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MEXICO, D.F., 8. Mai 1926

Mein lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 8. April, deren Inhalt mir sehr interessant war. Man hört nur so im Allgemeinen die Kla­gen über die deutschen Verhältnisse, aber ein concreter Fall, wie der Eurige, beweist die Wahrheit der Nachrichten. Wenn schon eine so bedeutende Firma, wie Ottmann & Co zu leiden hat, wie mag es erst den Anderen gehen?

Das elende Fieber der Politik und Unzufriedenheit, das durch die ganze Welt geht, hat überall bösen Schaden gestiftet und gebessert hat es nichts. Hier geht es auch wieder etwas brenz­lich, aber man gewöhnt sich nach und nach daran.

Wir selber können nicht klagen und haben voll zu tun. Aller­dings darf man nicht zu ängstlich sein und muss was riskie­ren. Ich sorge aber immer für Reserven in guten Zeiten und riskiere dann, sodass man immer Aussicht hat, weniger als die Reserven – im schlimmsten Fall – zu verlieren. Damit bin ich bisher immer noch gut gefahren, ausgenommen die Schlappen der ersten Revolu­tion, die mehr Mordbrennerei als sonst etwas war, und dann die Folgen des auch für uns fatalen Weltkriegs.

Herr Heger schrieb mir, Euer Herr Klinger wünsche einige mex. Briefmarken. Gerne sende ich Dir anbei Einiges für ihn. Ist derselbe eigentlich verwandt mit der Familie Klinger, die frü­her in der Nähe des Stadtparks wohnte? Ich correspondiere noch immer mit Frl. Marie Klinger, einer alten Tanzstunden-Bekannt­schaft, die jetzt in Berlin wohnt.

Ich werde mir vormerken, was Du mir durch Herrn Heger lies­sest sagen wegen weiterer Geld-Anliegen und werde mich vorher erkun­digen. Ich schrieb Dir fast immer darüber. Da die Bitte aber von H. Heger kam, wusste ich, dass die Sache in Ordnung war.

Gleich heute möchte ich von Deiner Intervention wieder Ge­brauch machen und umso lieber, als ich weiss, dass Du selber Spass daran hast, etwas Gutes zu tun.

Unter unserem Personal haben eine Anzahl einen Haupttreffer in der Lotterie gemacht. Ein Herr Luis Brauer erinnerte sich dann seiner deutschen Abstammung, wenn er selber auch Mexika­ner ist, und bat mich, aus seinem Gewinn den Betrag von 1000 Mark einer wohltätigen Sache in Deutschland zuzuweisen. Was könnte mir lieber sein, als es der alten Heimat zu geben? Ich bitte Dich also, Dir von u/ Berliner Contor den Betrag kommen zu lassen und ihn einer Waisenanstalt oder dergl. zuzuweisen. Auch der Pfälzer Waldverein ist mir recht. Im Namen von Luis Brauer! Hast Du Zweifel, so warte den Besuch meiner Tante und meines Sohnes Albert ab, die übermorgen nach drüben reisen. Sie werden etwa Mitte Juni von Frankenhausen aus eine Tour über Dresden, Bayern, Schweiz machen und auch Kaiserslautern einen kurzen Be­such abstatten. Leider bin ich so in Anspruch genommen, dass ich hier bleiben muss und warten, bis ich mal leichter abkommen kann. Die Zeiten sind sehr schwierig und durch die Übernahme des Postens als Vorsitzender u/ Deutschen Handelskammer und der Steingutfabrik habe ich zu meinem son­stigen Kram mir noch mehr aufladen müssen, sehr gegen meine Neigung. Die famosen beiden Excursionen von Deutschen nach Mexiko haben ein sehr minimales Resultat ergeben, und die me­xik. Studienexcursion wird auch nur eine Spazierfahrt werden. Die Deutschen Herren kamen hierher in der Annahme, Mexiko zu „entdecken“ und waren sehr erstaunt, als sie den schon ziem­lich regen Handel sahen.

Mit der Deutschen Schule habe ich nichts mehr zu tun. Ich hatte die Sache 11 Jahre und nun sollen sich mal andere amü­sieren.

Meine Verwandten werden Dich dorten also aufsuchen und Dir meine herzlichen Grüsse überbringen und Dir über mich erzäh­len.

Grüsse mir bestens meine alten Bekannten und sei selber herz­lich gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

 

Anlage:
Copie Accredit, Contor Berlin.
Marken

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