Archiv für den Monat: Januar 1928

60

o. D. (1928)

Lieber Freund Reichert!

Zu Deinem Briefe vom 10. August.

In der Zwischenzeit hast Du von mir einen kurzen Brief erhal­ten, worin ich Dir Grüsse von Staatssekretär Dr. von Schubert bestellte.

Deine Mitteilungen waren für mich hochinteressant und gaben mir Kunde davon, in welch großzügiger Weise Du die Firma Al­bert & Cie. ausbaust und womit, davon bin ich überzeugt, wei­tere lukrative Einnahmequellen geschaffen worden sind. Mit solchen Zahlen, mit denen Du operierst, kann man in Deutsch­land heute nicht mehr auftischen, denn das Geld ist bei uns sehr rar und teuer. Infolgedessen muss sich jeder soviel ein­schränken, als er kann, weil die Kapitaldecke zu kurz ist. Zweifellos wird die Erweiterung viel Arbeit bringen, aber Du hast in Deinen Söhnen wohl tüchtigen Nachwuchs, sodass Du es Dir leichter machen kannst, um recht den Besitz Deines Schlosses zu geniessen. Wohl glaube ich Dir, dass Du noch kein Rockefeller oder Morgan bist, aber zwischen Dir und mir besteht doch ein grösserer Unterschied. Es geht mir auch so gut. Geld allein macht nicht glücklich. Wenn man nur soviel hat, wie man zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und Erzie­hung seiner Kinder braucht.

Des alten Hegers Steckenpferd, die Versdichtung, ist mir wohl bekannt. Der Mann ist nicht mehr zu heilen und altert ziem­lich rasch. Es war ihm von jeher lieber, wenn er der Kundschaft ein Gedicht von sich vortragen konnte, als 10 Ballen Kaffee in Auftrag zu nehmen. Er ist tatsächlich ein Idealist, bescheiden und mit wenigem zufrieden.

Die Buchhandlung Crusius hat Deine Preislisten „verschwitzt“. Sie sind in der Zwischenzeit aber abgegangen und wohl in Dei­nem Besitz.

Unser Einkaufskontor entwickelt sich gut, und wir haben in der vorigen Woche in Essen die „Reichsgemeinschaft deutscher Einkaufskontore“ gegründet, wie Du aus beiliegender Zeitungs­notiz ersehen kannst. Das „Einkaufskontor“ bringt mir finan­ziell nicht viel ein, weil ich nur ein kleines Fixum habe, allerdings auch einen kleinen Anteil am Gewinn. Ich habe die Geschäftsführung nur übernommen, weil ich mich verbindlich gemacht habe, vor Ende 1929 kein Konkurrenzgeschäft zu er­richten. Müßig wollte ich nicht herumlaufen. Ich bleibe so in der Branche, habe Fühlung mit allen Lieferanten und wenn wi­der Erwarten das Einkaufskontor nicht so ausfallen sollte, wie ich mir denke, bin ich ja nicht gebunden.

In der Zwischenzeit habe ich in dem Buch „Bestie Ich“ etwas weiter gelesen und mir ein rechtes Bild über Mexico-Land ver­schaffen können. Da muss es ja kunterbunt hergehen und auf ein Menschenleben mehr oder weniger kommt es wohl nicht an. Hoffentlich habt Ihr jetzt, nachdem für Calles ein Ersatz-Präsident bestimmt worden ist, politisch etwas Ruhe.

Vor einigen Tagen habe ich auch Deine Bilderserie über Dein neues Besitztum erhalten, die in der Tat einen Edelmanns-Be­sitz zeigen. Es ist schade, dass ich dies alles nicht einmal sehen kann. Vorerst ist es mir nicht möglich, die Zeit, die ich für eine solche Reise nötig hätte, um gleichzeitig auch meine Brüder zu besuchen, herauszubringen. Sodann würde mich die Sache doch mindestens 10 000.- RM kosten, die ich auch nicht opfern möchte. Für die Bilder vielen Dank.

Der Vater von dem jungen Werntz sagte mir dieser Tage, dass sein Sohn seit langer Zeit nicht mehr geschrieben habe. Viel­leicht mahnst Du ihn wieder einmal an seine Kindespflicht. Wenn es ihm auch gut geht, so sind die alten Leute immer beunruhigt, wenn längere Zeit keine Nachricht kommt, und die Eltern können verlangen zu wissen, wie es ihren Kindern geht.

Nunmehr habe ich heute wieder eine „Bettelei“, nicht pro domo, sondern für das hiesige Gymnasium, auf dem mein älte­ster Bub Franzel ja auch Schüler ist. Ich habe zufällig vor kurzer Zeit den neuen Studiendirektor Dr. Kesselring gespro­chen und hörte, dass infolge Verarmung des bayerischen Staa­tes, wie überhaupt aller Reichsbehörden, die Lehranstalten nicht die notwendigen Bücher für die Bibliotheken anschaffen könnten, weil der Staat hierfür keine Mittel hat. Auch im Or­chester mangelt es an Noten. Es steht nur ein altes Harmonium zur Verfügung, das schlechte Töne von sich gibt. Man erinnert sich daher Deiner früheren Stiftung als einstiger Schüler dieser Anstalt und hat durchblicken lassen, dass es sehr er­wünscht wäre, wenn Du mal wieder Deinen Beutel etwas auftun und einen entsprechenden Betrag stiften würdest. Der Oberstu­diendirektor hat Dir den letzten Jahresbericht zugeschickt, und ich glaube, Dir ruhig empfehlen zu dürfen, hier etwas zu tun, denn es findet Anerkennung und ist für Dich als alter Schüler dieser Anstalt Befriedigung.

Sodann hätte ich noch eine weitere Bitte vorzutragen, wie ich es einem Münchner Maler versprochen habe, von dem ich einige Ölgemälde besitze. Der Mann hat unter 200 Bewerbern den „Rompreis“ erhalten. Er ist 34 Jahre alt und berechtigt zu den grössten Hoffnungen. Er hatte in der Familie Pech, indem seine erste Frau im Wochenbett starb und er von der zweiten Frau erst vor Kurzem geschieden wurde. Bei der Armut in Deutschland geht es allen Künstlern sehr schlecht, weil die meisten Leute kein Geld haben, Bilder zu kaufen. Herr Ziegler malt sehr schöne Landschaften, speziell bayer. Vorgebirge, aber auch Portraits. Augenblicklich hat er Bilder in der Preislage von RM 700.-, 1000.- und 1200.- mit Rahmen, hervor­ragend in Farbe, und die Münchner Kritiker, von denen ich ei­nige Rezensionen gelesen habe, beurteilen ihn erstklassig. Wenn Du ein oder zwei Bilder haben willst, könnten dieselben direkt nach Mexico geschickt werden. Der bekannte Maler Defregger hat selbst ein Bild von ihm gekauft. Wenn Ziegler jetzt Unterstützung findet, glaubt er später „ein ganz Gros­ser“ werden zu können und mithin ist ein jetziger Kauf seiner Bilder eine gute Kapitalsanlage.

Sonst weiss ich für heute nichts Neues und so verbleibe ich mit besten Grüssen von meiner Frau und den Kindern an Dich und Deine liebe Familie,

in alter Freundschaft

Dein
A. Fröhlich

Brief an OStD Kesselring

Herrn

Oberstudiendirektor Dr. Kesselring,

Kaiserslautern

Sehr geehrter Herr Oberstudiendirektor!

Sie lassen durch meinen Franzl um die Adresse meines Freundes Reichert bitten; dieselbe ist:

Carlos  R e i c h e r t ,

mit Briefen an die Fa. Julio Albert y Cia.,

Succ., „La Gran Sedera“,

M e x i c o  D F , Apartado 146.

Ihr Hausmeister hat mir gelegentlich meines gestrigen Besu­ches bereits erwähnt, daß ein dringendes Bedürfnis für Ihre Bibliothek, evtl. auch für ein Harmonium vorliege und ich einmal wieder bei meinem Freunde Reichert, der sich als frü­herer Schüler Ihrer Anstalt, in der Kriegszeit bereits als Gönner erwiesen hatte, anklopfen sollte. Ich bin selbstver­ständlich gerne bereit, dies zu tun und möchte Sie bitten, mir ein entsprechendes Gesuch zu überlassen, das ich alsdann empfehlend weitergebe, da ich ohnedies nächster Tage meinem Freunde auf seinen letzten Brief Antwort geben muß.

Wenn Sie direkt dahin schreiben, befürchte ich, daß dies we­niger Beachtung findet, denn ich weiss, daß sehr viele Ansu­chen an ihn gestellt werden, und er zahlreiche Bettelbriefe empfängt, die meistens in den Papierkorb wandern.

Ich werde die Sache warm empfehlen und hoffe, etwas für die Anstalt herauszuholen.

Mit hochachtungsvollem Gruss

Ihr ergebener
A. Fröhlich

59

o. D. (1928)

Mein lieber Freund Fröhlich!

Sehr viel Interessantes brachten mir Deine l. Zeilen vom 26. Mai. Es ist mir immer lieb, etwas von Lautern zu hören und das geschieht nur durch Deine Vermittlung, seit meine Verwandten weggezogen sind. Meine Stiefmutter und deren 2 Schwe­stern wohnen in meinem Häuschen in Frankenhausen und es geht ihnen, von den Beschwerden des Alters abgesehen, erträglich.

Dein Freund Reiling hat es ja weit gebracht, aber er war im­mer ein tüchtiger Mensch und hat zur Stange gehalten. Im Aus­land wird in den Geschäften viel häufiger gewechselt, schon weil man sich so schnell wie möglich nach Deutschland zurück­zieht. Viele setzen sich für eigene Rechnung auf oder gehen unter durch Trunk oder dergl. Es mutet einen eigen an, zu le­sen, dass Wolf und Hertzog immer noch bei Eckel angestellt sind. Wir haben bei uns allerdings auch 6, die über 26 Jahre in der Firma tätig sind.

Dass Du mich als „Schlossbesitzer“ titulierst, ist doch etwas sehr stark aufgetragen. Das Haus ist allerdings im Styl eines englischen Landschlösschens gebaut und präsentiert sich ziem­lich vornehm. Auch der Garten wird von manchen Besuchern „Park“ geschimpft, aber die ganze Geschichte kostet mich auch nicht mehr, als wenn ich mir in der Stadt ein bescheidenes Haus gebaut hätte. Bescheiden natürlich im Verhältnis gesagt, denn ich will nicht leugnen, dass man mich für wohlhabend an­sieht und dass das auch stimmt. Gegen Rockefeller oder Morgan bin ich aber trotzdem ein armer Schlucker. So ist alles auf der Welt nur relativ.

Herr Heger, einer der alten Ottmannianer, hat mir Broschüren des Pfälzer Waldvereins geschickt anlässlich der Jubiläums-Festlichkeiten, zu denen Heger ja den Prolog dichtete. Ich dachte gar nicht, dass er so poetisch veranlagt ist. Das Ge­dicht ist wirklich nett gemacht. Gerne werde ich hie und da zu den beiden Vereinen etwas beisteuern.

Die Preislisten der Buchhandlung Crusius sind übrigens nie eingetroffen: vielleicht hat er sie gar nicht geschickt.

Dass O & C eine Garage aufmachten, kann ich gerade nicht als ein sehr gutes Zeichen ansehen. Die jungen Herrschaften haben auch ihre Zeit nicht begriffen und sich bei Zeiten umge­stellt. Das was Du in Scene gesetzt hast, hätten sie ja auch machen können.

Mit Deiner neuen Unternehmung erklärst Du die Unmöglichkeit, jetzt zu reisen. Nun, das musst Du dann auch bei mir gelten lassen. Im Vorjahr bot man uns das Eisengeschäft Sirena an, aber da infolge gerichtlicher Schikanen ein Abschluss nicht zu erzielen war, zog ich unsere Offerte zurück. Ich ging dann an den Ausbau einer anderen Idee, die mich schon lange be­schäftigt, die ich aber der Finanzen wegen nur Schritt für Schritt ausführen kann. Wir haben einen Kundenkreis im En­gros-Geschäft (nach dem Innern des Landes liefern wir NUR an Wiederverkäufer) von etwa 4500. 90 % davon führen ausser Sei­den und Baumwollwaren noch Kleineisen, Küchensachen, Geschen­kartikel, Papierwaren etc. Also man kann da fast Alles krie­gen, was in den kleinen Orten von sehr einfachen Leuten gebraucht wird. Ich möchte nun dahin, den Leuten Alles liefern zu können, was sie verkaufen. Nachdem sich die Sache mit der Sirena zerschlagen zu haben schien, ging ich also auf dem er­wähnten Wege einen Schritt vor und nahm neue Artikel auf. Hier muss man rechnen, dass man von dem Tag an, wo drüben die Ware bezahlt wird bis zu dem Tag, wo sie hier wieder bezahlt wird, ein ganzes Jahr braucht. Ich habe auf diese Weise in die Erweiterung etwa 400 000 $ hineingebuttert. Nachdem ich mich so engagiert hatte, kam der Syndikus der Sirena-Sache, der Prokurist der Deutschen Bank hier ist und meinte, die Sa­che wäre nun so weit. Ich sagte ihm, nun habe ich kein Geld mehr dazu. Warum gingen Sie nicht rascher ins Zeug? Die Bank hat uns dann das Geld (1 Million Mark) zu billigem Satz angeboten, und wir haben das Geschäft dann doch gemacht. Ich hoffe, es aus dem Gewinn der nächsten Jahre bald abdecken zu können.

Unser Geschäft ist dadurch stark erweitert worden und nun kann ich an eine längere Abwesenheit vorerst nicht denken.

Ich sandte Dir schon unser neues Circular, das eigentlich nichts Neues bringt, sondern Alles beim Alten lässt. Mit un­serem Kommerzienrat hatte ich schriftlich einen bösen Tanz, denn er dachte wohl, nun könne er auftrumpfen, weil ich mich in der Sirena-Sache stark engagiert habe. Darauf war ich aber vorbereitet, denn ich hatte von einem Bekannten eine Offerte, das gesamte Guthaben unseres hohen Herrn einzuschiessen und ihn auszuzahlen. F. Albert kam dann hierher und tat so, als ob er kein Wässerchen getrübt hätte und in einigen Minuten war er conform, dass Alles seinen Weg weitergehe. Wie Alles eine gute und eine schlechte Seite hat, so brachte mir der Zwist auch einen Vorteil, denn ich war in meinen Entscheidun­gen an die Einholung seines Einverständnisses gebunden und das habe ich nun geschafft.

Sonst geht es uns gut. Wir haben zwar immer den gewohnten Durcheinander, wählen Präsidenten und murksen sie dann wieder ab, aber das ist so Sitte und man gewöhnt sich daran.

Für heute schliesse ich, hoffe bald wieder von Dir zu hören und sende Dir im Verein mit den Meinen herzlichste Grüsse.

Stets Dein alter Freund
C. Reichert

57

o. D. (1928)

Mein lieber Freund Carl !

Ich habe noch Deine beiden Briefe vom 17. Januar und 19. März d.J. zu beantworten. Es ging aber leider nicht früher, weil ich mit dem Einkaufskontor ausserordentlich viel Arbeit deswegen bekam, weil nunmehr von dem württembergischen Kolonial­warengrosshandel 34 Firmen unserer G.m.b.H. beigetreten sind. Ich schreibe Dir daher kurz, um Dich nicht länger warten zu lassen und gratuliere Dir nachträglich noch zu Deinem 55. Ge­burtstage. Meinen 56. beging ich am 27. April. Man kommt so ins Alter hinein, ohne es zu merken.

Es freute mich riesig von Deinen guten Geschäftserfolgen zu hören. Derartiger Aufschwung ist nach den trostlosen Ereig­nissen, die (wir) in Deutschland, Gott sei Dank, hinter uns haben, nicht möglich. Hätte man ahnen können, daß einmal sol­che Zeiten überhaupt kommen könnten, hätten mich in der Ju­gend auch keine hundert Gäule gehalten und ich wäre auch ins Ausland gegangen. Jetzt ist aber nichts mehr daran zu ändern, denn man hat Kinder, für die man sorgen muss. Daß Du Dich nunmehr zum Schloßbesitzer aufgeworfen hast, erregt meine Freude und doch vielleicht innerlich ein neidisches Gefühl. Aber ich gönne Dir alle Erfolge von Herzen und es würde mir tatsächlich ein Vergnügen machen, einmal Deinen neuen Besitz, der nach Deiner Schilderung einfach großartig sein muss, zu sehen. Für heuer ist mit der Reise nichts, denn durch das Einkaufskontor bin ich gebunden, trotzdem ich s. Zt. nur die Absicht hatte, täglich nicht mehr als einige Stunden dafür zu widmen. Jetzt aber muss ich von morgens bis abends dabei sein, bis die Sache einmal richtig funktioniert.

Für das mir gesandte Buch danke ich Dir verbindlichst. Wegen Mangel an Zeit war es mir bis jetzt nur möglich, einen Ab­schnitt daraus zu lesen, den ich interessant fand. Ich hoffe, im Herbst und Winter das Buch mit Aufmerksamkeit studieren zu können.

Der Verkehrsverein hatte letzthin seine jährliche Mitglieder­versammlung und wurde dabei Deiner – auch in den Zei­tungen ­– ehrend gedacht. Der Unterschied zwischen Verkehrsverein und Pfälzer Waldverein ist, daß der „Pfälzer Waldver­ein“ die Liebe zur Pfalz und die Waldungen pflegt, während der Verkehrsverein die Instandsetzung der Wege, Markierungen etc. innerhalb und ausserhalb der Stadt übernommen hat. Beide verfolgen somit ideelle Zwecke, und Du kannst auch für die zwei Korporationen je nach Belieben Deinen gefüllten Geldbeu­tel auftun. Grenzen sind keine gesetzt. Ich habe dem Verkehrsverein den Vorschlag gemacht, daß man vielleicht Dir zu Ehren einen Platz als „Reichertplatz“ benennt, evtl. auch mehrere Bänke. Allerdings sind in Kriegs- und Nachkriegszeit durch Rohlinge, deren wir nicht wenige haben, viele Schäden entstanden, zu deren Ausbesserung grosse Mittel notwendig sind. Hiesige Industrielle und Private steuern fortgesetzt bei, damit die Spaziergänge wieder in Ordnung kommen, woraus die gesamte Einwohnerschaft Nutzen zieht, denn der Wald ist und bleibt der Stolz unserer Vaterstadt und bedarf der Pflege.

Die Preislisten der Buchhandlung Crusius hast Du wohl inzwi­schen er­halten.

Die Herren: Loehmer, Wolf, Hertzog, Lieberich, Reiling lassen Dich alle recht herzlich grüssen. Kieffer, der s.zt. bei Sie­mens & Halske in Mexico war und jetzt in Japan ist, kommt im Herbst für dauernd nach Deutschland zurück. Der alte Hofmann, der früher bei O. & C. war, ist vor kurzem gestorben. Der junge Wernz scheint in der Tat sehr schreibfaul zu sein, denn sein Vater sagte mir neulich, daß er wenig von ihm hören würde. Allerdings ist ja die Hauptsache, dass es ihm gut geht. Von Bassler’s Schwager in Mußbach hörte ich letzthin, dass Bassler dieses Jahr nach Deutschland kommt und wenn dies der Fall ist, werden wir wohl manches Stündchen über Dich sprechen und auch ein Schöppchen auf Dein Wohl trinken. Lie­ber wäre es mir, wenn Du selbst Dich einmal zur Reise hierher aufraffen wolltest. Die Dampfer sind doch jetzt infolge des Reisesystems sehr gut eingerichtet, sodass es keine Seekrank­heit mehr gibt, und Du könntest in Deiner alten Vaterstadt, die sich seit Deinem letzten Hiersein doch wesentlich verän­dert hat, interessante Studien machen.

Am letzten Sonntag hatten wir, wie Du ja weisst, die Wahlen. Dieselben haben einen gewaltigen Ruck nach links gebracht. Welchen Einfluss diese Schiebung auf die innere Politik haben wird, ist noch nicht vorauszusehen. Nach aussen wirkt sie je­denfalls, wenn die grosse Koalition zustande kommt, beruhi­gend, Deutschland braucht Jahrzehnte lang Ruhe, um seine Ver­hältnisse wieder zu konsolidieren, aber natürlicher Weise ist es dabei notwendig, dass die Linke nicht die Übermacht be­kommt, sonst ist Enteignung des Privateigentums und viel­leicht ein kleiner Bolschewismus zu erwarten und das darf na­türlich nicht der Fall sein.

Der Schwiegersohn von Herrn Krell, Justizrat Dr. Walinger, ist augenblicklich in Heidelberg, woselbst er sich einer Ma­genoperation unterziehen musste. Es soll ihm nicht gut gehen. Der alte Kittelberger, der Dir wohl noch in Erinnerung ist, ist auch schwer leidend. Mein Freund Reiling ist Direktor der Kammgarnspinnerei geworden.

Wann und wo ich meinen diesjährigen Urlaub verbringe, kann ich noch nicht sagen.

Die Firma O. & C. hat eine Autogarage eröffnet, nachdem der Kolonialwarengrosshandel infolge weiterer Ausdehnung der Ein­kaufsgenossenschaften des Kleinhandels und der Konsumvereine keine grosse Verdienstmöglichkeit mehr lässt. Ausserdem hat sie seit meinem Ausscheiden viel Kundschaft an die Konkurrenz verloren.

Die Abwicklung der Geschäfte unseres „Einkaufskontors“ geht derart vor sich, dass wir für die uns angeschlossenen 56 Fir­men gemeinsame Abschlüsse tätigen (Konjunktur-Artikel sind ausgeschlossen). Wir selbst berechnen Salz und Zündhölzer auf eigene Rechnung. Circa weitere 40 Artikel werden von den Fa­briken direkt an unsere Gesellschafter berechnet. Wir erzie­len durch diese gemeinsamen Abschlüsse natürlich grosse Preisvorteile, die den einzelnen Gesellschaften am Ende des Jahres nach Maßgabe der Bezüge zugute kommen.

Laß bald wieder von Dir hören und sei herzlichst gegrüsst von

Deinem
A. Fröhlich

55

Mexico, 17. Januar 1928

Mein lieber Adolf !

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 13. Dezember, deren Inhalt mir manches Interessantes brachte. Es freut mich, zu sehen, dass es Deine Verwunderung erregt, wenn ich mich noch auf meine alten Tage (ich war vor wenigen Tagen 55) in neue Un­ternehmungen einlasse. Ich war eigentlich immer ziemlich un­ternehmungslustig, ohne mich in uferlose Projekte zu verlie­ren und die Vorsicht ausser Acht zu lassen. Letzteres habe ich allerdings immer getan und dabei geriet ich manchmal in Collision mit den jüngeren Herren. Als wir durch die vielen Revolutionen und den Krieg 1919 ziemlich ausgepowert waren, setzten wir uns gleich zusammen und berieten, was wir noch unternehmen könnten. Inzwischen waren neutrale oder alliierte Häuser sehr in die Höhe gekommen und hatten uns alles abge­nommen. Da meinten die ganzen Herren, nun gehörig bestellen und wieder hinein ins Geschäft. Aber womit? Wir hatten unse­ren Grundbesitz, aber verflucht wenig Bargeld. Unsere USA und englischen, sowie französischen Kredite waren weg und von Deutschland war nichts zu bekommen. Wir hatten bei der hiesi­gen Deutschen Bank einen Kredit von 250 000 $. Ich fragte dann an, was man uns geben könne. Die Antwort war absolut ne­gativ, wie es ganz natürlich war. Sie hatten selber nichts. Da kam die Bank of Montreal und bot uns 50 000 $ an und so starteten wir wieder. Es ist leicht gesagt, fix bestellen, aber dann kommen die Riesenzölle & der zu gewährende Kredit auf lange Monate. Nun, wir gingen dann langsam vor, erhielten neue Gelder, liquidierten manches aus der Kriegszeit verblie­bene und in 3 Jahren waren wir wieder so weit, dass wir in unserem Hauptbetrieb wieder oben waren und die Konkurrenz bös zurückblieb. Unsere Associès, die vorher nicht genug heraus­ziehen konnten an Geldern, verdienten so gut, das Niemand mehr Gelder aufnehmen wollte. Ich musste also wieder suchen, was mit den schon vorhandenen und in Bälde zu erwartenden Überschüssen gemacht werden sollte, denn auf die Bank legen kann man das Geld nicht, wenn man es hoch verzinsen soll. Dann muss es arbeiten. Deshalb habe ich mich in die Eisenwa­rengeschichte hineingesteckt. Ich habe noch ein Projekt in petto, eine Wollfabrik für Strickwolle, aber nach dem Ader­lass muss ich mir die Sache noch etwas verkneifen. Ich möchte es gar zu gerne machen. Inzwischen mussten wir die Zucker­plantage übernehmen und fangen jetzt an, zu arbeiten. Klein­bahnen, Ochsen, Motorboote und alle solche Sächelchen müssen herbei, und dafür brauche ich auch Geld. Unser Betriebskapi­tal sind jetzt über 7 Mill. Mark, und ich könnte ganz gut 10 Mill. verbuttern. Da muss ich aber Geduld entwickeln, bis ich es (mir) leisten kann, denn die Hauptsache ist doch ein ge­sunder finanzieller Standpunkt. Lieber weniger verdienen. Und in einem solch unsicheren Land wie Mexico muss man extra vor­sichtig sein.

Übrigens darfst Du Dich nicht über mich wundern, Du steckt Dich ja auch wieder hinein, statt auf Deinen Lorbeeren auszu­ruhen. Ich wünsche Dir übrigens besten Erfolg dazu und glaube sicher, dass er nicht ausbleiben wird, denn Du verstehst Dei­nen Kram. Ich wundere mich immer wieder, wie die Leute bei O & C Dich haben herausekeln können. Es geschieht ihnen recht, wenn sie jetzt merken, dass das unüberlegt und unklug war. Es wird mich sehr interessieren, zu hören, wie sich die Sache weiterentwickelt. Das betr. Rundschreiben ist übrigens noch nicht eingetroffen. Vergiss es nicht, mir zu senden.

Von Vetter Loehmer hatte ich einen Brief, worin er meinte, ob ich mich noch an das deutsche Weihnachtsfest mit Tannenbaum etc. erinnere. Wir feiern es nie anders. Rings um das Thal von Mexico wachsen herrliche Tannen zwischen 3000 und 3500 M Höhe. Wir hatten dieses Jahr ein Prachtexemplar und hatten eine sehr schöne Feier. Es fehlt gegen deutsche Weih­nachten nur der Schnee. Den kann man nur sehen, wenn man von dem fla­chen Dach aus die Vulkane ansieht.

Dem jungen Wernz geht es gut, aber er schreibt wohl wenig nach Hause?

Vom Verschönerungsverein erhielt ich die Anerkennungs-Ur­kunde, die mich sehr freute. Ich habe auch an den Pfälzer Waldverein einen Beitrag gesandt. Soll man eigentlich einen der beiden Vereine vorziehen? Und welchen?

Mit meiner Reiserei wird es wohl wieder Essig, denn ich kann mit gutem Gewissen nicht weg unter den jetzigen Umständen. Ich bin ein schlechter Seefahrer und die 3 Wochen hin und 3 Wochen her sind mit ein Greuel. Wenn es man erst gute Luft­schiffe gäbe! Vielleicht komme ich dann eher ans Reisen. Mir geht es fast so wie unserem Gründer Julius Albert, dem auch das Reisen einen Schrecken verursachte.

Wenn Du gelegentlich bei Crusius vorbeikommst, könntest Du ihm mal empfehlen, er möge mir Preisliste senden von Büchern über die Pfalz, Albums etc. sowie Karten.

So, für heute muss ich schliessen. Lasse mal bald wieder von Dir hören und grüsse mir die Herren Loehmer, Wolf, Hertzog, Lieberich. Du selber sei allerbestens gegrüsst von

Deinem alten Freund
C. Reichert