Adolf Fröhlich (1)

Der Großvater von Adolf Fröhlich, Maximilian Fröhlich, wurde 1804 als Hirsch Eliser, Sohn von Eliser Hirsch und Rachel Loeb in Gauersheim geboren. 1808 wurden die Juden durch das Napoleonische Namensdekret verpflichtet, Familiennamen anzunehmen. Eliser Hirsch nahm für seine Familie den Namen Fröhlich an, sein Vorname wurde Ludwig, seine Frau wählte den Namen Regina, ihren Sohn nannten die beiden Maximilian. Noch vor seiner Hochzeit 1828 mit Marianna Grünebaum übersiedelte Maximilian Fröhlich nach Kaiserslautern. Er starb 1858, sein Grab war das erste auf dem neu angelegten jüdischen Friedhof in Kaiserslautern. Sein einziger Sohn Ludwig – neben drei früh verstorbenen Töchtern – heiratete Regina Kohlberg.

Ludwig Fröhlich war Viehhändler, und da er von den eigenen Kühen Milch verkaufte, wurde er in Kaiserslautern ,Milch-Jud‘ genannt. Das bäuerliche Anwesen in der Schmiedstrasse 4, das er bewohnte, bestand aus einem zweistöckigen Haus mit Mansarden, eine große Toreinfahrt führte zu Scheune, Stall und Schuppen. Im Hof mit Gärtchen war ein Brunnen „mit vorzüglichem Wasser“ (Nachlaß AF, dort auch die folgenden Zitate soweit nicht anders angegeben). Hier wurde Adolf Fröhlich am 27. April 1872 als siebtes von acht Kindern geboren. Das jüngste Mädchen Amalie wurde nur zwei Jahre alt. Die vier älteren Brüder Max (1858–1941), Elias (1861–1921), Jakob (1863–1932) und Leopold (1869–1923) wanderten früh nach Amerika aus: Max und Elias 1874 mit 16 und 13 Jahren und Jakob mit Leopold 1884, 21 und 15 Jahre alt. Brüder der Mutter waren schon 1839 ausgewandert, so daß Adolfs Brüder eine Anlaufstelle hatten. Die beiden Schwestern Johanetta (1860–1920) und Rosalie (1866–1957) blieben unverheiratet im Haus der Eltern wohnen.

Nach Volks- und Realschule trat Fröhlich 1889 als kaufmännischer Lehrling bei der Großhandelsfirma Ottmann in Kaiserslautern seine erste Stelle an. Ein Jahr nach ihm begann dort auch Karl Reichert seine Lehrzeit. Fröhlich wechselte nach zwei Jahren zu anderen Unternehmen in Deutschland, kehrte aber wieder zu Ottmann zurück. Er wohnte bei seinen Eltern und Schwestern und lieferte fast den gesamten Lohn zu Hause ab.

Am 19. Dezember 1912 heiratete er Susanne Gotthold, Tochter des Kaufmanns Carl Gotthold und der Susanne Weber. Sie war keine Jüdin, und man darf annehmen, dass sein Vater mit der Verbindung nicht einverstanden gewesen war. Nachdem die Mutter bereits 1905 gestorben war, fand die Hochzeit recht genau ein Jahr– das obligate Trauerjahr – nach dem Tod des Vaters im Dezember 1911 statt. Adolf Fröhlich war schon 41, Susanne Gotthold 35 Jahre Jahre alt. Nach einer Hochzeitsreise nach Oberitalien bezogen sie eine Wohnung in der Medicusstrasse. 1913 wurde das erste Kind, Gertrud, geboren. 1914 folgte Franz, 1916 Ilse und 1919 Werner. Die beiden ersten Kinder wurden zusammen mit Ilse 1916 evangelisch getauft, Werner gleich nach der Geburt.

Goethe

Es war nichts Jüdisches in die Familie tradiert worden. In all den Unterlagen findet sich nicht der geringste Hinweis auf Kontakte mit der jüdischen Gemeinde. Fröhlich zahlte die Kultusumlage, seine Frau die Kirchensteuer. Aber das Judesein war für ihn belanglos. Erst 1940 trat er allerdings aus der Gemeinde aus und ließ sich als freireligiös registrieren. Was für ihn zählte, war die Pfalz als Heimat, war Deutschland als Vaterland – und Goethe. In seinem Testament schrieb er: „Ich empfehle jedem der Kinder Goethes „Dichtung und Wahrheit“ und „Wilhelms Meisters Lehrjahre“ zu lesen, namentlich im letzten Roman den Lehrbrief und die „Bekenntnisse einer schönen Seele“.

Dem entspricht, was der junge Wiener Kunsthistoriker Ernst Gombrich über seine jüdischen Eltern schrieb: „Das geistige Zentrum, der entscheidende Einfluß für das junge sozusagen emanzipierte Bürgertum war Goethe. Ihre Religion war die Religion Goethes. Und Goethe hatte ja sowohl das Christentum abgelehnt, als auch das Judentum. Er hat sich als Heide empfunden. Seine Religion war Ehrfurcht vor der Natur, vor der Wissenschaft und Kunst“ (Koelbl, S. 86). Und Georg Stefan Troller, ebenfalls Jude, sagte: „Aber wir waren ja nicht eigentlich religiös. Häufig hatten wir den Gottesglauben gegen den Goethe-Glauben eingetauscht. Die assimilierten Juden glaubten fast mehr an die deutsche Kultur als an Gott“ (Koelbl, S. 45).

Familie

Sehr wichtig war für Fröhlich die Familie, und wie Troller über seinen Vater, so könnte man über Fröhlich schreiben: „Und meist geht es um die Familie. Mein Vater sah sich bestimmt als beispielgebend an. Was er tat, mußte in jedem Moment so sein, dass seine Söhne es nach machen konnten“ (Koelbl, S. 49). Fröhlich war enorm stolz auf die guten schulischen Leistungen seines Sohnes Franz, den er deutlich bevorzugte, ihn aber später sicherlich stark belastete durch seine hohen Erwartungen. Er hatte feste Pläne. 1926 schrieb er: „Meine beiden Buben hoffe ich später nicht ins Geschäft zu nehmen, denn meine Absicht besteht, ihnen ein perfektes Studium geben zu lassen.“ Franz und Werner besuchten das Humanistische Gymnasium (heute Albert Schweitzer Gymnasium), Gertrud und Ilse bis zu Mittleren Reife die Höhere Weibliche Bildungsanstalt (HWB, heute Burggymnasium). Als Vater kümmerte er sich um schulische Belange, so wie um den häuslichen Klavierunterricht – er bedauerte die Kündigung des Musiklehrers Umlauf, da „der Franzl jetzt in den Massenunterricht des Gymnasiums muß“ –, um Fahrradunfälle, Knochenbrüche und Prellungen. Ein sehr heikles Unterfangen war immer das Zurechtkommen mit dem häuslichen Personal. Er organisierte das Einstellen der Dienstmädchen, zog Erkundigungen über ihre Befähigungen ein, sorgte für eine Krankenschwester zur Wochenbettpflege seiner Frau und griff besänftigend ein, wenn die Mädchen kündigten, da seine Frau eine wenig einfühlsame Art hatte, mit ihnen umzugehen. Vielleicht läßt sich hier, in der umfassenden großen Sorge um die Familie eines zudem beruflich außerordentlich engagierten Vaters eine jüdische Tradition erkennen. Die Familie galt im Judentum als „Grundpfeiler der sittlichen Weltordnung“, das Familienleben wurde stets als heilig angesehen. „Auf seiner Innigkeit beruhte zu nicht geringem Teil die Anziehungskraft des Judentums“, so das Handbuch des jüdischen Wissens 1937.

Fröhlichs beruflicher Aufstieg ging stetig voran: Bei Ottmann stieg er über den Prokuristen zum Gesellschafter auf. Auch außerhalb der Firma war er vielfältig engagiert. „Bei Kriegsausbruch [1914] wurde die Festung Germersheim auf Grund eines von mir mit dem Kriegsministerium München angefertigten Planes mit Lebensmittel versorgt. Diese umfangreichen Arbeiten habe ich ganz allein zur Zufriedenheit der Indendantur ausgeführt. Ich bin selbst nicht Kriegsteilnehmer gewesen. Und zwar 1. weil ich damals schon herzleidend war und 2. weil ich von verschiedenen Kommunalverbänden wegen der Lebensmittelversorgung der Pfalz reclamiert wurde.“ 1930, nachdem die französische Besatzung abgezogen war, konnte er berichten: „Während der separatistischen Geschichten war ich ja bei dem „Geheimen Aktionskomitee“ der deutschen Regierung, das in Heidelberg tagte und ich könnte Vieles erzählen über das ich bisher schweigen mußte (Zensur durch die Besatzungsmacht): […] oftmals ging ich in besonderer Mission über den Rhein um die Lebensmittelversorgung der Pfalz instand zu halten und für all die Mühen und Arbeiten wurde mir ja auch von München aus um sonst der Kommerzienratstitel verliehen. Trotzdem habe ich 1925 eine Summe von 5000.- RM für die Armen der Stadt Kaiserslautern freiwillig gespendet“. Fröhlich war sehr stolz auf den nicht käuflich erworbenen Titel.

(wird fortgesetzt)

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