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MEXICO, 4. Dezbr. 1919

Lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 1. Nov., die sich mit einem Brief von mir gekreuzt haben, von dem ich Dir aber das Datum nicht angeben kann, da ich ihn nicht kopiert hatte. Ich hatte aus einer Postkarte meiner Mutter ersehen, dass bei O & C Unglücksfälle vorgekommen waren, wusste aber nichts Genaues und liess den Brief an Herrn Jb. Ottmann los in der Hoffnung, mal von Dir inzwischen Genaueres zu erfahren. Nun weiss ich allerdings eine Menge, aber es hat mir furchtbar leid getan, diese Hiobsbotschaften zu erfahren. Du weisst, welche Anhäng­lichkeit ich für die ganze Familie empfinde, trotz des Vierteljahrhunderts, das seit meinem Austritt verflossen ist und ich bedauere tief das Ungemach, das die Familie getroffen hat. Ich dachte zuerst, meine Mutter habe sich geirrt und meine mit der kurzen Notiz Herrn Jb. Ottmann, aber dass Ludwig als junger, kraftvoller Mann schon so früh von hinnen sollte, das konnte mir nicht in den Sinn kommen.

Du hast mir gar nichts gesagt, was aus Arthur geworden ist. Ist er immer noch in Hamburg? Und dann Paula und ihr Mann. Er war doch wohl Offizier und was tut er jetzt?

Angenehm war es mir zu hören, dass Du nun Teilhaber der Firma wirst und ich freue mich umsomehr darüber, als das eine Belohnung Deiner treuen Arbeit durch Jahrzehnte hindurch darstellt. Du hast es Dir immer schwer gemacht und tüchtig gearbeitet und dieses Ausharren ist seines Lohnes wert. Ich wünsche Dir viel Glück und weitere gute Erfolge.

Dass es Dir in Bezug auf Familie gut geht, ist mir lieb zu hören & der Gedanke daran weckt in mir den Wunsch, gelegentlich einmal ein Bild von Dir und Deiner Familie zu haben. Bitte, vergiss das nicht, wenn Du Euch das nächste Mal abkonterfeien lässt. Da mein éltester eben auf der Kaffeeplantage ist, war es nicht möglich, eine neue Aufnahme zu machen. Einstweilen sende ich Dir ein Bild unserer Terrasse, auf 5 Stockwerk Höhe. Ich gehe morgens und abends in meinem Dachgarten spazieren, lese die Zeitung oder überdenke schwierige Geschichten im Geschäft und rauche dabei meine echte México.

Dass Peter sich auf seine alten Tage noch verlobt hat, ist grossartig. Er hat lange gezögert, aber ich hoffe, das Sprichwort, was lange währt, wird gut, wird an ihm wahr.

Bassler habe ich Deinen Brief gezeigt und er war auch erschüttert angesichts dieser Nachrichten. Er wollte Dir schreiben. Jedenfalls bitte ich Dich, Frau Ottmann mein herzliches Beileid übermitteln zu wollen.

Meine Neujahrskarte ist vor einigen Tagen abgegangen und erreicht Dich hoffentlich wohl. – Über die dortigen Zustände will ich nichts sagen: Du weisst, was Jeder dabei fühlt, der seine Heimat gern hat. Wir müssen warten, der Revanchegedanke hat nur, sehr verschärft, die Seite gewechselt. Unter diesen Umständen wird es wohl lange dauern, bis ich nach dorten komme. Auch die geschäftliche Lage lässt eine Reise jetzt nicht zu. Unser Prokurist ist momentan in Berlin zum Einkauf.

Für heute schliesse ich mit herzlichen Grüssen an Dich und Deine Familie, Frau Ottmann, Schneider, Heger & Ruppel. Lass bald wieder von Dir hören.

Dein alter Freund!
C. Reichert