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15Mexico, 15. April 1925

Mein lieber Fröhlich!

Ich empfing Deine l. Zeilen vom 17. Febr. & Postkarte vom 24. März aus Meran, die mich aus der Sorge um Dich befreit hat, klang doch die Liste von Krankheiten, die Du alle durchzumachen hattest, wirklich besorgniserregend. Ich freue mich, dass  Deine gute Natur Dir über alle diese Kalamitäten hin­weggeholfen hat & hoffe, dass Du vollkommen wiederhergestellt in die Heimat zurückgekehrt bist. Mit vorrückendem Alter muss man ja leider der Natur immer Tribut bezahlen & viele Jahre lange Arbeit, wie sie uns Beiden zugemessen war, in Kriegs- & Revolutionszeiten noch dazu, tut das Übrige!

Letzten 11. März waren es 30 Jahre, dass ich hier angekommen war. Einige Tage vorher war ich nach Cuernavaca ausgekniffen, um allen möglichen Geschichten aus dem Weg zu gehen. Da kam ich aber vom Regen in die Traufe, denn an einem Tag kam eine Abord­nung unseres Personals, am nächsten einige meiner nähe­ren Freunde & in der Pension gab es dann auch noch einmal ein Fest, sodass ich dann 3 Tage feiern musste. Da wäre ich lie­ber hier geblieben. Meine Associèes stifteten mir 2 pracht­volle Palmen & einen grossen Perserteppich. Unter den Palmen rauche ich nun abends meine Cigarre.

Ich selbst habe vor, mir als Gratifikation nun dieses Jahr die lange erträumte & ersehnte Weltreise zu gönnen, die 1922 aus verschiedenen Gründen nicht zur Ausführung kam. Ich wollte ei­gentlich warten, bis ich meinen Söhnen Prokura geben könnte, denn ich habe absichtlich diese Lücke zu gunsten mei­ner Jungens offen gelassen. Sie sind mir noch zu jung mit 22 1/2 J., wenn ich auch selbst in diesem Alter schon Prokura bekam. Da aber bei einer längeren Abwesenheit meinerseits die Notwendigkeit vorliegt, für die puren Kassensachen, Monierun­gen etc. jemanden zu haben, der die anderen beiden Associés entlastet & ich sonst nicht reisen könnte, so werde ich wohl beiden Söhnen zusammen mit 2 älteren, höheren Angestellten Collectiv-Prokura geben. Wir haben geschäftlich in den letz­ten Monaten einen gehörigen Ruck aufwärts getan & da kann sich die Maschine einmal etwas verschnaufen. Und diese Pause will ich benutzen. Ich kann dann sehen, wie die einzelnen Herren, wenn ich mal fehle, sich be­währen & danach eine Mass­nahme treffen.

Meine Absicht ist, später jeden Monat 8 Tage in Cuernavaca zu verbringen, wo ich mir eine kleine Wohnung einrichten werde, denn das Klima sagt mir sehr zu.

Wenn also nichts dazwischen kommt, will ich im Herbst über Ca­lifornien, Hawai, Japan, Hongkong, Java, Ceylon, Indien, Ägyp­ten nach Italien & Schweiz kommen & dann noch einige Zeit in Deutschland sein. Hoffentlich können wir dann ein paar Tage zu­sammensein & uns viel erzählen. Auf die Reise freue ich mich sehr & wünsche nur, dass sie nicht zu Essig wird: „so mancher hofft und hofft vergebens“!

Der alte Geheimrat Dr. Paasche hatte auch noch alle möglichen Pläne, etwas viel für seine 75 Jahre. In Detroit hat er eine Lungenentzündung bekommen & ist daran gestorben. Es hat mir sehr leid getan, denn er war ein sehr lieber Mann.

Hast Du von Arthur Ottmann nicht mehr gehört? Er muss wohl nach Aufhören des Papier-Schlamassels wieder besser ab sein? Wie geht es bei Euch im Geschäft? Wer vertritt Dich eigent­lich bei Deiner Abwesenheit? Die alten Herren Schneider & He­ger können kaum viel unternehmen?

Meine Tochter ist mit ihrem Mann & dem Kleinen Ende März nach drüben abgereist & sie wollen ihren Wohnsitz bei Veerkamp’s Mutter in Kitzingen aufschlagen.

Bassler geht es gut. Von Rheinberger hatte ich auch Nach­richt. Geht es den alten Pensionären, die wir in der Papier­zeit bedacht haben, nun etwas besser?

Hat man Dir eigentlich damals die Uhrkette gesandt & ist sie nach Wunsch ausgefallen?

Für heute muss ich schliessen & verbleibe mit herzlichen Grüs­sen & guten Wünschen für Deine Gesundheit stets

Dein alter Freund
Reichert

Viele Grüsse an die Herren Schneider & Heger.
Was macht Peter Wolf?

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