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28

México, 27. April 1923

Mein lieber Fröhlich!

Ich schrieb Dir am 6. ds. laut einl. Copie. Ich las die­selbe eben nochmals durch und fand, dass der betr. Brief in der Eile recht flüchtig geschrieben war, was Du gütigst entschul­digen wollest. Soeben erhielt ich einen Brief von Leo Alver­des. Er möchte gerne die 600 000 M als Darlehen noch behal­ten, und ich werde ihm schreiben, dass ich sie überhaupt nicht mehr haben will. Er muss nun se­hen, wie er fertig wird. Er schreibt zu­friedener und es scheint, als ob er sich selbst helfen kann. Da ich unse­ren Berliner Trattenkredit anderwei­tig besser verwerten kann, habe ich Dir eröffneten Kredit suspendieren lassen. Wen­det sich Alverdes nochmals an Dich, so sage ihm bitte, ich hätte keine Gelder mehr bei Dir. Noch­mals besten Dank für das, was Du in der Sache getan hast.

Hast Du eigentlich Deine Uhrkette erhalten? Ich habe noch keine Nachricht von Stuttgart erhalten.

Die heute an Dich abgesandte Verlobungskarte meiner Toch­ter wird Dich überrascht haben? Ich hatte auch keine Ah­nung und war wie aus den Wolken gefallen, als mich die Brautleute mit dem fait accompli überraschten. Ich bin aber froh darüber, denn er ist ein braver Mensch, Teilha­ber eines Musikinstrumentenge­schäfts hier, das sehr gut geht. Sie haben als Hauptartikel die Harmonikas von Hoh­ner in Trossingen. Er wird wohl im Herbst, wenn sein Bru­der von drüben zurück ist, wieder nach dorten ge­hen, da er den Einkauf für die hiesige Firma besorgt. Dann wird wohl Blanca schon mitgehen.

Für heute schliesse ich mit den besten Grüssen stets Dein al­ter Freund und Kollege!
C. Reichert

26

MEXICO, 6. April 1923

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich schrieb Dir unterm 9. März und erhielt inzwischen Deine freundlichen Zeilen vom 1. und 7. März nebst Anlagen. Zuerst der Brief des Herrn Oberbürgermeisters, den ich Dir anbei zurücksende und dann die Abschriften Deines Briefwechsels mit Al­verdes.

Man soll sich eigentlich nicht mehr wundern, wenn man so alt geworden ist, aber dummerweise tut man das immer noch. Also der gute Mann setzt sich aufs hohe Ross, sagt, er habe immer noch sein Auskommen gefunden, aber andererseits schreibt Frau Alver­des, sie brauche unbedingt Unterstützung. Wie reimt sich das eigentlich zusammen?

Ich bemerkte mir, dass Du in Berlin 30 Dollars abdisponiert hast, die Alverdes ruhig behalten kann. Wenn er sie wirklich an Dich zurückschickt, lasse Sie bitte zu Deiner Verfügung, damit er damit operieren kann. Da der Ankauf eines Geschäfts doch sich nicht zu verwirklichen scheint, so werde ich wohl den Kre­dit stornieren lassen können?

Ich schrieb Dir vor einigen Tagen, dass ich telegrafisch an die Höhere technische Lehranstalt auf deren Verlangen zur Einrich­tung einer Studentenspeiseanstalt den Betrag von 1 Million an­wies.

Ebenso sandte ich an den Bayr. Kultusminister für das Gymna­sium dorten eine weitere Million Mark. Ich hoffe nur, dass ich nicht allzu viele Anliegen daraufhin erhalte, denn auch mein Geldbeu­tel ist nicht grundlos und ist in letzter Zeit ziemlich mitge­nommen worden.

Immerhin, wenn es sich um etwas für mein liebes Lautern han­delt, so kannst Du es mich ja wissen lassen: ich werde sehen, was ich tun kann.

Entschuldige mich, wenn ich mich für heute kurz fasse. Ich will für 8 Tage nach Cuernavaca in die Sommer“frische“, wo man Eier in der Sonne kochen kann und möchte keine unbeantworteten Briefe hinterlassen.

Viele herzliche Grüsse an Dich und Familie, ebenso an die al­ten Bekannten der Firma von Deinem

C. Reichert

25

México, 9. März 1923

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt Deine frdl. Zeilen vom 18. Januar und 15. Februar und es ist zwar schade, dass bei der Umwechslung der Dollars ein ungünstiger Kurs heraus kam, aber das lässt sich nicht voraussehen und man muss sich damit abfinden. Hätte ich hier Mark gekauft und diese nach dorten geschickt, so wäre es noch schlimmer gewesen. Eine Nachvergütung zu machen an Frau O. ist nicht nötig, denn ich habe inzwischen zu ihrem Geburtstag einen weiteren Check nach ihrer neuen Heimat Frankenhausen geschickt und zahle ihren Unterhalt direkt von Berlin aus. Die 3 Damen wohnen zusammen in einem Haus, das ich in Fran­kenhausen bauen liess, was eine der Glanzleistungen unseres ersten Berliner Prokuristen war. Für das Geld, was dieser in­fame Hausbau schon gekostet hat, hätte ich in Berlin eine Villa kaufen können, d.h. ich habe für die Firma eine gek­auft, damit ein anderer un­serer Prokuristen, der im October nach dorten ging, gleich Woh­nung habe. Die kostete in Berlin bei doppelter Grösse nicht mehr als mein Haus in Frankenhau­sen! Das sind Finanzgenies!

Anbei sende ich Dir für Dein Franzel die neuen amerikanischen Werte, bis jetzt sind nur 4 herausgekommen. Auch noch eine der hier seltenen 2 Dollarmarken der USA.

Zur Vermeidung von Missverständnissen bemerke ich bezügl. des Berliner Guthabens, dass wir in Deutschland keinerlei Gutha­ben unterhalten. Es ist eine Krediteröffnung, denn wir können bei der Deutsch-Südamerikanischen Bank das ziehen, was wir brauchen in Deutschland und der Gegenwert wird in Dollars nach der hie­sigen Filiale der Bank aufgegeben zur Belastung auf unser hie­siges Konto.

Dass die Sache Alverdes noch nicht erledigt ist, ist schade. Ich verstehe die Schwierigkeiten und bedaure, dass Alverdes ein solch langweiliger Kerl ist, der sich nicht zu helfen weiss. Ich habe mich schon sehr darüber geärgert. Glaubst Du, dass diese Herrschaften es nicht mal der Mühe wert hielten, mir auch nur eine Zeile wegen der von Dir gemachten Zahlungen zu schrei­ben? Das Ende vom Lied wird sein, dass noch ein Krach kommt, resp. man lässt mich links liegen und schimpft über mich. Das hat man davon. Allzulange möchte ich den Kre­dit nicht offen lassen, denn ich wünsche nicht, dass das Geld mittels Jammer­briefen bei Dir abdisponiert wird. Es ist nur für die Basis ei­nes Lebensunterhaltes bestimmt, und ich bitte Dich, auf Jammer­briefe nicht zu reagieren. Es ist besser, Du sagst überhaupt nichts von dem Kredit, sondern wenn etwas Passendes vorliegt zum Kauf, sagst Du, Du würdest telegrafie­ren.

Was das Kupplungspatent angeht, so schrieb damals ein anderer Herr, dessen Namen ich nicht erinnere, an mich. Ich gab den Brief an Herrn Klentsch (ein Zweibrücker) weiter und sprach mit ihm, er möge direkt mit dem Interessenten verhandeln. Hof­fentlich hat er das getan. Grosse Aussichten schien die Sache nach Klentsch’s Ansicht nicht zu haben. Ich selbst ver­stehe da­von natürlich nichts.

Mit Vergnügen habe ich Deiner Anregung wegen einer goldenen Kette entsprochen, und die hiesige Firma Schreiber & Co Sucs gebeten, durch ihr Stuttgarter Stammhaus Geo Ehni & Co Dir eine passende Kette zuzusenden, die hoffentlich Deinem Ge­schmack entspricht. Trage sie als kleines Andenken an einen alten Freund. – – – Und das alt ist in doppelter Hinsicht gerechtfer­tigt, bin ich doch im Januar schon 50 geworden und übermorgen sind es 28 Jahre, dass ich in unsere Firma ein­trat. Eine lange Zeit, reich an Enttäuschungen, aber Gottlob auch reich an Er­folgen. Es ist eine lange und dornenreiche Bahn gewesen vom letzten Stift zum Hauptchef zu kommen, wenn mir auch in Bezug auf Kapital die anderen 3 Socii bedeutend über sind. Aber ich will damit nicht klagen: ich hätte es mir früher nicht träumen lassen, dass ich einmal ein so nettes Ka­pital haben würde. Al­lerdings musste ich es erst in den letzten Jahren wieder her­stellen, denn wir hatten enorme Verluste durch Papiergeld, Krieg etc.

Aus der geplanten Weltreise wird dieses Jahr wieder nichts, denn ich kann es nicht verantworten, so hohe Geldaufnahmen zu machen, wie das die Reise erfordert. Die 3 Billets ab San Fran­cisco bis an Genua oder Neapel kosten allein ca 17000 Dollars ohne Extraspesen und Getränke, Ankäufe etc. Dann fehlt noch die Reise Mexico-San Francisco und Italien via Deutschland etc. wieder hierher, also muss man gegen 25000 Dls rechnen. Das geht heute nicht, wo ich in Bezug auf Wohl­tätigkeit im letzten Jahr recht bedeutende Beträge ausgegeben habe. Auch machen die Eng­länder noch Schwierigkeiten bei der Durchreise durch ihre Kolo­nien und die allgemeine Lage dorten kann Einen nicht animieren.

Für heute schliesse ich mit besten Grüssen an Dich und Deine liebe Familie und den herzlichsten guten Wünschen stets

Dein alter Freund!
C. Reichert

22

México, 23. Januar 1923

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich empfing nacheinander Deine l. Zeilen vom 22. Nov., 12. und 30. Dezember und die Abrechnungen über die Lebensmittelsendungen. Von meinem Bruder etc. habe ich schon Nachricht, wie prachtvoll die Sendungen ausfielen und ich danke Dir vielmals für alle Mühe, die Du damit gehabt hast. Ich ahnte allerdings nicht, dass Du so reichhaltig sortieren lassen würdest, sondern meinte nur für jede Sendung etwas Kaffée, Zucker, Bohnen etc.

Nur von Alverdes/Offenburg hörte ich bislang noch nichts und da sie es verlangt haben, so sind diese Leutchen wohl der Ansicht, dass das ihr gutes Recht ist. Mit Alverdes habe ich schon manche Enttäuschung erlebt, und er hat mich schon ein nettes Stück Geld gekostet. Deshalb wünsche ich eigentlich keine Unterstützung mehr in dieser Form zu geben. Ich wollte, dass er ein Geschäft habe, wo er arbeiten muss mit seiner Familie. Denn die Form, einfach sich etwas kommen zu lassen, conveniert mir nicht. Sei so gut und gebe ihm das zu verstehen, dass Du nur mehr für ein richtiges Geschäft etwas geben könntest. Wenn Du ihm aber eine passende Stellung besorgen kannst, so wäre ich Dir sehr dankbar dafür.

Meine Tante aus Weiden schrieb mir ganz enthusiasmiert, wie wunderbar fein die Lebensmittelsendung war und aus den Fakturen ersehe ich, wie Du das Sortiment von O & C ausgedehnt hast.

Es muss dorten jetzt sehr schwer sein und ein kleines Bild davon kann ich mir ja machen, denn wir haben ja hier auch Papierzeiten durchgemacht, wo einem alle Werte unter den Fingern zerfliessen. Du sollst einmal sehen, wenn da mal eine Basis gefunden wird für eine neue Währung oder Stabilisierung der alten. Was hat man da an der Bilanz herumzuflicken. Ich legte mir damals ein Specialconto für die Verluste und eines für die neuen Gewinne, letztere in Gold, an. Wir hatten schliesslich auf dem Verlustconto ca. 2 Drittel unseres Kapitals stehen. Allerdings habe ich durch die jahrelange Arbeit die Geschichte wieder wettgemacht. Aber es ist eine schreckliche Geschichte.

Was eine Unterstützung für die Armen von Lautern angeht, so bitte ich Dich, Dir von Berlin extra 25 Dollar kommen zu lassen und sie im angegebenen Sinne zu verwenden.

Bassler werde ich Deine Nachricht ausrichten. Er ist scheints sehr schreibfaul.

Anbei sende ich Dir einige Marken für Deinen Kronprinzen.

Mit Deiner Bemerkung wegen eines Andenkens hast Du mir einen Wunsch, den ich schon hatte, vorweggenommen, nur weiss ich leider nicht, was Du gerne hättest. Ich halte es daher für am besten, wenn Du mir den Gefallen tust, Dir etwas Passendes auszuwählen und es mir in Rechnung zu stellen. Überreiche es dann meinem alten Freund Fröhlich und drücke ihm dabei meine Erkenntlichkeit aus für alle seine Freundlichkeit, mit der er meine Belästigungen hinnimmt und sie so tadellos ausführt. Letzteres bin ich ja von seiner Präcision gewohnt.

Habe nochmals vielen Dank für Alles und sei herzlich gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

19

México, 27. October 1922

Mein lieber Adolf!

Mein letzter Brief vom 20. ds. kreuzte sich mit Deinem vom 3. ds. und unter Rücksendung des Schreibens meines Schwagers bitte ich Dich, ihm die 300.000 Mark zur Etablierung des Bürstengeschäfts zu geben und Dir den Gegenwert von unserem Berliner Haus anweisen zu lassen. Wenn es mehr ist, als genannte Summe, so hat es nichts zu sagen. Du kannst bis zu 1000 Dls gehen, aber ich ziehe vor, wenn Du etwas Billigeres kriegen kannst, dann hat man die Möglichkeit, später mal noch nachzuschiessen, denn ich habe eine ganze Anzahl an Unterstützungen zu geben und da muss man sich doch etwas einrichten. So dick sitzen mir die Dollars auch nicht!

Handle also nach bestem Ermessen. Du brauchst mich nicht zu fragen im Rahmen obigen Limits, denn das verstehst Du doch besser als ich. Wenn die ganzen 1000 Dls nicht benötigt werden, so ziehe bitte nur das, was Du brauchst: Du kannst dann später mehr haben. Es ist auch gut, wenn Alverdes an mich schreiben muss, wenn er mehr braucht, sonst denkt er, der mexikanische Knochen soll blechen. Hier ist der Zinsfuß nämlich 12 %, und da macht man nicht gerne Depots!

Anbei noch Copie meines letzten Briefes.

Nochmals herzlichen Dank für Deine Bemühung, und wenn ich Dir dienlich sein kann, dann – con mucho gusto.

Der junge Hünerfauth war auf der untergegangenen Hammonia [!] und ist jetzt wieder unterwegs. Er kommt ca. 4. November in Veracruz an, und ich werde mich gerne seiner annehmen.

Mit vielen Grüssen

Dein
C. Reichert

18

México, 20. October 1922

Mein lieber Fröhlich!

Vielen Dank für Deine frdl. Zeilen vom 25. pti und Deine Bereitwilligkeit, mir in Sachen Alverdes etc. gefällig zu sein.

Von Offenburg habe ich keine Nachricht erhalten, möchte aber keine Zeit verlieren und habe deshalb unser Berliner Haus angewiesen, Dir oder der Firma O & C den Betrag von 1000 Dollars zur Verfügung zu stellen. Hoffentlich kommt dadurch und Deine freundliche Überwachung der liebe Schwager in ein richtiges Geleis. Vielleicht hast Du gelegentlich Zeit, mir einige Worte zu sagen, wie die Sache läuft, denn so wie ich ihn kenne, wird er kaum Zeit finden zum Schreiben. Wenn es ihm einigermassen geht, braucht er mich nicht.

Was die Lebensmittelsendungen angeht, so danke ich Dir sehr für Deine Bereitwilligkeit und mache davon Gebrauch, indem ich Dich bitte, an beiliegende Adressen passende Lebensmittel zu senden, deren Auswahl besser Dir überlassen bleibt. Wenn Du etwas Weihnachtsgewürz, Chokolade, Rosinen und dergl. beifügen kannst, ist das angenehm, ebenso vielleicht Schmalz, Kaffé etc. Nun, Du weisst ja, was man da geben kann.

Für diese Sendungen füge ich einen Check über Dls 100.– hier bei auf die Bank of Montreal, Newyork. Solltest Du den Check nicht selbst gebrauchen können, so kannst Du ihn durch die Deutsch-Südamerikanische Bank, Berlin, einziehen lassen oder durch unser Berliner Haus.

An die 3 Adressen lasse bitte 3 Postkarten schreiben mit Versandanzeige und Angabe, dass die Sendung auf meinen Wunsch erfolgt. Alle Auslagen bitte in Rechnung zu stellen. Für Deine Freundlichkeit sage ich Dir recht vielen Dank.

Der junge Hünerfauth schrieb mir heute. Er war auf dem untergegangenen Dampfer Harmonia und kommt nun mit einem andern anfangs November hier an. Ich werde ihm gerne behilflich sein.

Mein Töchterchen reist auch in diesen Tagen drüben ab, und ich erwarte sie Mitte November.

Zu Deinen Ehrenämtern gratuliere ich Dir herzlich. Wenn man dadurch auch viel zu tun hat, so liegt doch eine Anerkennung Deiner Tätigkeit und Bedeutung darin, die Dir Befriedigung gewähren muss.

Für heute schliesse ich und begrüsse Dich als

Dein alter Freund!
C. Reichert

17

MEXICO, D. F., 5. Septbr. 1922

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich schrieb Dir unterm 10. Mai, erhielt aber inzwischen keine weitere Nachricht von Dir. Möglicherweise ist mein Brief verlo­ren gegangen. Leider habe ich ihn auch nicht kopiert und kann daher keine Copie nachschicken für den gedachten Fall. Der Hauptzweck meines damaligen Schreibens war, bei Dir wegen mei­nes Schwagers Leo Alverdes, Offenburg, Baden, anzufragen & Dei­nen Rat zu erbitten.
Ich bekomme von meiner Schwester immer Jammerbriefe und habe es mir schon einen hübschen Posten Geld kosten lassen, dem guten Mann etwas zu helfen. Aber bis dato scheint der Erfolg ganz mi­nimal zu sein, denn wenn ich einen Betrag sende und sage, fangt damit etwas an, womit Ihr Euer Leben machen könnt, so höre ich nichts mehr, bis nach einigen Monaten ein neuer Klagebrief kommt. Ich habe jetzt so viele Sachen am Bein, dass ich schon fast die Geduld verloren habe. Eine ganze Anzahl von Verwandten erinnert sich meiner jetzt, und wenn ich auch sehr gerne helfe, so muss ich doch etwas ein­teilen und dann kann nicht Jeder Mil­lionen bekommen. Das Ende vom Lied wird sein, dass man mir das als Knickrigkeit auslegt und es mir verübelt. Aber das geht ja gewöhnlich so. Jeder denkt, ich habe mich über 27 Jahre herum­geplagt, um ausge­rechnet IHM zu helfen. Na, das ist so eine Ge­fühlsexplosion, die Dir nur meinen Standpunkt angeben soll.
Also Leo Alverdes betreffend. Er hat seit Monaten nichts von sich hören lassen und wohl das Kapital, das ich ihm sandte, nach & nach aufgefuttert. Hast Du Dich mit ihm in Verbindung gesetzt? Sollte man ihm nicht einen Tabakladen oder einen klei­nen Kolonialwarenladen aufmachen. Eventuell auch Zuckerbäcke­rei? Das ist, was er, bezw. meine Schwester ver­stehen. Ich wäre conform, ihm dazu noch 1000 Dollars zu ge­ben, aber nur, wenn er etwas unter Deiner Kontrolle anfängt, nicht dass er evtl. sich Dampferbillets besorgt und geht nach Südamerika, denn ich hörte was von solchen Plänen. Bei seinem Alter von ca 50 Jahren geht das unbedingt schief.
Sollte also in diesem Sinn was zu machen sein, so wäre es mir sehr lieb, wenn Du ihm behilflich sein könntest. Vielleicht hast Du etwas Passendes an Hand. Also er versteht Tabak etc. und meine Schwester Conditoreikram. Sie war früher beim Hofkon­ditor Koch am Schillerplatz. Ich wäre Dir dankbar, wenn Du da­bei helfen möchtest, ein gutes Werk zu tun.
Dann habe ich noch ein Anliegen. Ich möchte zu Weihnachten an verschiedene Verwandten, die fast alle im unbesetzten Gebiet wohnen, Sendungen von Lebensmitteln machen. Also Zucker, Kaffe, Linsen, etc., etwas Chokolade etc. Je etwa 25 Dollar. Könnt Ihr das im Geschäft besorgen oder ist es besser, wenn ich mich nach Hamburg wende? Es können etwa 200 Dls zusammen werden.
Ich hoffe, bald von Dir wieder mal zu hören, danke Dir im Vor­aus für Alles und bin mit vielen Grüssen stets

Dein alter Freund & Kampfgenosse
C. Reichert