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o. D. (1928)

Mein lieber Freund Carl !

Ich habe noch Deine beiden Briefe vom 17. Januar und 19. März d.J. zu beantworten. Es ging aber leider nicht früher, weil ich mit dem Einkaufskontor ausserordentlich viel Arbeit deswegen bekam, weil nunmehr von dem württembergischen Kolonial­warengrosshandel 34 Firmen unserer G.m.b.H. beigetreten sind. Ich schreibe Dir daher kurz, um Dich nicht länger warten zu lassen und gratuliere Dir nachträglich noch zu Deinem 55. Ge­burtstage. Meinen 56. beging ich am 27. April. Man kommt so ins Alter hinein, ohne es zu merken.

Es freute mich riesig von Deinen guten Geschäftserfolgen zu hören. Derartiger Aufschwung ist nach den trostlosen Ereig­nissen, die (wir) in Deutschland, Gott sei Dank, hinter uns haben, nicht möglich. Hätte man ahnen können, daß einmal sol­che Zeiten überhaupt kommen könnten, hätten mich in der Ju­gend auch keine hundert Gäule gehalten und ich wäre auch ins Ausland gegangen. Jetzt ist aber nichts mehr daran zu ändern, denn man hat Kinder, für die man sorgen muss. Daß Du Dich nunmehr zum Schloßbesitzer aufgeworfen hast, erregt meine Freude und doch vielleicht innerlich ein neidisches Gefühl. Aber ich gönne Dir alle Erfolge von Herzen und es würde mir tatsächlich ein Vergnügen machen, einmal Deinen neuen Besitz, der nach Deiner Schilderung einfach großartig sein muss, zu sehen. Für heuer ist mit der Reise nichts, denn durch das Einkaufskontor bin ich gebunden, trotzdem ich s. Zt. nur die Absicht hatte, täglich nicht mehr als einige Stunden dafür zu widmen. Jetzt aber muss ich von morgens bis abends dabei sein, bis die Sache einmal richtig funktioniert.

Für das mir gesandte Buch danke ich Dir verbindlichst. Wegen Mangel an Zeit war es mir bis jetzt nur möglich, einen Ab­schnitt daraus zu lesen, den ich interessant fand. Ich hoffe, im Herbst und Winter das Buch mit Aufmerksamkeit studieren zu können.

Der Verkehrsverein hatte letzthin seine jährliche Mitglieder­versammlung und wurde dabei Deiner – auch in den Zei­tungen ­– ehrend gedacht. Der Unterschied zwischen Verkehrsverein und Pfälzer Waldverein ist, daß der „Pfälzer Waldver­ein“ die Liebe zur Pfalz und die Waldungen pflegt, während der Verkehrsverein die Instandsetzung der Wege, Markierungen etc. innerhalb und ausserhalb der Stadt übernommen hat. Beide verfolgen somit ideelle Zwecke, und Du kannst auch für die zwei Korporationen je nach Belieben Deinen gefüllten Geldbeu­tel auftun. Grenzen sind keine gesetzt. Ich habe dem Verkehrsverein den Vorschlag gemacht, daß man vielleicht Dir zu Ehren einen Platz als „Reichertplatz“ benennt, evtl. auch mehrere Bänke. Allerdings sind in Kriegs- und Nachkriegszeit durch Rohlinge, deren wir nicht wenige haben, viele Schäden entstanden, zu deren Ausbesserung grosse Mittel notwendig sind. Hiesige Industrielle und Private steuern fortgesetzt bei, damit die Spaziergänge wieder in Ordnung kommen, woraus die gesamte Einwohnerschaft Nutzen zieht, denn der Wald ist und bleibt der Stolz unserer Vaterstadt und bedarf der Pflege.

Die Preislisten der Buchhandlung Crusius hast Du wohl inzwi­schen er­halten.

Die Herren: Loehmer, Wolf, Hertzog, Lieberich, Reiling lassen Dich alle recht herzlich grüssen. Kieffer, der s.zt. bei Sie­mens & Halske in Mexico war und jetzt in Japan ist, kommt im Herbst für dauernd nach Deutschland zurück. Der alte Hofmann, der früher bei O. & C. war, ist vor kurzem gestorben. Der junge Wernz scheint in der Tat sehr schreibfaul zu sein, denn sein Vater sagte mir neulich, daß er wenig von ihm hören würde. Allerdings ist ja die Hauptsache, dass es ihm gut geht. Von Bassler’s Schwager in Mußbach hörte ich letzthin, dass Bassler dieses Jahr nach Deutschland kommt und wenn dies der Fall ist, werden wir wohl manches Stündchen über Dich sprechen und auch ein Schöppchen auf Dein Wohl trinken. Lie­ber wäre es mir, wenn Du selbst Dich einmal zur Reise hierher aufraffen wolltest. Die Dampfer sind doch jetzt infolge des Reisesystems sehr gut eingerichtet, sodass es keine Seekrank­heit mehr gibt, und Du könntest in Deiner alten Vaterstadt, die sich seit Deinem letzten Hiersein doch wesentlich verän­dert hat, interessante Studien machen.

Am letzten Sonntag hatten wir, wie Du ja weisst, die Wahlen. Dieselben haben einen gewaltigen Ruck nach links gebracht. Welchen Einfluss diese Schiebung auf die innere Politik haben wird, ist noch nicht vorauszusehen. Nach aussen wirkt sie je­denfalls, wenn die grosse Koalition zustande kommt, beruhi­gend, Deutschland braucht Jahrzehnte lang Ruhe, um seine Ver­hältnisse wieder zu konsolidieren, aber natürlicher Weise ist es dabei notwendig, dass die Linke nicht die Übermacht be­kommt, sonst ist Enteignung des Privateigentums und viel­leicht ein kleiner Bolschewismus zu erwarten und das darf na­türlich nicht der Fall sein.

Der Schwiegersohn von Herrn Krell, Justizrat Dr. Walinger, ist augenblicklich in Heidelberg, woselbst er sich einer Ma­genoperation unterziehen musste. Es soll ihm nicht gut gehen. Der alte Kittelberger, der Dir wohl noch in Erinnerung ist, ist auch schwer leidend. Mein Freund Reiling ist Direktor der Kammgarnspinnerei geworden.

Wann und wo ich meinen diesjährigen Urlaub verbringe, kann ich noch nicht sagen.

Die Firma O. & C. hat eine Autogarage eröffnet, nachdem der Kolonialwarengrosshandel infolge weiterer Ausdehnung der Ein­kaufsgenossenschaften des Kleinhandels und der Konsumvereine keine grosse Verdienstmöglichkeit mehr lässt. Ausserdem hat sie seit meinem Ausscheiden viel Kundschaft an die Konkurrenz verloren.

Die Abwicklung der Geschäfte unseres „Einkaufskontors“ geht derart vor sich, dass wir für die uns angeschlossenen 56 Fir­men gemeinsame Abschlüsse tätigen (Konjunktur-Artikel sind ausgeschlossen). Wir selbst berechnen Salz und Zündhölzer auf eigene Rechnung. Circa weitere 40 Artikel werden von den Fa­briken direkt an unsere Gesellschafter berechnet. Wir erzie­len durch diese gemeinsamen Abschlüsse natürlich grosse Preisvorteile, die den einzelnen Gesellschaften am Ende des Jahres nach Maßgabe der Bezüge zugute kommen.

Laß bald wieder von Dir hören und sei herzlichst gegrüsst von

Deinem
A. Fröhlich

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Kaiserslautern, den 27.7.1926

Lieber Freund Karl !

Es war für mich eine ausserordentlich grosse Freude, Deine Tante Alverdes u. Deinen Sohn Albert während meiner Kur in der Villa Hedwig in Badenweiler i/Schwarzwald begrüssen zu dürfen, und wir haben Dir ja von unserem gemeinsamen kleinen Nachmittagsausflug von Schloss Hausbaden eine Ansichtskarte mit Grüssen geschickt. Es tat mir nur sehr leid, dass die lieben Leute mich in Badenweiler nicht gleich auffanden, in­dem sie zu dem dirigierenden Doktor Heinecke gingen, der von der Kuranstalt entfernt wohnt und mir über Mittag nicht tele­fonieren konnte, weil an dem grossen „Seeplatz“ das Telefon von 11–5 Uhr mittags geschlossen ist (an Sonntagen). Da in der Kuranstalt für jeden einzelnen Patienten diätisch gekocht wird und an diesem Tage noch 6 Gäste anwesend waren, war es mit dem besten Willen nicht möglich, die Mexikaner bei mir zu Tisch zu haben.

Wir haben nachmittags beim Kaffee uns über Angenehmes und Schönes aus der Vergangenheit, über gemeinsame Freunde und über Mexiko und last not least über Dich selbst angenehm un­terhalten können. – Der Besuch in Kaiserslautern brachte als­dann meiner Frau und meinen Kindern lebhafte Freude und Frl. Alverdes und Albert werden Dir alles erzählen.

Dieselben sagten mir in Badenweiler, dass man Dich von der Regierung in Berlin als deutschen Konsul ausersehen habe. Du hättest aber vor Annahme dieser hohen Ehrenstellung die Be­dingung daran geknüpft, auf Deinem Heim die alte schwarz-weiss-rote Flagge hissen zu dürfen. Nach den Kämpfen im Reichstag und im Deutschen Blätterwalde wird dies wohl augen­blicklich noch nicht möglich sein, aber die Flaggenfrage selbst soll ja auf die eine oder andere Art und Weise in nächster Zeit gelöst werden, und ich hoffe zuversichtlich, dass Du in der Zwischenzeit Deine Bedenken zurückgestellt und das Amt angenommen hast.

Wie ich von Frl. Alverdes hörte, soll der alte Paasche, der Dich voriges Jahr besuchte, in Amerika gestorben sein. Er hat sich früher im Reichstag sehr verdient gemacht.

Bei uns ist die politische Lage etwas besser geworden. Aber die wirtschaftliche lässt noch viel zu wünschen übrig. Die Zahl der Arbeits- und Erwerbslosen hat noch nicht viel abge­nommen, weil die Industrie- und die Bautätigkeit nicht rich­tig in Schwung kommen will.

Infolge des Dumpings der französisch-spanisch-italienisch-etc. Valuten befindet sich der deutsche Export in grossen Schwierigkeiten. Hoffentlich wird bald überall stabilisiert. Ebenso wären jetzt Handelsverträge allerseits notwendig. Man sieht mit Besorgnis dem Winter entgegen!

Heute las ich in der Zeitung von dem mexikanischen Religions­streit, der jedenfalls für die mexikanischen Verhältnisse nicht angenehm ist.

Die wichtigste Nachricht, die ich Dir heute zukommen lassen will, ist die Tatsache, dass ich durch Mehrheitsbeschluss der Firma Ottmann & Co. G.m.b.H. als Geschäftsführer dieser Firma abberufen bin, unbeschadet aller meiner Rechte aus meinen Verträgen, die noch drei bis vier Jahre laufen. Ich habe da­gegen Protest erhoben und (es) wird in einigen Wochen zunächst ein Schiedsgericht darüber beschliessen. Alsdann wirst Du Weiteres von mir hören. Solange mein Vertrag läuft, muss ich noch Teilhaber der Firma bleiben. Ich sende Dir einliegend noch für Herrn Louis Brauer die Quittung der Sani­tätskolonne sowie ein Schreiben des Pfälzer Waldvereins nebst Mitgliedskarte und Satzungen, wonach Herr Brauer als Mitglied des Pfälzer Waldvereins geführt wird.

Ohne mehr für heute begrüsse ich Dich

in alter Freundschaft
Dein treuer
A. Fröhlich

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10. Juni 1926

Lieber Reichert !

Dein Brief vom 8. Mai kam in meinen Besitz, und ich danke Dir vielmals für Deine Mitteilungen. Zunächst entnahm ich Deinen Ausführungen gerne, dass Deine Tante und Dein Sohn Albert auf der Reise nach der alten Heimat sind und mich besuchen wol­len. Dieser Tage war Herr Ottmann da und bestellte Grüsse von Dir, die ich erwidert habe. Ich muss Mitte nächster Woche auf einige Wochen zu einer Stoffwechselkur nach Badenweiler und habe Deiner Tante nach Frankenhausen geschrieben, dass es mir lieb wäre, wenn der Besuch Ende Juli, Anfang August stattfin­den könnte. Wenn nicht, mögen die beiden Personen, die ich mit Freuden erwarte, mich auf der Reise nach der Schweiz in Badenweiler aufsuchen. Ich hoffe, dass die Sache klappt, und wir ein paar Ständchen von Dir, sowie von Mexiko und Deiner Heimat erzählen können.

Die Verhältnisse bei uns in Deutschland liegen nach wie vor im Argen. Danke Gott, dass Du den besseren Teil erwählt hast und seinerzeit auswandertest. Gewiss hast Du recht, dass man durch Spekulation manches gut machen kann, aber für die deut­schen Firmen heisst es heute, das Wenige, was nach der Infla­tion erhalten blieb, zu wahren und spekulieren soll man erst dann, wenn man eine Reserve hat und nicht alles „die Bach hinunter geht“. Hunderte und tausende Firmen von hundertjäh­rigem Ruf und Ansehen sind verschwunden, ganz abgesehen von den vielen Nachkriegsgründungen, die den Weg alles Fleisches gehen mussten, –

Die Briefmarken, die Du mir für Herrn Klinger geschickt hast, habe ich demselben übergeben und lässt er vielmals dafür dan­ken. Herr Klinger ist nicht verwandt mit der Dame, die mit Dir tanzen lernte. Er hat hier keine Verwandte, weil er von auswärts zugezogen ist. Fräulein Klinger, mit der Du noch in Korrespondenz stehst, wird eine Tochter des Postmeisters Klinger gewesen sein, der in der Nähe des Stadtparks wohnte.

Das Geschäft bei uns ist immer noch sehr ruhig. Die Einkaufsgenossenschaften, Konsumvereine etc. wollen den Grosshandel ausschalten, und vielfach geht der Grosshandel dazu über, ei­gene Verkaufsläden aufzumachen. Wir befassen uns auch mit dem Gedanken und wenn die Verhältnisse nicht besser werden, wer­den wir dazu gezwungen sein.

Ausserordentlich erfreut war ich über die Spende Deines Freundes Brauer. Es rührte mich tief, dass Abkömmlinge von ausgewanderten Deutschen noch so sehr an ihrer Heimat hängen. Ich habe den Betrag wie folgt verwandt:

Säuglingsfürsorge M 200.-, Tuberkulosenfürsorge M 200.-, Pfälzer Waldverein M 100.-. Bezüglich des Pfälzer Waldvereins bist Du ja im Bilde, wie wohltätig derselbe wirkt und bezüg­lich der Tuberkulosen- und Säuglingsfürsorge brauche ich ja nichts zu sagen. Gerade diese Anstalten tun bei der kolossa­len Armut der Bevölkerung nur Gutes. Sodann habe ich dem hie­sigen Oberbürgermeister nach vorheriger Rücksprache mit ihm M 300.- übergeben. Davon will Herr Oberbürgermeister M 200.- für einen Herrn Dr. Barth verwenden, der vollständig verarmt ist und in München sein juristisches Staatsexamen machen möchte, aber kein Geld hat. Es ist dies ein Sohn des früheren Einnehmers und Stadtschreibers Peter Barth, der schon längst gestorben ist und mit dem wir zusammen im Stenographenverein waren. B. war damals Vorsitzender, und ich glaube speziell auch in Deinem Sinne zu handeln, wenn ich, wie geschehen, ihm durch Herrn Oberbürgermeister den Betrag überweisen liess. Der Junge wird Dir ewig dankbar dafür sein. Sodann hat Herr Oberbürgermeister M 100.– einem Fräulein Zenker gegeben, de­ren Vater Du auch gekannt hast. Er war Ingenieur beim Eisenwerk und wurde kurz vor dem Waffenstillstand durch eine Flie­gerbombe getötet. Seine Tochter lebt in den bittersten und ärmsten Verhältnissen und ist krank, sodass auch hier der kleine Betrag gut angebracht ist. Die restlichen M 200.- habe ich der Freiwilligen Sanitätskolonne zugeleitet. Über M 700.- erhälst Du in der Einlage das offizielle Dankschreiben des Herrn Oberbürgermeisters. Die Quittungen des Pfälzer Waldver­eins sowie der Freiw. Sanitätskolonne sende ich Dir nach Emp­fang nach.

Du schreibst von einer Steingutfabrik, bei der Du Vorsitzen­der wärest. Ist dies ein neues Unternehmen von Dir?

Herrn Brauer bitte ich, meine persönlichen Empfehlungen zum Ausdruck zu bringen. Wie gut wäre es, wenn in der dortigen Kolonie es noch mehr solch edeldenkender Menschen gäbe, ein­gedenk des Sprichwortes: „Geben ist seliger wie Nehmen.“

Am letzten Sonntag war hier anlässlich des 650 jährigen Jubi­läums unserer Stadt ein grosses Fest mit Festzug in Erinne­rung an die im Jahre 1276 durch König Rudolf von Habsburg der Stadt Kaiserslautern verliehenen Stadtrechte. Ich sende Dir einliegend das Festprogramm. Es war eine unzählige Menge fremder Leute hier.

Sonst weiss ich heute nichts Neues und grüsse Dich

in alter Freundschaft
Dein
A. Fröhlich

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den 8. April 1926

Lieber Freund Karl !

Ich habe noch Deinen Brief vom 14. Januar zu beantworten und oftmals habe ich Ansatz dazu genommen, bin aber immer davon ab­gekommen.

In der Zwischenzeit hast Du ja gehört, dass wir mit der be­freundeten Firma C.N. Thomas G.m.b.H. hier eine Interessenge­meinschaft eingegangen sind, und zwar aus dem Grunde, um Unko­sten etc. zu sparen, was heute bei der Wirtschaftskrisis in Deutschland, die wir durchzumachen haben, in erster Linie er­forderlich ist. Wie sich die Sache entwickelt, lässt sich na­türlich noch nicht sagen, aber bis jetzt kommen wir in guter Harmonie mit der Firma aus. Die Lagerräumlichkeiten sind in un­serm neuerbauten Lager Ottmann & Co., während die Büros der Firma C.N. Thomas G.m.b.H., Spittelstrasse vorerst noch unter­gebracht sind. Es ist in Deutschland außerordent­lich schwer im Großhandel geworden, denn viele Einkaufsgesellschaften und Kon­sumvereine haben sich gebildet, deren Hauptbestreben ist, den Großhandel auszuschalten. Dazu kommt, dass ein großer Teil un­serer alten Kundschaft durch die In­flation und Nachkrieszeit vollständig verarmte und nicht mehr in der Lage war, ihr Ge­schäft aufrecht zu erhalten. Du liest ja hoffentlich deutsche Zeitungen und kannst Dir aus den vielen Geschäftsaufsichten (eine Form zur Verhütung des Kon­kurses) sowie aus den Konkursen selbst ein ungefähres Bild machen, wie es in Deutschland aus­sieht. Das Dawes-Gutachten brachte Deutschland eine Belastung, die es auf die Dauer un­möglich tragen kann. In letzter Zeit ist eine Nuance Besse­rung zu konstatieren, weil die Reichsbank den Zinssatz auf 7 % ermäßigt hat, während wir voriges Jahr einen Zinssatz von 14–18 % hatten und vor zwei Jahren sogar bis zu 60 %. Dass dies kein Geschäft und keine Fabrik verdienen kann, wirst Du wohl einsehen.

Ich freue mich aus Deinem Brief zu ersehen, dass es Dir persön­lich und Deiner Familie gesundheitlich gut geht. Meine Kur in Lugano hatte nicht den Erfolg, den ich erwartete, und ich war in letzter Zeit mit den Nerven ziemlich auf den Hund gekommen und erst gestern wieder beim Arzt. Ich will, denke ich, im Mai/Juni in ein Bad gehen und mich mal gründlich er­holen. Über­dies erhoffe ich von dem Frühjahrswetter, das ich fleißig zu Spaziergängen benutzen will, eine Besserung. Am 27. April werde ich 54 Jahre alt, und dass das Alter sowie die schweren Zeiten, die wir durch den Krieg und die Nach­kriegszeit etc. durchzuma­chen haben, sich nicht in die Klei­der setzte, ist wohl ein na­türlicher Vorgang. Wenn erst meine Kinder älter wären (der kleinste Bursche ist jetzt 6 Jahre alt, er kommt dieses Jahr zur Schule), würde ich nicht so sehr am Leben hängen, denn es ist tatsächlich nicht mehr schön in Deutschland. Trotzdem lasse ich die Hoffnung nicht sinken und will weiter mithelfen, soweit es in meiner Kraft steht, am Wiederaufbau.

Die politischen Verhältnisse in Deutschland schreien zum Him­mel. Die Parteien werden nicht weniger, sondern immer mehr und viele Emporkömmlinge und Schieber glauben, eine Rolle spielen zu sollen.

Es tut mir außerordentlich leid, dass Dein Besuch, den Du für den Monat Juni sicher in Aussicht stelltest, wieder unterbleibt. Hoffentlich führst Du denselben doch alsbald aus. Dieser Tage brachte die Frankfurter Zeitung einliegende Notiz über mexika­nischen Besuch in Deutschland und wäre dies doch m.E. gute Ge­legenheit gewesen für Dich, Deine alte Heimat zu besu­chen, um­somehr als Du nunmehr Vorsitzender der deutschen Handelskammer in Mexiko geworden bist und Vorstand der deutschen Kolonie und Schule. Ich gratuliere Dir zu diesen Ehrenposten, die aller­dings ja nichts eintragen, aber Führer müssen sein und es ist besser, hierfür Charaktere als Streber zu haben. An Deinen Söh­nen wirst Du jetzt bald tüchtige Hilfe haben und dann kannst Du es Dir auch bequemer machen. Meine beiden Bu­ben hoffe ich spä­ter nicht ins Geschäft zu nehmen, denn meine Absicht besteht, ihnen ein perfektes Studium geben zu lassen. Mein ältester Bur­sche Franzl ist jetzt in der 2. Gymnasial­klasse und hat ein sehr gutes Zeugnis. Er ist einer der Be­sten in der Schule mit fünf 1er und zwei 2er.

Von unserem Herrn Heger hörte ich, dass Du M 1000.- für den Pfälzer Waldverein gestiftet hast, worüber ich mich sehr freute. Es wird dies vielleicht Anlass sein, dass man Dir von anderer Seite Bettelbriefe schickt, denn Heger sagte mir, dass sich bereits Verschiedene nach Deiner Adresse erkundigt hätten. In dieser Beziehung empfehle ich Dir Vorsicht, wie früher schon meinerseits geschehen, und wenn Du etwas tun willst, kannst Du ja vorher meinen Rat einholen.

Das Buch von Landenberg habe ich, soweit mir die Zeit zur Ver­fügung stand, durchgesehen und fand es sehr gemeinver­ständlich und interessant geschrieben. Heißen Dank dafür!

In der Zwischenzeit wird wohl Herr Kommerzienrat Albert drü­ben angekommen sein und an seinem Sohn hast Du ebenfalls Hilfe. Be­züglich Staatsrat Korn (aus) München habe ich nichts mehr ge­hört. Sein Junge wird wohl dieses oder nächstes Jahr das Gymna­sium absolvieren, und wenn er ihn dann nach Mexiko schicken will, wird er schon Dir oder mir schreiben. Er hat es sehr weit gebracht, denn er ist jetzt Stellvertreter des Ministers. Nur etwas hat er getan, was mir nicht passt. Er soll nämlich seinen protestantischen Glauben abgelegt haben und vor einigen Jahren zum Katholizismus übergetreten sein, um desto rascher Karriere zu machen. Dies aber streng ver­traulich unter uns.

Sonst gibt es in Lautern nichts besonderes Neues. Das Jahr 1925 und 1924 war für die Firma Ottmann & Co. verlustbrin­gend, und oftmals habe ich es bereut, dass ich nicht früher, wie Du, auch ausgewandert bin. Dann hätte man diese schweren Zeiten doch nicht so am eigenen Leib gespürt und könnte mit größerer Beru­higung der Zukunft entgegensehen. Aber trotzal­ledem heißt es, Kopf hoch, denn einmal muss es auch wieder anders werden, und wenn die Alten keinen Vorteil mehr davon haben, dann sind es die Jungen.

In diesem Sinne verbleibe ich heute wie immer mit den besten Grüßen von Haus zu Haus

Dein alter treuer Freund
A. Fröhlich

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