die verdammte Papiergeschichte dorten. Glücklicherweise konnte ich trotz schwarzer Listen und aller sonstigen Plackereien die Verluste schon wett machen. Beide Dinge zusammen haben uns nämlich rund 1 Million Pesos gekostet. Also ein ganz respektabler Aderlass. Als er sah, dass wir unser Kapital nicht allein gehalten, sondern noch eine anständige Dividende herausgewirtschaftet hatten, reiste er zufrieden wieder nach Haus. Was ich aber in alle den Jahren leisten musste, das kann er kaum begreifen, das muss man mitgemacht haben.

Mit Bedauern las ich, dass der arme Ruppel gestorben ist. Deine alten Kollegen Sch. und H. werden nun Deine Prokuristen! Wie merkwürdig es doch manchmal zugeht im Leben! Ich bemerkte mir, dass die neue Firma nun in Ordnung ist und wünsche Dir besten Erfolg. Du hast für das Haus viel getan und verdienst es, an der Spitze zu stehen.

Du siehst es als Rätsel an, was ich Dir wegen einer Heirat sagte. Solange meine gewesene Frau noch lebt, kann ich mich nach den hiesigen Gesetzen nicht wieder verheiraten, denn eine mex. Scheidung lässt keine solche Wiederverheiratung zu. Erst das neue Gesetz der Revolutionäre sieht das vor, bringt aber keine Bestimmung wegen der nach dem alten Gesetz Geschiedenen. Man könnte nun ausser Landes heiraten, aber die geschiedene Frau kann dann Durcheinander machen und das würde die Meinige sehr gerne tun, um Geld herauszuquetschen. Auch wird die 2. Frau dann hier nicht für voll angesehen, denn Jedermann weiss, dass die Ehe vor dem mex. Gesetz nicht gilt. Denke an Erbschaftskram etc. Nein, ich habe davon genug. Ich bin alt genug, um auf gewisse Dinge verzichten resp. sie an­derweitig haben zu können. Ich verzichte recht gern auf den Ehemann.

Was das Depot angeht bei der Rh. K. Bk., so möchte ich Dich bitten, veranlassen zu wollen, mir gelegentlich einen Auszug zu senden. Es ist zwar nur eine kleine Summe, ich habe aber seit Jahren nichts mehr darüber gehört.

Anbei einige Marken, willst Du noch Revolutionsmarken?

Mit herzlichen Grüssen von Haus zu Haus bin ich Dein
C. Reichert