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MEXICO, 4. März 1922

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt heute Deine l. Zeilen vom 13. Februar und es freut mich, aus den darin enthaltenen Angaben zu ersehen, dass es der alten Firma O & C doch nicht ganz so schlecht gehen kann, wenn sie ein Personal von 70 Personen beschäftigen muss und der Monatsumsatz so in die Millionen geht. Drüben ist das Geld immerhin noch etwas wert und nur die aus dem Ausland zu beziehenden Waren erscheinen sehr teuer. In Wirklichkeit ist das auch nur eine Illusion. Wenn man hier allerdings in Mark zum jetzigen Kurs umrechnet, so ist man gerade kein armer Mann, aber das ist auch nur eine Illusion! Wenn die Dinge so weiter gehen, so können wir bald von lauter Illusionen leben.

Ich beglückwünsche Dich auch zur Ernennung als Vorstandsmitglied der Handelskammer recht herzlich. Es freut mich, dass man Deine Tüchtigkeit und Fleiss anerkennt. Du hast es nicht gerade leicht gehabt, in Deiner Lage Dich in die Höhe zu arbeiten und umso befriedigter kannst Du sein, dass Du das aus eigener Kraft geschafft hast. Das hätte man sich früher bei O & C nicht träumen lassen.

Die Nachrichten von drüben lauten ja sehr wenig anmutend, aber der leidige Socialismus ist eine Weltkrankheit geworden und muss sich halt austoben. Auch hier werden die blödesten Sächelchen geleistet, denn sogar die Regierung ist teilweise direct kommunistisch angehaucht. Eine Garantie ist die Nähe der Vereinigten Staaten, die sicher eingreifen, wenn es gar zu toll wird. Wir haben es nicht gerade schön heutzutage, und die mageren Jahre halten sehr lange an. Aber man muss sich damit abfinden und noch zufrieden sein, denn Anderen geht es noch schlechter.

In diesem Gedanken möchte ich Deiner Anregung entsprechen und sende Dir anbei Check über M 10000.– a/ Deutsch-Südamerikanische Bank, Berlin, als Spende für die Oberreal­schule, die Du nach Deinem Gutdünken verwenden kannst. Es soll mich freuen, wenn ich einigen Leutchen etwas helfen konnte.

Oscar Ottmann habe ich in die Agentur der Musikwarenfabrik M. Hohner, Trossingen, hier, lanciert, wo er eine ganz passable Stellung hat. Hoffentlich hält er da aus. Er ist ein braver Kerl, aber etwas unbeständig.

Sonst für heute nichts Neues. Sei vielmals gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

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