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México, 25. Mai 1923

Lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt nacheinander Deine l. Zeilen vom 21. April & 1. Mai, deren Inhalt ich, wie immer, mit Interesse las.

Dass die Kette zu Deiner Zufriedenheit ausgefallen ist, freut mich sehr. Für die übersandten Münzen danke ich Dir bestens: ich habe eine kleine Sammlung von hiesigen Mün­zen und Schei­nen aus den Zeiten der Papierwirtschaft, die auch manche unange­nehme Erinnerung hervorrufen, aber so tief war selbst Mexico mit der unglaublichen Papierfabri­kation nicht gekom­men, wie das arme Deutschland. Ich will mich in den Briefen an Dich jeder bitteren Bemerkung ent­halten, denn Du sollst nicht in Ungelegenheiten durch mich kommen.

Was den Hausbau in Frankenhausen angeht, so bedaure ich auch, es nicht Dir gesagt zu haben, aber ich habe Dich schon genü­gend gepiesackt und man soll die Güte Anderer nicht missbrau­chen. Unser Berliner Prokurist versteht nichts, wie seine Einkäufe für die Detailabteilung, sonst taugt er nichts. Ich habe im October aus diesem Grund noch einen unserer hiesigen Prokuri­sten nach Berlin ge­schickt, der die allgemeine Leitung incl. Finanzen bekom­men hat, denn Schmidt ist darin „unglaublich“. Zu seiner Entschuldigung lässt sich nur anfüh­ren, dass man selten einen guten, denkenden Finanzmann fin­det. Kaum kommen die Leute drüben an, so haben sie schon die ganze Lehre von Mexico ver­gessen, oder fangen an, zu denken, wie dorten die meisten, die den ganzen Schwindel immer noch nicht verstehen.

Für den übersandten Ausschnitt wegen meines Geschenks danke ich Dir bestens: es freut Einen doch, wenn man in der Lage ist, et­was Gutes zu tun. Allerdings erlebt man auch manche unangenehme Überraschung, meistens bei Ver­wandten, die von einander hören, was der eine und was der andere erhält und dann geht die Eifer­sucht los. Nun, man tut, was man kann und wem es nicht passt, der soll ins Pfefferland gehen.

Was das Geld von Alverdes angeht, so habe ich in der Eile mei­nen Brief vom 6. April gar nicht mehr durchgelesen, denn leider enthält er verschiedene Schnitzer. Ich meinte, wenn Alverdes das Geld zurückgibt (eine Möglich­keit, mit der ich nicht rechne), so solltest Du es zu seiner Verfügung lassen oder noch besser, es gar nicht annehmen, er soll ruhig damit arbeiten und sehen, dass er resp. seine Frau keine Jammer­briefe schreibt. Wenn er also mit dem Geld kommt, sage ihm, er solle es ruhig be­halten und damit arbeiten, das war meine Absicht. Ich will es gar nicht mehr haben.

Mein kleines Guthaben in Mark bei Euch kannst Du ihm auch über­senden nach Abzug Deiner Unkosten für Porti etc. Wenn Du es für richtiger hälst (!), kannst Du es auch verschenken, ganz wie Du willst. Sollten sich die Leute an mich wen­den, so glaube ich Dich richtig verstanden zu haben, wenn Du mir gestattest, das Geld an Dich zu senden, damit Du selbst dispo­niert, ob die Be­treffenden dazu würdig sind oder ob es sich nur um Schnorrer handelt. Neulich erhielt ich einen Brief von einem Herrn Hargesheimer aus Tripp­stadt, dem ich einige Dol­lars sandte. Ich glaube, es war ein Bekannter meines Vaters.

Wenn Du es für richtig hälst (!), würde ich gerne einen Be­trag stiften zu Ehren meines alten Herrn, der mir leider so früh entrissen wurde, so etwa 250 Dollars. Gibt es da eine pas­sende Gelegenheit?

Die Sommerfrische in Cuernavaca habe ich sehr genossen, nur hat sie mir ein gänzlich unerwartetes Ereignis ge­bracht, die Verlo­bung meiner Tochter, die mir absolut überraschend kam. Ihr Bräutigam heisst Veerkamp, der mit seinem Bruder hier ein Musikinstrumentengeschäft en gros hat, speciell Vertretung der Mundharmonikafabrik M. Hoh­ner, Trossingen. Die Leute sind fi­nanziell recht erträg­lich ab und wirklich gediegene Menschen. Das versöhnt mich mit dem Gedanken, mein Kleines ver­lieren zu müssen. Sie wollen im September heiraten, und ich bin dabei, mich in die Rolle des würdigen Schwiegervaters einzuarbeiten. Ganz leicht fällt mir das nicht.

In diesen Tagen erhielt ich einen Brief von Arthur Ott­mann, der sehr klagte, er habe fast nichts zu leben. Was hast Du für Nachrichten über ihn? Ist er wirklich so mi­serabel ab? Bassler, Oscar Ottmann & ich habe ihm einen Check gesandt, um ihm eine kleine Freude zu machen.

Für heute schliesse ich. Halte Dich munter und lass bald wie­der von Dir hören.

Beste Grüsse von Haus zu Haus, speciell an Dich von

Deinem alten amigo
C. Reichert

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MEXICO, 6. April 1923

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich schrieb Dir unterm 9. März und erhielt inzwischen Deine freundlichen Zeilen vom 1. und 7. März nebst Anlagen. Zuerst der Brief des Herrn Oberbürgermeisters, den ich Dir anbei zurücksende und dann die Abschriften Deines Briefwechsels mit Al­verdes.

Man soll sich eigentlich nicht mehr wundern, wenn man so alt geworden ist, aber dummerweise tut man das immer noch. Also der gute Mann setzt sich aufs hohe Ross, sagt, er habe immer noch sein Auskommen gefunden, aber andererseits schreibt Frau Alver­des, sie brauche unbedingt Unterstützung. Wie reimt sich das eigentlich zusammen?

Ich bemerkte mir, dass Du in Berlin 30 Dollars abdisponiert hast, die Alverdes ruhig behalten kann. Wenn er sie wirklich an Dich zurückschickt, lasse Sie bitte zu Deiner Verfügung, damit er damit operieren kann. Da der Ankauf eines Geschäfts doch sich nicht zu verwirklichen scheint, so werde ich wohl den Kre­dit stornieren lassen können?

Ich schrieb Dir vor einigen Tagen, dass ich telegrafisch an die Höhere technische Lehranstalt auf deren Verlangen zur Einrich­tung einer Studentenspeiseanstalt den Betrag von 1 Million an­wies.

Ebenso sandte ich an den Bayr. Kultusminister für das Gymna­sium dorten eine weitere Million Mark. Ich hoffe nur, dass ich nicht allzu viele Anliegen daraufhin erhalte, denn auch mein Geldbeu­tel ist nicht grundlos und ist in letzter Zeit ziemlich mitge­nommen worden.

Immerhin, wenn es sich um etwas für mein liebes Lautern han­delt, so kannst Du es mich ja wissen lassen: ich werde sehen, was ich tun kann.

Entschuldige mich, wenn ich mich für heute kurz fasse. Ich will für 8 Tage nach Cuernavaca in die Sommer“frische“, wo man Eier in der Sonne kochen kann und möchte keine unbeantworteten Briefe hinterlassen.

Viele herzliche Grüsse an Dich und Familie, ebenso an die al­ten Bekannten der Firma von Deinem

C. Reichert