Archiv für den Monat: November 1923

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México, 19. Nov. 1923

Mein lieber Freund Adolf!

Ich schrieb Dir am 13. & 16. ds. & empfing soeben Deine l. Zei­len vom 27. Okt. wegen des Bahnmeistervereins. Wie ich Dir schon sagte, bin ich für Alles zu haben, was die Not von alten Bekannten in etwa lindern kann & bitte Dich, mich gar nicht zu fragen.

Du bist so freundlich gewesen, meine Bitte um Deine In­tervention in dieser Sache zu gewähren & kannst das tun, was Du für richtig hälst: das einzige, was ich nicht will, ist sozialistisch/ kommunistisch/ antisemitischen Dreckskram zu unter­stützen: na, das tust Du ohnehin nicht!

An meine Verwandten etc. habe ich inzwischen durch Harder & de Voss, Hamburg, Lebensmittelsendungen machen lassen. Ich habe bei Dir angefragt, da Du aber nichts darauf sag­test, nahm ich an, daß nach dem unbesetzten Gebiet von Euch aus kaum daran ge­dacht werden kann. – Anbei sende ich Dir einen weiteren Check von Dls 25.-, den Du, wenn Du das für richtig hälst, ganz dem Bahnmeisterverein überreichen kannst.

Sei so gut & belaste mir alle durch mich entstehenden Un­kosten.

Anbei ein Brief von Frau Mangold: sei so gut und lasse ihr für einige Dollar Esswaren geben.

Hier sieht es wieder einmal faul aus. Politik ist schon mehr höhere Schweinerei & das am wenigsten Geeignete (um mich sehr zart auszudrücken) kommt bei der verdammten Demokratie in die Höhe. Demokratie ist theoretisch eine schöne Sache, nur schade, daß die Politiker in der Praxis ganz was Anderes dar­aus drehen! Die Menschen müssen immer irgend einen Blödsinn haben, dessent­wegen sie sich die Köpfe blutig schlagen.

Ohne Mehr für heute, bin ich mit herzlichen Grüßen

Dein alter Freund!
C. Reichert

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MEXICO, 15. Novbr. 1923

Mein lieber Freund Fröhlich!

Kaum war mir mein Letztes vom 13. ds. (wovon anbei ein Durch­schlag) weg, als Dein lieber Brief vom 24. October eintraf.

Du schreibst mir darin über die Verteilung der kleinen Stiftun­gen, und ich muss Dir vor Allem mein Kompliment machen über die Art und Weise, wie Du den Kram angepackt hast. Da liegt doch noch Sinn und Verstand drin und man kriegt wieder etwas Ver­trauen, denn was man sonst von drüben in die Finger bekommt, grenzt gewöhnlich an gei­stige Dekadenz. Jedenfalls freue ich mich, eine so bril­lante Vermittlung in Dir gefunden zu haben, der nicht einfach das Geld hinauswirft, was ja ziemlich einfach ist, sondern sich liebenswürdigerweise einer grossen Ar­beit un­terzieht. Habe vielen Dank dafür.

So ganz schwach kann ich mich noch an die von Dir erwähn­ten Persönlichkeiten erinnern und es ist mir lieb, wenn durch diese Sache der Name meines von mir verehrten Va­ters wieder einmal genannt wird und man durch ihn, sozu­sagen aus dem Grab heraus, nochmals etwas Gutes erhält.

Der Techn. Staatslehranstalt hatte ich zur Studentenspei­sung am 31. 3. den Betrag von 1 Mill. überwiesen, wie ich Dir glaube, geschrieben zu haben. Ich fürchte, dass man das Geld nicht in Werten angewandt hat, sondern liegen liess, bis es fast nichts mehr wert war. Das ist schade, denn damals ko­stete eine Million Mark immer noch einiges in Gold. Es ist mir leider mit diversen solchen Rimessen so gegangen, denn die Betreffenden legten das Geld auf die Bank, statt sich gleich was zu kaufen. Aber da kann ich nichts dafür.

Was den Bahnmeisterverein betrifft, so bin ich, wie Du, auch kein grosser Freund von Vereinsmeierei, es sei denn, dass der Verein auch wohltätige Zwecke verfolgt. Trifft das bei dem B.V. zu, so kannst Du gerne etwas tun, und ich überlasse es Herrn Walther, mir mal zu schreiben, denn ich würde dann noch direkt etwas unternehmen.

Es wäre mir lieb, wenn Du der alten Frau Mangold auch et­was an Lebensmitteln übersenden könntest, vielleicht zu Weihnach­ten. Sei so gut und denke auch daran.

Also wiederholt meinen herzlichsten Dank, lieber Freund, für Deine Unterstützung, die Dir an dem Liebeswerk einen sehr we­sentlichen Anteil sichert, sodass wir Beide uns nichts wegen der verursachten Arbeit vorzuwerfen brau­chen. Es wäre mir pein­lich, Dich Deiner intensiven Be­schäftigung durch diese Ge­schichten entziehen zu müssen, wenn ich nicht wüsste, dass Du es gerne tust.

Ich benütze noch die Gelegenheit, um Dir und Deiner lie­ben Fa­milie und der Firma O & C für das Neue Jahr gute Gesundheit zu wünschen und der Hoffnung Ausdruck zu ge­ben, dass das neue Jahr eine Besserung der traurigen Ver­hältnisse bringen möge.

Viele Grüsse von Deinem alten Freund
C. Reichert

30

México, 13. November 1923

Lieber Adolf!

Ich erhielt Deine lieben Zeilen vom 29. Aug. und hoffe, dass Dir Dein Aufenthalt in Freudenstadt gut getan hat. Herr Krell schrieb mir vor wenigen Tagen, Du habest ihm aufgetragen, mir zu sagen, dass Du mir nächstens schrei­ben würdest. Hoffent­lich lässt Dich das Geschäft bald dazu kommen.

Nun erhalte ich heute einen Brandbrief von meinem Bruder Hein­rich, Schillerstr. 27, Ludwigshafen, dem wohl schleu­nigst ge­holfen werden muss, denn es muss ihm recht schlecht gehen. Ver­stehen kann ich es nicht ganz, denn sein Sohn, der jetzt hier ein Speditionsgeschäft hat, sagt mir oft, dass er seine Eltern unterstütze. Mein Bru­der meint, er wolle mit seiner Frau und Tochter hierher­kommen, was aber in seinem Alter eine gewagte Sache ist. Ich bin sehr gegen solche Versuche, die mehr Verzweif­lungsanfälle sind. Ich habe es hin und her über­legt, aber es geht nicht. Gewöhnlich stellen es sich die Leute auch anders vor, als es hier de facto ist und dann kommt die Enttäu­schung.

Ich erlaube mir nun, Dich wieder zu piesacken, indem ich Dir anbei einen Check über 50 Dlr sende, mit der Bitte, Dir mei­nen Bruder kommen zu lassen (ich schrieb ihm, er solle zu Dir fah­ren) und ihm Geld und/oder Lebensmittel dafür zu geben. Viel­leicht kannst Du ihm mal einen Rat geben, was er in sei­ner Lage tun soll, denn ich kann das leider von hier aus nicht. Sei so gut und sehe mal zu, ob nichts für ihn zu ma­chen ist.

Nach Erhalt Deines Briefes mehr, da ich Heutiges noch mit der Post weg haben möchte und damit keine Zeit verloren wird.

Am 24. heiratet mein Töchterchen. Weiteres im nächsten Brief. Inzwischen vielen Dank im Voraus und beste Grüsse,

auch an Deine Frau und die alten Kollegen von O & C.

Dein
C. Reichert