MEXICO, 6. April 1923
Mein lieber Freund Fröhlich!
Ich schrieb Dir unterm 9. März und erhielt inzwischen Deine freundlichen Zeilen vom 1. und 7. März nebst Anlagen. Zuerst der Brief des Herrn Oberbürgermeisters, den ich Dir anbei zurücksende und dann die Abschriften Deines Briefwechsels mit Alverdes.
Man soll sich eigentlich nicht mehr wundern, wenn man so alt geworden ist, aber dummerweise tut man das immer noch. Also der gute Mann setzt sich aufs hohe Ross, sagt, er habe immer noch sein Auskommen gefunden, aber andererseits schreibt Frau Alverdes, sie brauche unbedingt Unterstützung. Wie reimt sich das eigentlich zusammen?
Ich bemerkte mir, dass Du in Berlin 30 Dollars abdisponiert hast, die Alverdes ruhig behalten kann. Wenn er sie wirklich an Dich zurückschickt, lasse Sie bitte zu Deiner Verfügung, damit er damit operieren kann. Da der Ankauf eines Geschäfts doch sich nicht zu verwirklichen scheint, so werde ich wohl den Kredit stornieren lassen können?
Ich schrieb Dir vor einigen Tagen, dass ich telegrafisch an die Höhere technische Lehranstalt auf deren Verlangen zur Einrichtung einer Studentenspeiseanstalt den Betrag von 1 Million anwies.
Ebenso sandte ich an den Bayr. Kultusminister für das Gymnasium dorten eine weitere Million Mark. Ich hoffe nur, dass ich nicht allzu viele Anliegen daraufhin erhalte, denn auch mein Geldbeutel ist nicht grundlos und ist in letzter Zeit ziemlich mitgenommen worden.
Immerhin, wenn es sich um etwas für mein liebes Lautern handelt, so kannst Du es mich ja wissen lassen: ich werde sehen, was ich tun kann.
Entschuldige mich, wenn ich mich für heute kurz fasse. Ich will für 8 Tage nach Cuernavaca in die Sommer“frische“, wo man Eier in der Sonne kochen kann und möchte keine unbeantworteten Briefe hinterlassen.
Viele herzliche Grüsse an Dich und Familie, ebenso an die alten Bekannten der Firma von Deinem
C. Reichert