México, 23. Januar 1923
Mein lieber Freund Fröhlich!
Ich empfing nacheinander Deine l. Zeilen vom 22. Nov., 12. und 30. Dezember und die Abrechnungen über die Lebensmittelsendungen. Von meinem Bruder etc. habe ich schon Nachricht, wie prachtvoll die Sendungen ausfielen und ich danke Dir vielmals für alle Mühe, die Du damit gehabt hast. Ich ahnte allerdings nicht, dass Du so reichhaltig sortieren lassen würdest, sondern meinte nur für jede Sendung etwas Kaffée, Zucker, Bohnen etc.
Nur von Alverdes/Offenburg hörte ich bislang noch nichts und da sie es verlangt haben, so sind diese Leutchen wohl der Ansicht, dass das ihr gutes Recht ist. Mit Alverdes habe ich schon manche Enttäuschung erlebt, und er hat mich schon ein nettes Stück Geld gekostet. Deshalb wünsche ich eigentlich keine Unterstützung mehr in dieser Form zu geben. Ich wollte, dass er ein Geschäft habe, wo er arbeiten muss mit seiner Familie. Denn die Form, einfach sich etwas kommen zu lassen, conveniert mir nicht. Sei so gut und gebe ihm das zu verstehen, dass Du nur mehr für ein richtiges Geschäft etwas geben könntest. Wenn Du ihm aber eine passende Stellung besorgen kannst, so wäre ich Dir sehr dankbar dafür.
Meine Tante aus Weiden schrieb mir ganz enthusiasmiert, wie wunderbar fein die Lebensmittelsendung war und aus den Fakturen ersehe ich, wie Du das Sortiment von O & C ausgedehnt hast.
Es muss dorten jetzt sehr schwer sein und ein kleines Bild davon kann ich mir ja machen, denn wir haben ja hier auch Papierzeiten durchgemacht, wo einem alle Werte unter den Fingern zerfliessen. Du sollst einmal sehen, wenn da mal eine Basis gefunden wird für eine neue Währung oder Stabilisierung der alten. Was hat man da an der Bilanz herumzuflicken. Ich legte mir damals ein Specialconto für die Verluste und eines für die neuen Gewinne, letztere in Gold, an. Wir hatten schliesslich auf dem Verlustconto ca. 2 Drittel unseres Kapitals stehen. Allerdings habe ich durch die jahrelange Arbeit die Geschichte wieder wettgemacht. Aber es ist eine schreckliche Geschichte.
Was eine Unterstützung für die Armen von Lautern angeht, so bitte ich Dich, Dir von Berlin extra 25 Dollar kommen zu lassen und sie im angegebenen Sinne zu verwenden.
Bassler werde ich Deine Nachricht ausrichten. Er ist scheints sehr schreibfaul.
Anbei sende ich Dir einige Marken für Deinen Kronprinzen.
Mit Deiner Bemerkung wegen eines Andenkens hast Du mir einen Wunsch, den ich schon hatte, vorweggenommen, nur weiss ich leider nicht, was Du gerne hättest. Ich halte es daher für am besten, wenn Du mir den Gefallen tust, Dir etwas Passendes auszuwählen und es mir in Rechnung zu stellen. Überreiche es dann meinem alten Freund Fröhlich und drücke ihm dabei meine Erkenntlichkeit aus für alle seine Freundlichkeit, mit der er meine Belästigungen hinnimmt und sie so tadellos ausführt. Letzteres bin ich ja von seiner Präcision gewohnt.
Habe nochmals vielen Dank für Alles und sei herzlich gegrüsst von
Deinem alten Freund!
C. Reichert