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o. D. (1928)

Lieber Freund Reichert!

Zu Deinem Briefe vom 10. August.

In der Zwischenzeit hast Du von mir einen kurzen Brief erhal­ten, worin ich Dir Grüsse von Staatssekretär Dr. von Schubert bestellte.

Deine Mitteilungen waren für mich hochinteressant und gaben mir Kunde davon, in welch großzügiger Weise Du die Firma Al­bert & Cie. ausbaust und womit, davon bin ich überzeugt, wei­tere lukrative Einnahmequellen geschaffen worden sind. Mit solchen Zahlen, mit denen Du operierst, kann man in Deutsch­land heute nicht mehr auftischen, denn das Geld ist bei uns sehr rar und teuer. Infolgedessen muss sich jeder soviel ein­schränken, als er kann, weil die Kapitaldecke zu kurz ist. Zweifellos wird die Erweiterung viel Arbeit bringen, aber Du hast in Deinen Söhnen wohl tüchtigen Nachwuchs, sodass Du es Dir leichter machen kannst, um recht den Besitz Deines Schlosses zu geniessen. Wohl glaube ich Dir, dass Du noch kein Rockefeller oder Morgan bist, aber zwischen Dir und mir besteht doch ein grösserer Unterschied. Es geht mir auch so gut. Geld allein macht nicht glücklich. Wenn man nur soviel hat, wie man zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und Erzie­hung seiner Kinder braucht.

Des alten Hegers Steckenpferd, die Versdichtung, ist mir wohl bekannt. Der Mann ist nicht mehr zu heilen und altert ziem­lich rasch. Es war ihm von jeher lieber, wenn er der Kundschaft ein Gedicht von sich vortragen konnte, als 10 Ballen Kaffee in Auftrag zu nehmen. Er ist tatsächlich ein Idealist, bescheiden und mit wenigem zufrieden.

Die Buchhandlung Crusius hat Deine Preislisten „verschwitzt“. Sie sind in der Zwischenzeit aber abgegangen und wohl in Dei­nem Besitz.

Unser Einkaufskontor entwickelt sich gut, und wir haben in der vorigen Woche in Essen die „Reichsgemeinschaft deutscher Einkaufskontore“ gegründet, wie Du aus beiliegender Zeitungs­notiz ersehen kannst. Das „Einkaufskontor“ bringt mir finan­ziell nicht viel ein, weil ich nur ein kleines Fixum habe, allerdings auch einen kleinen Anteil am Gewinn. Ich habe die Geschäftsführung nur übernommen, weil ich mich verbindlich gemacht habe, vor Ende 1929 kein Konkurrenzgeschäft zu er­richten. Müßig wollte ich nicht herumlaufen. Ich bleibe so in der Branche, habe Fühlung mit allen Lieferanten und wenn wi­der Erwarten das Einkaufskontor nicht so ausfallen sollte, wie ich mir denke, bin ich ja nicht gebunden.

In der Zwischenzeit habe ich in dem Buch „Bestie Ich“ etwas weiter gelesen und mir ein rechtes Bild über Mexico-Land ver­schaffen können. Da muss es ja kunterbunt hergehen und auf ein Menschenleben mehr oder weniger kommt es wohl nicht an. Hoffentlich habt Ihr jetzt, nachdem für Calles ein Ersatz-Präsident bestimmt worden ist, politisch etwas Ruhe.

Vor einigen Tagen habe ich auch Deine Bilderserie über Dein neues Besitztum erhalten, die in der Tat einen Edelmanns-Be­sitz zeigen. Es ist schade, dass ich dies alles nicht einmal sehen kann. Vorerst ist es mir nicht möglich, die Zeit, die ich für eine solche Reise nötig hätte, um gleichzeitig auch meine Brüder zu besuchen, herauszubringen. Sodann würde mich die Sache doch mindestens 10 000.- RM kosten, die ich auch nicht opfern möchte. Für die Bilder vielen Dank.

Der Vater von dem jungen Werntz sagte mir dieser Tage, dass sein Sohn seit langer Zeit nicht mehr geschrieben habe. Viel­leicht mahnst Du ihn wieder einmal an seine Kindespflicht. Wenn es ihm auch gut geht, so sind die alten Leute immer beunruhigt, wenn längere Zeit keine Nachricht kommt, und die Eltern können verlangen zu wissen, wie es ihren Kindern geht.

Nunmehr habe ich heute wieder eine „Bettelei“, nicht pro domo, sondern für das hiesige Gymnasium, auf dem mein älte­ster Bub Franzel ja auch Schüler ist. Ich habe zufällig vor kurzer Zeit den neuen Studiendirektor Dr. Kesselring gespro­chen und hörte, dass infolge Verarmung des bayerischen Staa­tes, wie überhaupt aller Reichsbehörden, die Lehranstalten nicht die notwendigen Bücher für die Bibliotheken anschaffen könnten, weil der Staat hierfür keine Mittel hat. Auch im Or­chester mangelt es an Noten. Es steht nur ein altes Harmonium zur Verfügung, das schlechte Töne von sich gibt. Man erinnert sich daher Deiner früheren Stiftung als einstiger Schüler dieser Anstalt und hat durchblicken lassen, dass es sehr er­wünscht wäre, wenn Du mal wieder Deinen Beutel etwas auftun und einen entsprechenden Betrag stiften würdest. Der Oberstu­diendirektor hat Dir den letzten Jahresbericht zugeschickt, und ich glaube, Dir ruhig empfehlen zu dürfen, hier etwas zu tun, denn es findet Anerkennung und ist für Dich als alter Schüler dieser Anstalt Befriedigung.

Sodann hätte ich noch eine weitere Bitte vorzutragen, wie ich es einem Münchner Maler versprochen habe, von dem ich einige Ölgemälde besitze. Der Mann hat unter 200 Bewerbern den „Rompreis“ erhalten. Er ist 34 Jahre alt und berechtigt zu den grössten Hoffnungen. Er hatte in der Familie Pech, indem seine erste Frau im Wochenbett starb und er von der zweiten Frau erst vor Kurzem geschieden wurde. Bei der Armut in Deutschland geht es allen Künstlern sehr schlecht, weil die meisten Leute kein Geld haben, Bilder zu kaufen. Herr Ziegler malt sehr schöne Landschaften, speziell bayer. Vorgebirge, aber auch Portraits. Augenblicklich hat er Bilder in der Preislage von RM 700.-, 1000.- und 1200.- mit Rahmen, hervor­ragend in Farbe, und die Münchner Kritiker, von denen ich ei­nige Rezensionen gelesen habe, beurteilen ihn erstklassig. Wenn Du ein oder zwei Bilder haben willst, könnten dieselben direkt nach Mexico geschickt werden. Der bekannte Maler Defregger hat selbst ein Bild von ihm gekauft. Wenn Ziegler jetzt Unterstützung findet, glaubt er später „ein ganz Gros­ser“ werden zu können und mithin ist ein jetziger Kauf seiner Bilder eine gute Kapitalsanlage.

Sonst weiss ich für heute nichts Neues und so verbleibe ich mit besten Grüssen von meiner Frau und den Kindern an Dich und Deine liebe Familie,

in alter Freundschaft

Dein
A. Fröhlich

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o. D. (1928)

Mein lieber Freund Carl !

Ich habe noch Deine beiden Briefe vom 17. Januar und 19. März d.J. zu beantworten. Es ging aber leider nicht früher, weil ich mit dem Einkaufskontor ausserordentlich viel Arbeit deswegen bekam, weil nunmehr von dem württembergischen Kolonial­warengrosshandel 34 Firmen unserer G.m.b.H. beigetreten sind. Ich schreibe Dir daher kurz, um Dich nicht länger warten zu lassen und gratuliere Dir nachträglich noch zu Deinem 55. Ge­burtstage. Meinen 56. beging ich am 27. April. Man kommt so ins Alter hinein, ohne es zu merken.

Es freute mich riesig von Deinen guten Geschäftserfolgen zu hören. Derartiger Aufschwung ist nach den trostlosen Ereig­nissen, die (wir) in Deutschland, Gott sei Dank, hinter uns haben, nicht möglich. Hätte man ahnen können, daß einmal sol­che Zeiten überhaupt kommen könnten, hätten mich in der Ju­gend auch keine hundert Gäule gehalten und ich wäre auch ins Ausland gegangen. Jetzt ist aber nichts mehr daran zu ändern, denn man hat Kinder, für die man sorgen muss. Daß Du Dich nunmehr zum Schloßbesitzer aufgeworfen hast, erregt meine Freude und doch vielleicht innerlich ein neidisches Gefühl. Aber ich gönne Dir alle Erfolge von Herzen und es würde mir tatsächlich ein Vergnügen machen, einmal Deinen neuen Besitz, der nach Deiner Schilderung einfach großartig sein muss, zu sehen. Für heuer ist mit der Reise nichts, denn durch das Einkaufskontor bin ich gebunden, trotzdem ich s. Zt. nur die Absicht hatte, täglich nicht mehr als einige Stunden dafür zu widmen. Jetzt aber muss ich von morgens bis abends dabei sein, bis die Sache einmal richtig funktioniert.

Für das mir gesandte Buch danke ich Dir verbindlichst. Wegen Mangel an Zeit war es mir bis jetzt nur möglich, einen Ab­schnitt daraus zu lesen, den ich interessant fand. Ich hoffe, im Herbst und Winter das Buch mit Aufmerksamkeit studieren zu können.

Der Verkehrsverein hatte letzthin seine jährliche Mitglieder­versammlung und wurde dabei Deiner – auch in den Zei­tungen ­– ehrend gedacht. Der Unterschied zwischen Verkehrsverein und Pfälzer Waldverein ist, daß der „Pfälzer Waldver­ein“ die Liebe zur Pfalz und die Waldungen pflegt, während der Verkehrsverein die Instandsetzung der Wege, Markierungen etc. innerhalb und ausserhalb der Stadt übernommen hat. Beide verfolgen somit ideelle Zwecke, und Du kannst auch für die zwei Korporationen je nach Belieben Deinen gefüllten Geldbeu­tel auftun. Grenzen sind keine gesetzt. Ich habe dem Verkehrsverein den Vorschlag gemacht, daß man vielleicht Dir zu Ehren einen Platz als „Reichertplatz“ benennt, evtl. auch mehrere Bänke. Allerdings sind in Kriegs- und Nachkriegszeit durch Rohlinge, deren wir nicht wenige haben, viele Schäden entstanden, zu deren Ausbesserung grosse Mittel notwendig sind. Hiesige Industrielle und Private steuern fortgesetzt bei, damit die Spaziergänge wieder in Ordnung kommen, woraus die gesamte Einwohnerschaft Nutzen zieht, denn der Wald ist und bleibt der Stolz unserer Vaterstadt und bedarf der Pflege.

Die Preislisten der Buchhandlung Crusius hast Du wohl inzwi­schen er­halten.

Die Herren: Loehmer, Wolf, Hertzog, Lieberich, Reiling lassen Dich alle recht herzlich grüssen. Kieffer, der s.zt. bei Sie­mens & Halske in Mexico war und jetzt in Japan ist, kommt im Herbst für dauernd nach Deutschland zurück. Der alte Hofmann, der früher bei O. & C. war, ist vor kurzem gestorben. Der junge Wernz scheint in der Tat sehr schreibfaul zu sein, denn sein Vater sagte mir neulich, daß er wenig von ihm hören würde. Allerdings ist ja die Hauptsache, dass es ihm gut geht. Von Bassler’s Schwager in Mußbach hörte ich letzthin, dass Bassler dieses Jahr nach Deutschland kommt und wenn dies der Fall ist, werden wir wohl manches Stündchen über Dich sprechen und auch ein Schöppchen auf Dein Wohl trinken. Lie­ber wäre es mir, wenn Du selbst Dich einmal zur Reise hierher aufraffen wolltest. Die Dampfer sind doch jetzt infolge des Reisesystems sehr gut eingerichtet, sodass es keine Seekrank­heit mehr gibt, und Du könntest in Deiner alten Vaterstadt, die sich seit Deinem letzten Hiersein doch wesentlich verän­dert hat, interessante Studien machen.

Am letzten Sonntag hatten wir, wie Du ja weisst, die Wahlen. Dieselben haben einen gewaltigen Ruck nach links gebracht. Welchen Einfluss diese Schiebung auf die innere Politik haben wird, ist noch nicht vorauszusehen. Nach aussen wirkt sie je­denfalls, wenn die grosse Koalition zustande kommt, beruhi­gend, Deutschland braucht Jahrzehnte lang Ruhe, um seine Ver­hältnisse wieder zu konsolidieren, aber natürlicher Weise ist es dabei notwendig, dass die Linke nicht die Übermacht be­kommt, sonst ist Enteignung des Privateigentums und viel­leicht ein kleiner Bolschewismus zu erwarten und das darf na­türlich nicht der Fall sein.

Der Schwiegersohn von Herrn Krell, Justizrat Dr. Walinger, ist augenblicklich in Heidelberg, woselbst er sich einer Ma­genoperation unterziehen musste. Es soll ihm nicht gut gehen. Der alte Kittelberger, der Dir wohl noch in Erinnerung ist, ist auch schwer leidend. Mein Freund Reiling ist Direktor der Kammgarnspinnerei geworden.

Wann und wo ich meinen diesjährigen Urlaub verbringe, kann ich noch nicht sagen.

Die Firma O. & C. hat eine Autogarage eröffnet, nachdem der Kolonialwarengrosshandel infolge weiterer Ausdehnung der Ein­kaufsgenossenschaften des Kleinhandels und der Konsumvereine keine grosse Verdienstmöglichkeit mehr lässt. Ausserdem hat sie seit meinem Ausscheiden viel Kundschaft an die Konkurrenz verloren.

Die Abwicklung der Geschäfte unseres „Einkaufskontors“ geht derart vor sich, dass wir für die uns angeschlossenen 56 Fir­men gemeinsame Abschlüsse tätigen (Konjunktur-Artikel sind ausgeschlossen). Wir selbst berechnen Salz und Zündhölzer auf eigene Rechnung. Circa weitere 40 Artikel werden von den Fa­briken direkt an unsere Gesellschafter berechnet. Wir erzie­len durch diese gemeinsamen Abschlüsse natürlich grosse Preisvorteile, die den einzelnen Gesellschaften am Ende des Jahres nach Maßgabe der Bezüge zugute kommen.

Laß bald wieder von Dir hören und sei herzlichst gegrüsst von

Deinem
A. Fröhlich