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México, 17. Juli 1929

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich will den heutigen Feiertag (1 Jahr „Tag der Abmurksung des Ehrenmannes Obregon) benutzen, um mit meiner Privat-Cor­respondenz etwas aufs Laufende zu kommen & in erster Linie Deine l. Zeilen vom 11. Juni beantworten.

Mit herzlichem Bedauern höre ich von dem tragischen Ende Dei­nes Freundes Reiling, der auch mir gut erinnerlich ist. Ein tüchtiger guter Mensch & es tut einem weh, wie solch ein Mann aus einer Laufbahn gerissen wird in ziemlich jungen Jahren, während alle möglichen Lumpen ein hohes Alter erreichen. Die Wahrnehmung, die Du erwähnst, daß es um uns herum lichter wird, habe ich auch schon empfunden. Wenn man alte Adressen­listen durchsieht, fehlt heute schon gar mancher. Aber such is life!

Wunschgemäß sende ich Dir anbei einige Marken zum Tauschen für Deinen Filius. Wenn er in die kaufmännische Laufbahn geht, werde ich ihm gerne behilflich sein, & es würde mich freuen, ihn in unserer Firma tätig zu sehen. Wenn er dann so wird, wie sein Vater, kann ich mir zu der Hilfskraft gratu­lieren, und der junge Mann kommt dann weiter.

Für die Zusendung der Pfälz. Presse besten Dank. Es freut mich, daß die Herren an mich gedacht haben, & ich werde gerne mein Scherflein zu dem guten Zweck beitragen.

Deine Hoffnung auf Räumung der Pfalz teile ich, aber ich glaube es nicht, bis es sich erfüllt. Unsere Politik taugt nichts, wir sind zu schlapp. Die Parteiwirtschaft, Pazifismus etc. schaden uns sehr in der Welt. Ich wollte, wir hätten einen Kerl wie Mussolini: der würde sich das Alles nicht ge­fallen lassen. Wenn man aber im Reichtag darüber verhandelt, wie oft das Wort Republik erwähnt wurde, so kann man über un­sere Reichsboten nur pfui sagen.

Ich bin gespannt darauf, ob Du die neue Firma O & F. gründest. Ich glaube auch bestimmt, daß Du bei den großen Kenntnissen und der Erfahrung keinen Fehlgriff tun würdest. Wären die al­ten Herren Dir gegenüber vernünftiger gewesen, so ständen die Nachfolger besser da.

Für Deine Bereitwilligkeit, mir wegen der mir noch fehlenden Marken behilflich zu sein, danke ich Dir sehr, aber ich glaube nicht, daß es Zweck hat, Dich dafür zu bemühen. Was mir noch fehlt, ist fast nicht aufzutreiben. Ich habe meine Manko-Liste bei sehr bedeutenden Händlern in London, Paris & Bern liegen & die sagen auch, daß man vielleicht durch Zufall noch eine oder die andere Marke bekommen kann. Ich bin auch jetzt nicht so sehr darauf erpicht, denn die Revolution hat uns schwer Geld gekostet, & ich muß ein wenig an mich halten. In meiner Sammlung stecken schon über 30ooo Dollar, für mich schon ein recht annehmbarer Betrag. Unter Umständen würde ich die Sammlung für obige Summe verkaufen.

Das Werk „Die Buddenbrocks“ kenne ich & besitze es schon. Ich erhalte regelmäßige, monatliche Büchersendungen, da ich viel lese. Wenn Du aber mal bei Crusius vorbeikommst, könntest Du mir eine gute Karte der Pfalz aussuchen, die auch die Burgen & Wege enthält. Sie darf 25–30 Mark kosten. Ich werde „Crusius“ sofort nach Erhalt den Betrag anweisen lassen.

Von Heger hatte ich neulich einen Brief. Er hält sich fabel­haft. Er muß wohl an die 70 sein. Auch von meinem Vetter Löhmer erhalte ich regelmäßig Nachricht. Arbeiten eigentlich Verschönerungs- & Pfälzer-Waldverein Hand in Hand & wen soll man eigentlich bevorzugen?

Bassler ist es in seinem Herren-Ausstattungs-Geschäft ziem­lich schlecht gegangen. Er klagte mir neulich sein Leid, & ich machte ihm den Vorschlag, wieder zu uns zu kommen, was er sofort annahm. Ich freute mich darüber, denn Bassler ist ein fleißiger Mensch, aber heutzutag ist ohne Kapital nicht viel zu wollen.

Wir haben jetzt 260 Angestellte, außer den mit uns liierten anderen Betrieben natürlich. Ich fühle mich sehr wohl, denn es gibt „scheene Arweede“ die Menge. Aber der Zauber macht doch auch viel Kopfzerbrechen. Mit der Gründung der Deutschen Handelskammer für die Republik México hat es für mich als Vorsitzenden auch mehr zu tun gegeben, aber ich habe immer gerne gearbeitet.

Dein Bildchen aus Stettin habe ich erhalten & finde, Du siehst auch wie ein Kommerzienrat aus. Aber im Wonnemonat Mai noch mit einem dicken Mantel? Brr!

Für heute will ich nun schließen & verbleibe mit besten Grüßen an Dich & die werten Deinen

in alter Freundschaft

Dein
C. Reichert

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MEXICO, 21. Mai 1929.

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt nach langer Unterbrechung Deine l. Zeilen vom 5. April und freute mich sehr, Gutes von Dir und Deiner Familie zu hören. Die allgemeinen Dinge drüben sind allerdings weni­ger lieblich und man fragt sich mit Bangen, wo das hin soll. Allzu viel Freiheit kann das sog. „Volk“ nicht vertragen, und ich betrachte es als einen grossen Fehler, sie ihm zu geben. Der Mensch ist auch eine Bestie und braucht einen Zügel. Wir sind in Deutschland zu schlapp. Wir hatten doch eine wirklich angenehme Freiheit früher. Aber heutzutag REDET man nur davon und missbraucht sie. Anderwärts ist das gerade so. Was fabelt man Alles von Freiheit z.B. in den Vereinigten Staaten und dabei darf man da nicht einmal ruhig ein Glas Bier trinken. Je mehr ich diese Sauwirtschaft der modernen Ideen ansehe, desto weniger Geschmack finde ich daran. Du wirst sehen, und wir werden es vielleicht noch erleben, dass eine schwere Re­action eintreten muss, denn es ist ein Scandal, in welch un­glaublicher Weise man fast in allen Ländern darauf los saut.

In dem Jahresbericht des Gymnasiums, den mir der Herr Direk­tor freundlicherweise zugesandt hat, sah ich schon den Namen Deines Filius Franz und freue mich mit Dir, dass er sich so nett macht. Wenn Kinder wohl geraten, ist das eine wirkliche Freude. Möge es auch weiter so bleiben und den Eltern dadurch gedankt werden für Alles, was man doch mit den Kindern durch­machen muss. Vielleicht kommt er später einmal in die Gran Sederia oder einen unserer anderen Betriebe, wenn er Lust ins Ausland hat.

Ist Reiling wieder ganz auf dem Damm? Er ist mir noch gut er­innerlich trotz der langen Zeit, in der ich ihn nicht mehr sah. Darf ich Dich bitten, ihn von mir zu grüssen?

Neulich bekam ich auch eine Karte von Peter Wolff, die Lud. Lieberich und Hertzog unterschrieben hatten. Es freut mich immer, von den alten Bekannten zu hören.

Was hörst Du eigentlich von Ottmanns? Die Leutchen scheinen einen schweren Stand zu haben und sind den jetzigen Schwie­rigkeiten kaum gewachsen. Also Ende 1929 wirst Du frei sein von der übernommenen Verpflichtung? Ich bin begierig, zu hîören, was Du noch unternehmen wirst, meine aber auch, wenn Du genug zum Leben hast, solltest Du nicht mehr riskieren. Du hast wahrhaftig genug geschuftet, und Deine verschiedenen Ehrenämter geben Dir genug zu tun, um Dich nicht zu langweilen. Etwas Anderes wäre es, wenn Du als Direktor in eine Bank oder Ähnliches gingest. Ich glaube, da wärest Du auf dem richtigen Platz, brauchtest Dich nicht zu sehr anstrengen, und der Ge­halt diente zur Complettierung der Zinsen Deines Vermögens. Ich dachte auch früher Ähnliches, aber ich kann aus unserem Betrieb überhaupt noch nicht heraus und strebe nur dahin, es mir etwas leichter zu machen. Ich hoffe, im nächsten Jahre lässt es sich einrichten, nach Xalpamila zu ziehen, um dann meine Arbeitszeit von 10–4 (Uhr) anzusetzen mit 1/2 Stunde Mittagspause. Ich brauche 25 Minuten mit dem Auto bis zum Ge­schäft. Dann hätte ich Morgens und Nachmittags noch etwas von dem herrlichen Garten. Ich habe noch manches verschönern las­sen, und die Geschichte sieht jetzt wirklich fein aus. Im April war ein Reise-Redacteur von SPORT IM BILD hier, der eine Weltreise macht. Er war so entzückt von Xalpamila, dass er um Fotografien bat, um in der genannten Zeitschrift einen Artikel über „Das Märchenschloss bei Mexico“ zu bringen. Es passte mir nicht recht, denn solche Dinge machen mir keine Freude, aber er drängte darauf, und ich konnte es nicht ver­hindern. Er kann ja schliesslich schreiben, was er will.

Ist Dir zufällig eine Frau Graeser, Hebamme, bekannt? Der Sohn ist Schauspieler in Newyork und kam hierher, um deutsche Vorstellungen zu arrangieren. Das gelang ihm nicht, und er sass ohne Mittel hier. Er wollte sich erschiessen und bat mich, ihm nach Newyork zu verhelfen. Ehrenwort, Fussfall, Tränen etc. Aber angeschmiert wurde ich doch, denn er hat nie wieder was von sich hören lassen. Ich habe allerdings schon recht viele solche Sächelchen erlebt und meinen Glauben ver­loren. Man sollte sich immer sagen: Lieber als hart gel­ten, als sein Geld so zu verpulvern, um allen möglichen Lum­pen zu helfen. Aber schliesslich kann Niemand aus seiner Haut her­aus.

Crusius hat mit seiner Offerte sehr lange gebraucht und dann auch viel Zeug offeriert, wofür ich kein Interesse habe. Ich habe (bei) ihm aber einige Pfälzer Romane bestellt, damit er sich nicht ganz unnötig bemüht habe. Inzwischen hatte ich Ge­legenheit, hier recht nette Sachen aus 2. Hand zu kaufen, weil der Betreffende verkaufen musste.

Hier sieht es wenig lieblich aus. Schon seit der Ermordung Obregons setzte eine allgemeine Unsicherheit ein, die ein schlimmes Stagnieren zur Folge hatte. Der Ausbruch der Revo­lution hat die Krise sehr verschärft, und wenn auch Calles der Geschichte schnell Herr wurde, so sieht es doch wenig schön aus. Wir hatten grosse Lieferungscontracte gemacht und müssen sie abnehmen, während die Verkäufe sehr niedrig sind und der Geldeingang ganz unzureichend. Zwischen dem Eisenwarengeschäft, Rückstände der Debitoren und Warenplus haben wir gegen August 1928 fast 1 1/2 Millionen Pesos MEHR, und die Activ-Seite der letzten Bilanz weist 4 Millionen Pesos auf, für unsere jetzigen Verkäufe also ein Zustand, bei dem nichts verdient wird. Dabei ist es nicht leicht, den Zauber wieder auf diese Zustände umzustellen, und ich kann Dir sagen, ich bin seit Monaten gar nicht auf Rosen gebettet. Aber man muss in einem solchen Land immer ein wenig Stehauf-Männchen sein, sonst „fressen Eem die Gens“!

Anbei einige Marken für Franz. Braucht er keine zum Tauschen? Ich schicke ihm sehr gerne welche.

Ich selber sammle immer noch flott und rechne jetzt nicht mehr, wieviele ich habe (es sind wohl so an die 45 000), son­dern wieviele mir noch fehlen. Das sind nämlich nur 200. Aber das sind böse Brüder, die sehr schwer zu bekommen sind.

So nun habe ich reichlich getippt. Strenge Dich auch an und schreibe mir bald wieder. Inzwischen sei herzlich gegrüsst von

Deinem alten Freund
C. Reichert

22

México, 23. Januar 1923

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich empfing nacheinander Deine l. Zeilen vom 22. Nov., 12. und 30. Dezember und die Abrechnungen über die Lebensmittelsendungen. Von meinem Bruder etc. habe ich schon Nachricht, wie prachtvoll die Sendungen ausfielen und ich danke Dir vielmals für alle Mühe, die Du damit gehabt hast. Ich ahnte allerdings nicht, dass Du so reichhaltig sortieren lassen würdest, sondern meinte nur für jede Sendung etwas Kaffée, Zucker, Bohnen etc.

Nur von Alverdes/Offenburg hörte ich bislang noch nichts und da sie es verlangt haben, so sind diese Leutchen wohl der Ansicht, dass das ihr gutes Recht ist. Mit Alverdes habe ich schon manche Enttäuschung erlebt, und er hat mich schon ein nettes Stück Geld gekostet. Deshalb wünsche ich eigentlich keine Unterstützung mehr in dieser Form zu geben. Ich wollte, dass er ein Geschäft habe, wo er arbeiten muss mit seiner Familie. Denn die Form, einfach sich etwas kommen zu lassen, conveniert mir nicht. Sei so gut und gebe ihm das zu verstehen, dass Du nur mehr für ein richtiges Geschäft etwas geben könntest. Wenn Du ihm aber eine passende Stellung besorgen kannst, so wäre ich Dir sehr dankbar dafür.

Meine Tante aus Weiden schrieb mir ganz enthusiasmiert, wie wunderbar fein die Lebensmittelsendung war und aus den Fakturen ersehe ich, wie Du das Sortiment von O & C ausgedehnt hast.

Es muss dorten jetzt sehr schwer sein und ein kleines Bild davon kann ich mir ja machen, denn wir haben ja hier auch Papierzeiten durchgemacht, wo einem alle Werte unter den Fingern zerfliessen. Du sollst einmal sehen, wenn da mal eine Basis gefunden wird für eine neue Währung oder Stabilisierung der alten. Was hat man da an der Bilanz herumzuflicken. Ich legte mir damals ein Specialconto für die Verluste und eines für die neuen Gewinne, letztere in Gold, an. Wir hatten schliesslich auf dem Verlustconto ca. 2 Drittel unseres Kapitals stehen. Allerdings habe ich durch die jahrelange Arbeit die Geschichte wieder wettgemacht. Aber es ist eine schreckliche Geschichte.

Was eine Unterstützung für die Armen von Lautern angeht, so bitte ich Dich, Dir von Berlin extra 25 Dollar kommen zu lassen und sie im angegebenen Sinne zu verwenden.

Bassler werde ich Deine Nachricht ausrichten. Er ist scheints sehr schreibfaul.

Anbei sende ich Dir einige Marken für Deinen Kronprinzen.

Mit Deiner Bemerkung wegen eines Andenkens hast Du mir einen Wunsch, den ich schon hatte, vorweggenommen, nur weiss ich leider nicht, was Du gerne hättest. Ich halte es daher für am besten, wenn Du mir den Gefallen tust, Dir etwas Passendes auszuwählen und es mir in Rechnung zu stellen. Überreiche es dann meinem alten Freund Fröhlich und drücke ihm dabei meine Erkenntlichkeit aus für alle seine Freundlichkeit, mit der er meine Belästigungen hinnimmt und sie so tadellos ausführt. Letzteres bin ich ja von seiner Präcision gewohnt.

Habe nochmals vielen Dank für Alles und sei herzlich gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert