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Kaiserslautern, den 15. Oktober 1926

Lieber Freund Reichert !

Ich nehme zunächst Bezug auf einliegendes handschriftliches Schreiben und komme auf Deinen lieben Brief vom 14. August zurück. Hoffentlich sind die beiden „Weltreisenden“ wieder glücklich in Mexico gelandet und haben durch den furchtbaren Sturm an der Floridaküste nicht gelitten. Meine Kinder spre­chen immer noch von Deinem netten jungen Sohn, und ich hoffe, dass  er Dir alles von seinem Aufenthalt hier und in Baden­weiler erzählen wird.

Deine Aufklärungen in der Konsulatsfrage haben mich sehr in­teressiert, und ich kann wohl die Empfindung der Auslands­deutschen verstehen. Es wäre besser gewesen, wenn man in Wei­mar damals die alte Flagge gelassen hätte, dann wäre dieser hässliche Flaggenstreit nicht entstanden. Im üb­rigen wird aber dadurch die deutsche Republik nicht in Gefahr kommen, denn wir brauchen jetzt endlich Ruhe, um die Wirtschaft zu konsolidieren, wozu ja allerseits in Europa Anstrengungen ge­macht werden. Dass Du schliesslich die Konsulate abgelehnt hast infolge Deiner Gesundheit, da­mit hattest Du recht. Denn wir sind beide keine „heurige Hasen“ mehr und das Alter er­fordert einmal sein Recht. Ich hoffe, dass  Dein Unwohlsein sich in der Zwischenzeit wieder behoben hat und würde Dir ra­ten, öfters auszuspannen. Bezüglich des Kulturkampfes ist es in Mexico nach den Zei­tungen wieder etwas ruhiger geworden. Wie Du weisst, war ich von jeher ein Gegner aller Kulturkampfbestrebungen, denn ich stehe mit dem „Alten Fritz“, König von Preussen, auf dem Standpunkt, dass  man jeden nach sei­ner Fasson selig werden lassen soll.

Besondere Neuigkeiten in hiesiger Stadt gibt es nicht, die Dich interes­sieren könnten. Nur möchte ich heute etwas an­schneiden, und damit komme ich gleichzeitig das erste Mal als „Bettler“ zu Dir. Wie Du aus einlie­gender Zeitungsnotiz erse­hen wirst, wurde dieser Tage wieder der alte Verschönerungs­verein neu gegründet, nachdem er in der Inflationszeit eingeschlafen war. Infolge Verrohung der Jugend wurden die vielen Anlagen, Bänke etc. oft in unwilliger Weise auf ge­meine Art zerstört und es gibt jetzt, wenn man das Alte wie­der auffrischen will, viel Arbeit. Ich bin selbst in dem Aus­schuss, und da die meisten Leute aus dem früheren Mit­telstand verarmt sind, können wir nur M 3.– Jahresbeitrag erheben, ohne zu wissen, welche Zahl wir erreichen können. Schon oft hast Du Dein mil­des Herz für Notleidende während der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgetan, ohne jegliche Anregung meiner­seits, und wenn ich Dich diesmal bitte, dem Verschönerungs­verein etwas zu stiften, dann weiss ich, dass  Du mir dies nicht „krumm“ nehmen wirst. Die ganze Einwohnerschaft hat In­teresse daran, dass  die schönen Spaziergänge in unserm Kai­serslauterer Wald wie­der in den alten Zustand versetzt wer­den. Wenn Du dazu beitragen willst, dann wird Dein Name als Förderer in goldenen Lettern ins Vereinsbuch ein­getragen. Vielleicht beteiligt sich auch Bassler mit einem kleinen Be­trag, und ich bitte mir dieses Ersuchen nicht übel zu deuten.

Auf Deinen letzten Brief erwarte ich noch eine Nachricht und begrüsse Dich wie immer

in alter Treue
Dein
A. Fröhlich

47

 

Kaiserslautern, den 27.7.1926

Lieber Freund Karl !

Es war für mich eine ausserordentlich grosse Freude, Deine Tante Alverdes u. Deinen Sohn Albert während meiner Kur in der Villa Hedwig in Badenweiler i/Schwarzwald begrüssen zu dürfen, und wir haben Dir ja von unserem gemeinsamen kleinen Nachmittagsausflug von Schloss Hausbaden eine Ansichtskarte mit Grüssen geschickt. Es tat mir nur sehr leid, dass die lieben Leute mich in Badenweiler nicht gleich auffanden, in­dem sie zu dem dirigierenden Doktor Heinecke gingen, der von der Kuranstalt entfernt wohnt und mir über Mittag nicht tele­fonieren konnte, weil an dem grossen „Seeplatz“ das Telefon von 11–5 Uhr mittags geschlossen ist (an Sonntagen). Da in der Kuranstalt für jeden einzelnen Patienten diätisch gekocht wird und an diesem Tage noch 6 Gäste anwesend waren, war es mit dem besten Willen nicht möglich, die Mexikaner bei mir zu Tisch zu haben.

Wir haben nachmittags beim Kaffee uns über Angenehmes und Schönes aus der Vergangenheit, über gemeinsame Freunde und über Mexiko und last not least über Dich selbst angenehm un­terhalten können. – Der Besuch in Kaiserslautern brachte als­dann meiner Frau und meinen Kindern lebhafte Freude und Frl. Alverdes und Albert werden Dir alles erzählen.

Dieselben sagten mir in Badenweiler, dass man Dich von der Regierung in Berlin als deutschen Konsul ausersehen habe. Du hättest aber vor Annahme dieser hohen Ehrenstellung die Be­dingung daran geknüpft, auf Deinem Heim die alte schwarz-weiss-rote Flagge hissen zu dürfen. Nach den Kämpfen im Reichstag und im Deutschen Blätterwalde wird dies wohl augen­blicklich noch nicht möglich sein, aber die Flaggenfrage selbst soll ja auf die eine oder andere Art und Weise in nächster Zeit gelöst werden, und ich hoffe zuversichtlich, dass Du in der Zwischenzeit Deine Bedenken zurückgestellt und das Amt angenommen hast.

Wie ich von Frl. Alverdes hörte, soll der alte Paasche, der Dich voriges Jahr besuchte, in Amerika gestorben sein. Er hat sich früher im Reichstag sehr verdient gemacht.

Bei uns ist die politische Lage etwas besser geworden. Aber die wirtschaftliche lässt noch viel zu wünschen übrig. Die Zahl der Arbeits- und Erwerbslosen hat noch nicht viel abge­nommen, weil die Industrie- und die Bautätigkeit nicht rich­tig in Schwung kommen will.

Infolge des Dumpings der französisch-spanisch-italienisch-etc. Valuten befindet sich der deutsche Export in grossen Schwierigkeiten. Hoffentlich wird bald überall stabilisiert. Ebenso wären jetzt Handelsverträge allerseits notwendig. Man sieht mit Besorgnis dem Winter entgegen!

Heute las ich in der Zeitung von dem mexikanischen Religions­streit, der jedenfalls für die mexikanischen Verhältnisse nicht angenehm ist.

Die wichtigste Nachricht, die ich Dir heute zukommen lassen will, ist die Tatsache, dass ich durch Mehrheitsbeschluss der Firma Ottmann & Co. G.m.b.H. als Geschäftsführer dieser Firma abberufen bin, unbeschadet aller meiner Rechte aus meinen Verträgen, die noch drei bis vier Jahre laufen. Ich habe da­gegen Protest erhoben und (es) wird in einigen Wochen zunächst ein Schiedsgericht darüber beschliessen. Alsdann wirst Du Weiteres von mir hören. Solange mein Vertrag läuft, muss ich noch Teilhaber der Firma bleiben. Ich sende Dir einliegend noch für Herrn Louis Brauer die Quittung der Sani­tätskolonne sowie ein Schreiben des Pfälzer Waldvereins nebst Mitgliedskarte und Satzungen, wonach Herr Brauer als Mitglied des Pfälzer Waldvereins geführt wird.

Ohne mehr für heute begrüsse ich Dich

in alter Freundschaft
Dein treuer
A. Fröhlich

46

 

10. Juni 1926

Lieber Reichert !

Dein Brief vom 8. Mai kam in meinen Besitz, und ich danke Dir vielmals für Deine Mitteilungen. Zunächst entnahm ich Deinen Ausführungen gerne, dass Deine Tante und Dein Sohn Albert auf der Reise nach der alten Heimat sind und mich besuchen wol­len. Dieser Tage war Herr Ottmann da und bestellte Grüsse von Dir, die ich erwidert habe. Ich muss Mitte nächster Woche auf einige Wochen zu einer Stoffwechselkur nach Badenweiler und habe Deiner Tante nach Frankenhausen geschrieben, dass es mir lieb wäre, wenn der Besuch Ende Juli, Anfang August stattfin­den könnte. Wenn nicht, mögen die beiden Personen, die ich mit Freuden erwarte, mich auf der Reise nach der Schweiz in Badenweiler aufsuchen. Ich hoffe, dass die Sache klappt, und wir ein paar Ständchen von Dir, sowie von Mexiko und Deiner Heimat erzählen können.

Die Verhältnisse bei uns in Deutschland liegen nach wie vor im Argen. Danke Gott, dass Du den besseren Teil erwählt hast und seinerzeit auswandertest. Gewiss hast Du recht, dass man durch Spekulation manches gut machen kann, aber für die deut­schen Firmen heisst es heute, das Wenige, was nach der Infla­tion erhalten blieb, zu wahren und spekulieren soll man erst dann, wenn man eine Reserve hat und nicht alles „die Bach hinunter geht“. Hunderte und tausende Firmen von hundertjäh­rigem Ruf und Ansehen sind verschwunden, ganz abgesehen von den vielen Nachkriegsgründungen, die den Weg alles Fleisches gehen mussten, –

Die Briefmarken, die Du mir für Herrn Klinger geschickt hast, habe ich demselben übergeben und lässt er vielmals dafür dan­ken. Herr Klinger ist nicht verwandt mit der Dame, die mit Dir tanzen lernte. Er hat hier keine Verwandte, weil er von auswärts zugezogen ist. Fräulein Klinger, mit der Du noch in Korrespondenz stehst, wird eine Tochter des Postmeisters Klinger gewesen sein, der in der Nähe des Stadtparks wohnte.

Das Geschäft bei uns ist immer noch sehr ruhig. Die Einkaufsgenossenschaften, Konsumvereine etc. wollen den Grosshandel ausschalten, und vielfach geht der Grosshandel dazu über, ei­gene Verkaufsläden aufzumachen. Wir befassen uns auch mit dem Gedanken und wenn die Verhältnisse nicht besser werden, wer­den wir dazu gezwungen sein.

Ausserordentlich erfreut war ich über die Spende Deines Freundes Brauer. Es rührte mich tief, dass Abkömmlinge von ausgewanderten Deutschen noch so sehr an ihrer Heimat hängen. Ich habe den Betrag wie folgt verwandt:

Säuglingsfürsorge M 200.-, Tuberkulosenfürsorge M 200.-, Pfälzer Waldverein M 100.-. Bezüglich des Pfälzer Waldvereins bist Du ja im Bilde, wie wohltätig derselbe wirkt und bezüg­lich der Tuberkulosen- und Säuglingsfürsorge brauche ich ja nichts zu sagen. Gerade diese Anstalten tun bei der kolossa­len Armut der Bevölkerung nur Gutes. Sodann habe ich dem hie­sigen Oberbürgermeister nach vorheriger Rücksprache mit ihm M 300.- übergeben. Davon will Herr Oberbürgermeister M 200.- für einen Herrn Dr. Barth verwenden, der vollständig verarmt ist und in München sein juristisches Staatsexamen machen möchte, aber kein Geld hat. Es ist dies ein Sohn des früheren Einnehmers und Stadtschreibers Peter Barth, der schon längst gestorben ist und mit dem wir zusammen im Stenographenverein waren. B. war damals Vorsitzender, und ich glaube speziell auch in Deinem Sinne zu handeln, wenn ich, wie geschehen, ihm durch Herrn Oberbürgermeister den Betrag überweisen liess. Der Junge wird Dir ewig dankbar dafür sein. Sodann hat Herr Oberbürgermeister M 100.– einem Fräulein Zenker gegeben, de­ren Vater Du auch gekannt hast. Er war Ingenieur beim Eisenwerk und wurde kurz vor dem Waffenstillstand durch eine Flie­gerbombe getötet. Seine Tochter lebt in den bittersten und ärmsten Verhältnissen und ist krank, sodass auch hier der kleine Betrag gut angebracht ist. Die restlichen M 200.- habe ich der Freiwilligen Sanitätskolonne zugeleitet. Über M 700.- erhälst Du in der Einlage das offizielle Dankschreiben des Herrn Oberbürgermeisters. Die Quittungen des Pfälzer Waldver­eins sowie der Freiw. Sanitätskolonne sende ich Dir nach Emp­fang nach.

Du schreibst von einer Steingutfabrik, bei der Du Vorsitzen­der wärest. Ist dies ein neues Unternehmen von Dir?

Herrn Brauer bitte ich, meine persönlichen Empfehlungen zum Ausdruck zu bringen. Wie gut wäre es, wenn in der dortigen Kolonie es noch mehr solch edeldenkender Menschen gäbe, ein­gedenk des Sprichwortes: „Geben ist seliger wie Nehmen.“

Am letzten Sonntag war hier anlässlich des 650 jährigen Jubi­läums unserer Stadt ein grosses Fest mit Festzug in Erinne­rung an die im Jahre 1276 durch König Rudolf von Habsburg der Stadt Kaiserslautern verliehenen Stadtrechte. Ich sende Dir einliegend das Festprogramm. Es war eine unzählige Menge fremder Leute hier.

Sonst weiss ich heute nichts Neues und grüsse Dich

in alter Freundschaft
Dein
A. Fröhlich

44

 

den 8. April 1926

Lieber Freund Karl !

Ich habe noch Deinen Brief vom 14. Januar zu beantworten und oftmals habe ich Ansatz dazu genommen, bin aber immer davon ab­gekommen.

In der Zwischenzeit hast Du ja gehört, dass wir mit der be­freundeten Firma C.N. Thomas G.m.b.H. hier eine Interessenge­meinschaft eingegangen sind, und zwar aus dem Grunde, um Unko­sten etc. zu sparen, was heute bei der Wirtschaftskrisis in Deutschland, die wir durchzumachen haben, in erster Linie er­forderlich ist. Wie sich die Sache entwickelt, lässt sich na­türlich noch nicht sagen, aber bis jetzt kommen wir in guter Harmonie mit der Firma aus. Die Lagerräumlichkeiten sind in un­serm neuerbauten Lager Ottmann & Co., während die Büros der Firma C.N. Thomas G.m.b.H., Spittelstrasse vorerst noch unter­gebracht sind. Es ist in Deutschland außerordent­lich schwer im Großhandel geworden, denn viele Einkaufsgesellschaften und Kon­sumvereine haben sich gebildet, deren Hauptbestreben ist, den Großhandel auszuschalten. Dazu kommt, dass ein großer Teil un­serer alten Kundschaft durch die In­flation und Nachkrieszeit vollständig verarmte und nicht mehr in der Lage war, ihr Ge­schäft aufrecht zu erhalten. Du liest ja hoffentlich deutsche Zeitungen und kannst Dir aus den vielen Geschäftsaufsichten (eine Form zur Verhütung des Kon­kurses) sowie aus den Konkursen selbst ein ungefähres Bild machen, wie es in Deutschland aus­sieht. Das Dawes-Gutachten brachte Deutschland eine Belastung, die es auf die Dauer un­möglich tragen kann. In letzter Zeit ist eine Nuance Besse­rung zu konstatieren, weil die Reichsbank den Zinssatz auf 7 % ermäßigt hat, während wir voriges Jahr einen Zinssatz von 14–18 % hatten und vor zwei Jahren sogar bis zu 60 %. Dass dies kein Geschäft und keine Fabrik verdienen kann, wirst Du wohl einsehen.

Ich freue mich aus Deinem Brief zu ersehen, dass es Dir persön­lich und Deiner Familie gesundheitlich gut geht. Meine Kur in Lugano hatte nicht den Erfolg, den ich erwartete, und ich war in letzter Zeit mit den Nerven ziemlich auf den Hund gekommen und erst gestern wieder beim Arzt. Ich will, denke ich, im Mai/Juni in ein Bad gehen und mich mal gründlich er­holen. Über­dies erhoffe ich von dem Frühjahrswetter, das ich fleißig zu Spaziergängen benutzen will, eine Besserung. Am 27. April werde ich 54 Jahre alt, und dass das Alter sowie die schweren Zeiten, die wir durch den Krieg und die Nach­kriegszeit etc. durchzuma­chen haben, sich nicht in die Klei­der setzte, ist wohl ein na­türlicher Vorgang. Wenn erst meine Kinder älter wären (der kleinste Bursche ist jetzt 6 Jahre alt, er kommt dieses Jahr zur Schule), würde ich nicht so sehr am Leben hängen, denn es ist tatsächlich nicht mehr schön in Deutschland. Trotzdem lasse ich die Hoffnung nicht sinken und will weiter mithelfen, soweit es in meiner Kraft steht, am Wiederaufbau.

Die politischen Verhältnisse in Deutschland schreien zum Him­mel. Die Parteien werden nicht weniger, sondern immer mehr und viele Emporkömmlinge und Schieber glauben, eine Rolle spielen zu sollen.

Es tut mir außerordentlich leid, dass Dein Besuch, den Du für den Monat Juni sicher in Aussicht stelltest, wieder unterbleibt. Hoffentlich führst Du denselben doch alsbald aus. Dieser Tage brachte die Frankfurter Zeitung einliegende Notiz über mexika­nischen Besuch in Deutschland und wäre dies doch m.E. gute Ge­legenheit gewesen für Dich, Deine alte Heimat zu besu­chen, um­somehr als Du nunmehr Vorsitzender der deutschen Handelskammer in Mexiko geworden bist und Vorstand der deutschen Kolonie und Schule. Ich gratuliere Dir zu diesen Ehrenposten, die aller­dings ja nichts eintragen, aber Führer müssen sein und es ist besser, hierfür Charaktere als Streber zu haben. An Deinen Söh­nen wirst Du jetzt bald tüchtige Hilfe haben und dann kannst Du es Dir auch bequemer machen. Meine beiden Bu­ben hoffe ich spä­ter nicht ins Geschäft zu nehmen, denn meine Absicht besteht, ihnen ein perfektes Studium geben zu lassen. Mein ältester Bur­sche Franzl ist jetzt in der 2. Gymnasial­klasse und hat ein sehr gutes Zeugnis. Er ist einer der Be­sten in der Schule mit fünf 1er und zwei 2er.

Von unserem Herrn Heger hörte ich, dass Du M 1000.- für den Pfälzer Waldverein gestiftet hast, worüber ich mich sehr freute. Es wird dies vielleicht Anlass sein, dass man Dir von anderer Seite Bettelbriefe schickt, denn Heger sagte mir, dass sich bereits Verschiedene nach Deiner Adresse erkundigt hätten. In dieser Beziehung empfehle ich Dir Vorsicht, wie früher schon meinerseits geschehen, und wenn Du etwas tun willst, kannst Du ja vorher meinen Rat einholen.

Das Buch von Landenberg habe ich, soweit mir die Zeit zur Ver­fügung stand, durchgesehen und fand es sehr gemeinver­ständlich und interessant geschrieben. Heißen Dank dafür!

In der Zwischenzeit wird wohl Herr Kommerzienrat Albert drü­ben angekommen sein und an seinem Sohn hast Du ebenfalls Hilfe. Be­züglich Staatsrat Korn (aus) München habe ich nichts mehr ge­hört. Sein Junge wird wohl dieses oder nächstes Jahr das Gymna­sium absolvieren, und wenn er ihn dann nach Mexiko schicken will, wird er schon Dir oder mir schreiben. Er hat es sehr weit gebracht, denn er ist jetzt Stellvertreter des Ministers. Nur etwas hat er getan, was mir nicht passt. Er soll nämlich seinen protestantischen Glauben abgelegt haben und vor einigen Jahren zum Katholizismus übergetreten sein, um desto rascher Karriere zu machen. Dies aber streng ver­traulich unter uns.

Sonst gibt es in Lautern nichts besonderes Neues. Das Jahr 1925 und 1924 war für die Firma Ottmann & Co. verlustbrin­gend, und oftmals habe ich es bereut, dass ich nicht früher, wie Du, auch ausgewandert bin. Dann hätte man diese schweren Zeiten doch nicht so am eigenen Leib gespürt und könnte mit größerer Beru­higung der Zukunft entgegensehen. Aber trotzal­ledem heißt es, Kopf hoch, denn einmal muss es auch wieder anders werden, und wenn die Alten keinen Vorteil mehr davon haben, dann sind es die Jungen.

In diesem Sinne verbleibe ich heute wie immer mit den besten Grüßen von Haus zu Haus

Dein alter treuer Freund
A. Fröhlich

1 Einlage

35

den 8. 2. 1924

Lieber Freund Karl!

Dein Brief vom 18. Januar, es ist der Tag der Reichsgründung, erreichte mich gestern Abend, und da ich gerade ein Viertel­stündchen Zeit habe und in den nächsten Tagen doch nicht dazu komme, möchte ich ihn gleich beantworten. Die Angelegenheit mit Deinem Bruder betrachte ich als erledigt und bitte, Dich dar­über nicht weiter aufzuregen, denn ich bin ja nicht weiter al­teriert und wollte mich nur Dir gegenüber rechtfertigen. Die Hauptsache ist ja mein gutes Gewissen und meine Bereitwillig­keit, Dir gegenüber jederzeit gefällig zu sein, und wenn Du mich für die Folge statt zu „bitten“ zu irgend etwas „aufforderst“, geschieht es jedesmal mit Vergnügen, denn es ist doch selbstverständlich, dass man sich gegensei­tig gefällig ist, wo man nur kann.

Für Deine Bemühungen betreff St. Francisco-Adressen danke ich Dir verbindlichst. Antworten der betreffenden Firmen sind bis jetzt noch nicht da.

Sehr leid tut es mir, aus Deinem Brief zu ersehen, dass Ihr jetzt auch schlechte Zeiten durchmachen müsst. Aber ich hoffe gerne mit Dir, dass die Revolution nach Ankunft dieses Brie­fes beendet ist, denn die Zeitungsnachrichten lassen erken­nen, dass durch das Eingreifen Amerikas die Ruhe doch wieder hergestellt werden wird. Im übrigen ist es ja leider Tatsa­che, dass die ganze Welt in politischer und zum Teil auch wirtschaftlicher Beziehung auf den Kopf gestellt ist. Was wir hier augenblick­lich erleben, schreit zum Himmel und es ist nur sehr gefähr­lich, alles brieflich so zu schildern, wie man es auf dem Her­zen hat. Eine unbefugte Zensur kann grosse Un­annehmlichkeiten bringen (Gefängnis und Ausweisung).

Erfreut war ich gestern ausserordentlich, in den „Hamburger Nachrichten“ zu lesen, dass sich die Deutschen, speziell die Rheinländer und Pfälzer, in Mexiko in einer Eingabe an den amerikanischen Präsidenten gewendet haben, um bezüglich des Rhein­landes und der Pfalz Hilfe von Amerika zu erflehen. Es freut mich dies umsomehr, als ich wohl vermuten darf, dass Du an der Sache nicht ganz unbeteiligt bist. Nach den neuesten Nachrich­ten, die heute die Zeitungen bringen, scheint England doch stark zu bleiben, nachdem der engl. Generalkonsul Clive sein Material in der Pfalz selbst gesammelt hat. Unser Volk ist augenblicklich in tiefster Not und an der ganzen Tragödie ist das Traurigste, dass die Mehrzahl der Deutschen, die in ihrem Un­tertanenverstand kein politisches Verständnis haben, die Motive dieser Tragödie nicht erkennen wollen, weil sie tatsächlich zu feige dazu sind. So wird weiter gewurstelt und alle Arbeit hilft nichts, solange die Parteien und Parteien­grüppchen wie Kegel- und Kartengesellschaften für sich egoistische Politik treiben. Es ist notwendig, dass die ganze Welt etwas ethischer denken lernt im Sinne jenes Christentums, das Jesus gelehrt hat und nicht derjenigen Religion, die in diesem Weltkriege so furchtbar Fiasko gemacht hat. Der liebe alte Gott war bei jedem unserer Feinde sowohl wie bei uns selbst der erste Bundes- und Kampfgenosse. Er sollte Eng­land strafen, Frankreich vernichten und uns den Frieden brin­gen und alles ist umgekehrt gegangen. Man hat sogar von Sei­ten christlicher Pfarrer den Krieg und den Mord verherrlicht, und der Krieg ist doch nichts weiter wie ein grosses Morden, ein Morden, wie es die grössten Bestien nicht besser voll­bringen können. Ich habe für mich, der ich immer ge­recht und wahrlich christlich trotz meiner jüdischen Abstammung dachte und handelte, das Gefühl, dass es mit unserer Jugend, soweit sie nicht in das nationalsozialistische Fahrwasser kommt, doch besser wird.

Es gibt natürlich in dieser Beziehung sehr viel Arbeit. Nament­lich in der Schule. Dort muss angefangen werden, wenn nicht die ganze Kultur Europas zu Grunde gehen soll. Ich kann Dir nach­fühlen, wenn Du angesichts all dieser Verhältnisse auf einer entlegenen Insel als Einsiedler leben möchtest. Aber das geht einmal nicht. Der einzelne Mensch muss in sich selbst die ver­dammte Pflicht fühlen, mitzuhelfen, das wieder auszu­bauen, was Unglaube, Sittenlosigkeit, Raub- und Geldgier ver­nichtet haben. Im Grossen und Ganzen genommen, war der Welt­krieg weiter nichts als ein Geschäftskrieg für Grossindu­strie und Hochfinanz. Es wurde überall gesündigt. Deutschland wollte allerdings den Krieg im August 1914 nicht, hat aber doch an der Nichtverhinderung desselben ein gerüttelt Maß von Schuld, al­lerdings das Volk nicht, sondern nur der wahnsin­nige Kaiser Wilhelm II. –

Und nun Schluss für heute. Mit den besten Grüssen, auch von meiner Familie, an Dich und die Deinen, verbleibe ich

Dein alter Freund
A. Fröhlich

27

den 21. April 1923

Einschreiben

Lieber Freund Reichert !

Ich war jetzt beinahe zwei Wochen in München und Nürnberg, wo­selbst ich als Vertreter der pfälzischen Lebensmittel-Großhänd­ler verschiedenen Sitzungen beiwohnen musste. Gestern Abend kehrte ich zurück und fand Deine beiden Briefe vor. In der Zwischenzeit kam auch von Pforzheim die Kette und ich sage Dir meinen aufrichtigen und verbindlichen Dank. Letztere fiel sehr schön aus und wird von mir solange ich lebe in Eh­ren und in gutem Andenken an Dich getragen. Als kleine mini­male Gegenlei­stung schicke ich Dir anliegend einige Aluminium Geldstücke, die bei uns vor einiger Zeit ausgegeben wurden, jetzt aber nicht mehr zu haben sind und als Rarität gelten. Dieselben wer­den in Sammelkreisen sehr gesucht. Ich füge fer­ner ein zweihun­dert-Markstück bei in Aluminium, woran man er­sehen kann, wie arm wir geworden sind. Das Stück wird für Deine Kinder beson­ders Interesse haben, und ich hoffe im Üb­rigen, dass es mir später einmal vergönnt ist, alles wieder gut zu machen und mich weiter erkenntlich zeigen. Was ich bis jetzt für Dich getan habe, geschah gerne, wie ich auch für die Zukunft immer zu Dei­ner Verfügung stehe. Mein Franzl lässt ebenfalls für die Marken vielmals danken.

Wenn Du mich bezüglich eines Hausbaues in Frankenhausen  ge­fragt hättest, dann hätte ich Dir von vornherein schon sagen können, dass dies ein teures Unternehmen gibt, denn man kauft allgemein in Deutschland die Häuser mit einem Multiplikator von 1000 auf den Friedenspreis, eher noch etwas billiger, während beim Bauen in Rücksicht auf die Geldentwertung der Multiplika­tor 5000 bis 6000 und noch mehr ist. Nunmehr lässt sich die Sa­che nicht mehr ändern, aber ärgerlich ist es im­merhin.

Bezüglich Alverdes habe ich nichts mehr gehört und scheint er vorerst zufrieden gestellt zu sein. Ich werde ihm selbstver­ständlich nach Deinen Richtlinien weitere Mittel nicht mehr zur Verfügung stellen und bin selbst interessiert, ob er mir wie versprochen den zuletzt gegebenen Betrag später für Dich wieder übersendet.

Ich freue mich, dass Du im Großen und Ganzen mit Deinem materi­ellen Erfolg zufrieden bist, und wir wären es alle auch ohne we­sentliches Vermögen, wenn wir nur Ruhe und Freiheit hier genie­ßen könnten. Es ist tatsächlich augenblicklich für uns nicht angenehm zum Leben. Aber was uns drückt dürfen wir nicht schreiben, denn es werden hie und da Briefe geöffnet, deshalb muss man sehr vorsichtig sein. Von Kaiserslautern sind ca. 100 Eisenbahner aus allen Chargen, Oberbeamte, Mit­telbeamte, Unter­beamte, mit Kind und Kegel ausgewiesen. Die Leute sind drüben in der Gegend von München, und ich habe ei­nige bei meiner Mün­chener Reise besucht. Es ist ein tiefes Elend und nicht zu ver­stehen, dass das Ausland das alles ru­hig mit ansieht. Dein Va­terhaus steht auch leer, denn der Bahnmeister, der darin wohnte, wurde auch ausgewiesen und so ist es mit hunderten Woh­nungen hier. Vielleicht entschließt Du Dich, nachdem Du Deine Weltreise aufgegeben hast, heuer einmal herüber zu kommen, was ich sehr begrüßen würde. In München habe ich kurz Deinen frühe­ren Schul- und unseren gemeinsamen Freund Herrn Staatsrat Korn beim Kultusministerium gesprochen, und er erzählte mir, dass er mit Dir jetzt auch in brieflicher Verbindung steht, deren In­halt mir jetzt durch Deinen neuen Brief klar geworden ist, worin Du dem hiesigen Gymnasium 1 Million Mark Unterstützung zur Verfügung gestellt hast. Ich habe der Höheren technischen Lehranstalt Deinen Brief weitergegeben. Dieselbe wird sich mit der auch ihr zu­gedachten Stiftung in der Höhe von 1 Million Mark gewiss rie­sig freuen. Es wäre gut, wenn wir viel derartige Deutsche wie Du im Ausland hätten, denn in der Tat gibt es viel zu helfen und die Not ist größer, als irgend jemand glaubt. Un­ser Mit­telstand und Rentnersleute sind vollständig verarmt; viele sterben des Hungers, denn wenn ich Dir sage, dass jetzt 1 Pfund Butter bei uns M 9000.- kostet, 1 Ei M 500.-, 1/2 Liter Milch beinahe M 500.-, 1 Paar Schuhe M 50 000.- bis M 60 000.-, 1 Anzug in einfacher Ausstattung M 300 000.- bis M 400 000.-, 1 besserer Anzug M 800 000.-, dann kannst Du ermessen, wie die Verhältnisse sich gestaltet haben. Ein derartiges Schicksal hat Deutschland nicht verdient. Aber trotzdem hoffe ich, dass, wenn erst einmal die Reparationssumme endgültig festgelegt ist, Deutschland mit allem Fleiß an die Wiederauf­bauung herangeht und in absehbarer Zeit wieder bessere Zeiten sehen wird.

In dieser Erwartung verbleibe ich wie gewöhnlich mit den be­sten Grüßen an Dich und Deine liebe Familie

Dein alter Freund!
A. Fröhlich

24

den 1. 3. 1923

Lieber Freund Karl !

Von Berlin ist vorgestern der 25 Dollar-Scheck angekommen, und ich habe denselben, wie s. Zt. schon angedeutet, dem Oberbürger­meister hiesiger Stadt zur Verfügung gestellt, der mir heute einliegendes Dankschreiben zugehen liess. Ausserdem haben hie­sige Zeitungen eine Notiz lt. Einlage gebracht. Mit dem Geld werden viele Wunden geheilt, und Du hast ein gutes Werk damit getan.

Nunmehr schreibt mir gestern wieder Dein Schwager Alverdes we­gen M 600 000.-, die er benötige für angeblich sehr günstig gekaufte Bürstenwaren. Ich schrieb ihm heute lt. Einlage, dass mir weitere Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen und hoffe, dass Du mit dem Inhalte dieses Schreibens einverstan­den bist. Von Berlin habe ich dafür noch kein Geld angefor­dert und will erst abwarten, was er mir antwortet.

Mit besten Grüssen

Dein Freund
A. Fröhlich

N. B. Aus dem Briefe des Bürgermeisters kannst Du auch erse­hen, wie gross das Elend in Deutschland ist.