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México, 8. März 1913

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt Deine lieben Zeilen vom 17. pti, also am Tage bevor der hiesige Rummel zu Ende ging. Ich erhielt schon einige Zeitungsausschnitte aus Deutschland, worin die unglaublichsten Dinge erzählt werden, was hier Alles passiert sein soll. Es war ja auch schauderhaft und einfach unerhört. Das Regime des Hallunken Madero stank schon zum Himmel und lange konnte es so nicht mehr fortgehen, denn diese Bande hat entsetzlich gewirtschaftet und die Staatsfinanzen auf den Hund gebracht. Man macht sich im Ausland keinen Begriff von der Schweinewirtschaft, die eingerissen war. Es war höchste Zeit, dass es zu Ende ging mit Madero & Co und man hat gründlich fortgeräumt.

Es ging am 9. Febr. früh an. Wir wohnen direct dem Palast gegenüber an der grossen Plaza, woran auch die Kathedrale liegt. Man hatte Nachts Maschinengewehre in die Türme geschafft und schoss darauf los, was das Zeug hielt. Die ersten Schüsse gingen schon in unsere grossen Wasserbehälter, die auf dem flachen Dach sind, 10 Stück, wovon die beiden grössten sofort durchlöchert wurden und ihr Wasser über ein Glasdach ergossen. Sonntags ist fast Niemand im Geschäftshaus, und da ich fürchtete, dass unser Wasservorrat auslaufe (die Wasserleitung ist das erste, was diese Kerle abschneiden), so musste ich aufs Dach, um die intakten Behälter abzustellen. Eine etwas ungemütliche Affaire.

Dann zog sich Felix Diaz, da er den Palast nicht nehmen wollte, nach dem Arsenal zurück, eroberte dies mit leichter Mühe und verschanzte sich in den umliegenden Strassen, bevor Madero wusste, wie ihm geschah. Leider blieben die Truppen dem Kerl treu und so kam es, dass die Entscheidung sich so lange hinzog. Wir waren 12 Tage eingeschlossen, denn da wir direct im Centrum wohnten, glaubte ich meine Wohnung nicht verlassen zu dürfen, obwohl die Vorstädte ganz sicher waren. Meine Familie wollte mich nicht allein lassen, es musste auch schlimm kommen, wenn wir in Gefahr geraten sollten. Die beiden Gebäude sind 5 und 6stöckig und in Gefahr waren nur die oberen Stockwerke.

In den ersten 2 Tagen hatte man etwas Bedenken, oben zu sein, und wir hielten uns im Geschäft auf, dann sahen wir aber, dass es nicht so schlimm war und blieben ruhig oben. Alle 2 Tage holten wir, wenn die Schiesserei etwas aufhörte, die Post und mit 4 jungen Deutschen, die auch im Geschäft wohnten, wurde gearbeitet. Über uns platzten viele Shrapnells, welche auf den Palast geschossen wurden. Aber Du machst Dir kein Bild, 12 Tage und Nächste [sic] diese haarsträubende Schiesserei, besonders der Maschinengewehre. Der Sachschaden ist enorm und geht in die Millionen. Ca 1200 Menschen, darunter viele neugierige Civilisten, kamen um, die Verwundeten nicht gerechnet.

Meine Tante nimmt eine Kollection Fotografien mit, die sie drüben zeigen kann. Da kannst Du einmal sehen, was geleistet wurde. Vor einigen Tagen wurde Madero und der Vicepräsident nach dem Strafgefängnis überführt & und man machte einen Befreiungsversuch, wobei diese beiden Verbrecher an ihrem Vaterland ihre edlen Taten mit dem Leben büssen mussten. Das klingst zwar brutal, aber es ist das Beste, was passieren konnte. Nur so kann es bald Frieden und Ordnung geben. Die neue interimistische Regierung ist gut zusammengestellt, und wir haben die Hoffnung, dass wir jetzt rasch wieder in bessere Bahnen kommen.

Für das Geschäft ist dies natürlich schlimm, aber was will man machen. Mit dem Millionärspielen wird es auf diese Weise nichts, glaube auch nicht, dass ich so viel Ehrgeiz habe. Ein bisschen weniger tut es auch.

Anbei sende ich Dir einige Marken.i Wenn Du mehr haben willst, sage es nur. Wer sind eigentlich die jungen Leute, welche sich etablieren? Kenne ich sie?

Ich hoffe, bald wieder von Dir zu hören. Grüsse mir bestens die Herren der Firma, ebenso Deine werte Frau und sei herzlichst gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

Bassler & Ottmann geht es gut. Ottmann geht jedenfalls im Spätjahr zu Besuch nach Deutschland.

[i] Briefmarken