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den 30. Dez. 1922

Lieber Freund Karl!

Heute erst komme ich dazu, Dir über die Abwicklung Deines Vertrauensauftrages zu berichten. Die ganze Zeit her ging es so toll bei uns zu, dass ich tatsächlich nicht wusste, wo mir der Kopf stand. Man schuftet von morgens bis spät in die Nacht hinein, alles umsonst, denn die Substanz wird bei der Geldentwertung immer weniger, die Papiermark immer mehr, und ich weiß tatsächlich nicht, wie das noch enden soll. Wir leben in einer ganz miserablen Zeit, und wenn man nur mal einen Hoffnungsschimmer sehen würde, dann wäre schon vieles erreicht. Statt dessen kommen von Paris düstere Nachrichten. Alle Welt schaut nach Amerika und erwartet von da Hilfe, die auch unbedingt kommen muss, sollte nicht ganz Europa zu Grunde gehen. Die Teuerung ist derart, dass selbst der früher aller reichste Mann sie am eigenen Leibe spüren muss. Niemand kann sich mehr luxeriöse Ausgaben gestatten und jedermann nur das Notwendigste kaufen. Ich selbst z.B. brauche notwendig ein Klavier für mein Töchterchen und muss es auch hinausschieben.

Der Umschlag im Geschäft geht sogleich nach Papier-Millionen und die Kolonnen sind jetzt in den Hauptbüchern zu gering; alles Scheingebilde, vielleicht der Anfang vom Ende. Wer weiß es, was das neue Jahr bringt? Da ich gerade von letzterem spreche, erwidere ich Deine Grüße, die mich heute mit der reizenden Photographie Deiner lieben Familie erreichten, aufs herzlichste. Wollte Gott, dass die Wünsche für unser ganzes deutsches armes Volk in Erfüllung gingen. Ich hätte nie in meinem Leben geglaubt, dass wir einmal derartige traurige Zeiten durchmachen müssen. Und nun zur geschäftlichen Sache.

Mit Deinem Brief vom Oktober sandtest Du mir einen Scheck in der Höhe von 100 Dollar. Von Berlin, wo Du mir 1000 Dollar zur Verfügung gestellt hast, ließ ich mir erst vorige Woche, weil ich einige Zeit krank war, 25 Dollar kommen, zusammen also 125 Dollar. Dieselben wurden verkauft zu netto M 7500.- für einen Dollar, dies ergibt einen Markbetrag von M 937.500.-.## Ich habe nun Deinem Auftrage zufolge an Frau Cäcilie Reichert in Frankenhausen Waren im ungefähren Wert von 50 Dollar, an Heinrich Reichert in Ludwigshafen solche im Werte von 25 Dollar gesandt, und da Deine Schwester in Offenburg mir nachträglich noch einen sehr lamentablen Brief schrieb und ich annehmen musste, dass sie in großer Not ist, habe ich auch ihr noch, Dein Einverständnis voraussetzend, für ungefähr 25 Dollar Waren geschickt. Die Zusammenstellung der Waren hat meine Firma so vorgenommen, dass alle Artikel, die heutzutage in der Haushaltung so notwendig gebraucht werden können, nach Möglichkeit vertreten sind. Die Preise haben wir natürlich sehr billig auf Grund des Dollarkurses von M 7500.- errechnet und daran noch einen besonderen Abzug unter der Großhandelsspanne gemacht. Die vier Sendungen sind alle gut angekommen, und die Empfänger haben mir geschrieben, dass sie überaus glücklich sind, die Waren bekommen zu haben. Dieselbe Nachricht wird auch Dir zugegangen sein.

Ich lege Dir nunmehr, damit Du über alles orientiert bist, einliegend vier Rechnungen bei. Deinen Verwandten habe ich Rechnung nicht erteilt, weil es ja eine Geschenksendung war und nur jedem ein genaues Verzeichnis der Waren ohne Preisangabe übermittelt. ö#ber die Abrechnung gebe ich Dir einliegend genau Aufstellung.

Nunmehr schrieb Deine Schwester mir diese Tage, dass sie unbedingt weitere Unterstützung bräuchte. Ich habe ihr mitgeteilt, dass, wenn sie jetzt ein Geschäft anfangen wollte, sie mir dies schreiben möchte. Dann werde ich ihr einige hunderttausend Mark übersenden und mir von Berlin wieder Dollars kommen lassen. Mit dem Bürsten-Geschäft von Alverdes ist es nichts geworden, und ich habe ihn gebeten, sich doch um etwas anderes umzusehen. Auch habe ich ihm verschiedene Häußer, von denen wir ziemlich viel Waren, meistens Markenartikel etc. beziehen, genannt und ihn gebeten, sich mit diesen in Verbindung zu setzen, damit er vielleicht die Vertretung bekommt. Ich nehme an, dass Du damit einverstanden bist, wenn ich in diesem Sinne verfahre. Nachdem Du mir Anfang freies Verfügungsrecht über die 1000 Dollar gegeben hast, habe ich natürlich Deine Interessen in jeder Beziehung gewahrt und wollte nicht auf einmal die Riesen-Papiermarksumme Alverdes zur Verfügung stellen. Ich erwarte nächster Tage Brief von Alverdes und berichte Dir dann weiter.

Augenblicklich wird auch hier für die Armen in der Pfalz gesammelt, und ich selbst bin in dem Komitee der Stadt Kaiserslautern. Unsere Firma hat auch nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit bereits gestiftet. Wenn Du mich beauftragst, etwas für Dich zu tun, bitte ich um Mitteilung. Ich habe mich gerne der umfangreichen Mühe unterzogen, alles gewissenhaft und gut zu besorgen und war froh, dass Deinen Angehörigen damit gedient wurde. Selbstverständlich verlange ich für alles dies keine Entschädigung, denn das sind Freund­schaftsdienste, deren man sich gerne unterzieht. Wenn Du mir mal gelegentlich zum persönlichen Gebrauch ein kleines Andenken übermitteln willst, habe ich nichts dagegen. Es muss aber etwas sein, was ich jeden Tag zum Andenken an Dich bei mir tragen kann. Etwas anderes würde ich nicht annehmen.

Ich hoffe, dass dieser Brief Dich und Deine liebe Familie bei voller Gesundheit antrifft und bitte Dich, Herrn Bassler zu grüßen und ihm auch meine Neujahrswünsche zu bestellen. Vielleicht hast Du auch die Güte, ihm zu sagen, dass ich im neuen Jahre seinen letzten Brief beantworten werde. Ich bin bisher tatsächlich noch nicht dazu gekommen. Neben meiner geschäftlichen Tätigkeit nehmen mich noch soviel Ehrenstellen in Anspruch, dass ich wenig mehr in Gesellschaft komme. Ich bin Vorstandsmitglied der pfälzischen und der bayerischen Großhändler und auch Vorstandsmitglied des Reichsbundes Deutscher Kolonialwarengroßhändler und sonst alles mögliche.

Solange ich gesund bin, mache ich es im Interesse der Allgemeinheit und wegen der Wiederaufrichtung Deutschlands recht gerne. Aber manchmal wird es einem doch zuviel.

In alter Freundschaft

Besten Gruß
A. Fröhlich

Die Rechnungen werden insofern für Dich ein großes Interesse haben, als Du auf Grund Deines guten Gedächtnisses sehen kannst, was unsere Waren heute kosten gegenüber derjenigen Zeit, wo Du mit mir zusammen bei O & C arbeitetest. Dies erwähne ich nur wegen Deiner letzten Mitteilung. „Con mucho gusto“. Mein ältester Junge, er ist 9 Jahre alt, bittet Dich um Briefmarken.

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MEXICO, D. F., 5. Septbr. 1922

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich schrieb Dir unterm 10. Mai, erhielt aber inzwischen keine weitere Nachricht von Dir. Möglicherweise ist mein Brief verlo­ren gegangen. Leider habe ich ihn auch nicht kopiert und kann daher keine Copie nachschicken für den gedachten Fall. Der Hauptzweck meines damaligen Schreibens war, bei Dir wegen mei­nes Schwagers Leo Alverdes, Offenburg, Baden, anzufragen & Dei­nen Rat zu erbitten.
Ich bekomme von meiner Schwester immer Jammerbriefe und habe es mir schon einen hübschen Posten Geld kosten lassen, dem guten Mann etwas zu helfen. Aber bis dato scheint der Erfolg ganz mi­nimal zu sein, denn wenn ich einen Betrag sende und sage, fangt damit etwas an, womit Ihr Euer Leben machen könnt, so höre ich nichts mehr, bis nach einigen Monaten ein neuer Klagebrief kommt. Ich habe jetzt so viele Sachen am Bein, dass ich schon fast die Geduld verloren habe. Eine ganze Anzahl von Verwandten erinnert sich meiner jetzt, und wenn ich auch sehr gerne helfe, so muss ich doch etwas ein­teilen und dann kann nicht Jeder Mil­lionen bekommen. Das Ende vom Lied wird sein, dass man mir das als Knickrigkeit auslegt und es mir verübelt. Aber das geht ja gewöhnlich so. Jeder denkt, ich habe mich über 27 Jahre herum­geplagt, um ausge­rechnet IHM zu helfen. Na, das ist so eine Ge­fühlsexplosion, die Dir nur meinen Standpunkt angeben soll.
Also Leo Alverdes betreffend. Er hat seit Monaten nichts von sich hören lassen und wohl das Kapital, das ich ihm sandte, nach & nach aufgefuttert. Hast Du Dich mit ihm in Verbindung gesetzt? Sollte man ihm nicht einen Tabakladen oder einen klei­nen Kolonialwarenladen aufmachen. Eventuell auch Zuckerbäcke­rei? Das ist, was er, bezw. meine Schwester ver­stehen. Ich wäre conform, ihm dazu noch 1000 Dollars zu ge­ben, aber nur, wenn er etwas unter Deiner Kontrolle anfängt, nicht dass er evtl. sich Dampferbillets besorgt und geht nach Südamerika, denn ich hörte was von solchen Plänen. Bei seinem Alter von ca 50 Jahren geht das unbedingt schief.
Sollte also in diesem Sinn was zu machen sein, so wäre es mir sehr lieb, wenn Du ihm behilflich sein könntest. Vielleicht hast Du etwas Passendes an Hand. Also er versteht Tabak etc. und meine Schwester Conditoreikram. Sie war früher beim Hofkon­ditor Koch am Schillerplatz. Ich wäre Dir dankbar, wenn Du da­bei helfen möchtest, ein gutes Werk zu tun.
Dann habe ich noch ein Anliegen. Ich möchte zu Weihnachten an verschiedene Verwandten, die fast alle im unbesetzten Gebiet wohnen, Sendungen von Lebensmitteln machen. Also Zucker, Kaffe, Linsen, etc., etwas Chokolade etc. Je etwa 25 Dollar. Könnt Ihr das im Geschäft besorgen oder ist es besser, wenn ich mich nach Hamburg wende? Es können etwa 200 Dls zusammen werden.
Ich hoffe, bald von Dir wieder mal zu hören, danke Dir im Vor­aus für Alles und bin mit vielen Grüssen stets

Dein alter Freund & Kampfgenosse
C. Reichert