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Mexico, 4. Mai 1927

Mein lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 4. und 12. April und las mit grossem Interesse von der Abwicklung mit der Firma Ottmann. Zuerst sprichst Du von 140ooo Mk und dann nur von 80ooo Mk: ich hoffe, dass man Dir nicht noch Abzüge gemacht hat, was man allerdings nach Allem, was Du mir über die Affaire sagst, erwarten konnte, denn Dankbarkeit findet man bei der nächsten Generation nicht. Das haben schon grosse Leute mitmachen müs­sen. Ich lese gerade den Roman von Strobl über Bismarck, die Trilogie „Runen Gottes“. Da kann man auch so Einiges von men­schlicher Dankbarkeit lesen. Geleistete Dienste werden selten oder nie anerkannt. Ich erinnere mich da an eine Anekdote von dem mexik. Präsidenten Juarez. Der hatte einen Freund, dem er viele Gefälligkeiten getan hatte. Der Kern wandte sich dann gegen ihn. Da meinte er: Es genügt meistens, jemanden einen Dienst erwiesen zu haben, um einen Feind mehr zu haben. Ganz so niederdrückend sind nun meine eigenen Erfahrungen nicht, aber einiges Üble habe ich doch erlebt.

Es ist übrigens eine grosse Anerkennung für Dich, dass Du die Ehrenämter beibehalten hast und das gibt Dir Gelegenheit, Dich gelegentlich mal an einer Sache zu beteiligen, die Dei­ner Begabung entspricht, ohne allzuviel schuften zu müssen. Ich meine, Du solltest da mal an eine Bankstellung denken, um nicht den ganzen Tag angespannt zu sein. Es ist sehr schwierig, sich seinem Alter entsprechend einzustellen. Ich bemühe mich auch innerhalb unseres Betriebs, aber da kommen Zeiten, wie jetzt gerade, wo man mehr arbeiten muss als je. Die Lage ist hier recht brenzlich und ich fürchte, sie wird sich so schnell nicht zum Guten und zur Ordnung wenden. Die Zeitungen haben Censur und als Ausländer tut man besser, seinen Schna­bel zu halten und nichts zu sagen.

Dass unter diesen Umständen an die so lange ersehnte Reise nicht zu denken ist, wirst Du begreifen. Meine Verantwortung ist zu gross & es heisst, das Steuer in der Hand behalten.

Das erwähnte Buch von Ludwig kenne ich und besitze es schon, denn ich liebe es, auch andere Meinungen zu hören. Waldersee und Zedlitz, die hohe Ehren eingeheimst haben und sich dann hinsetzten, um Dinge niederzuschreiben, die man nur im Zusam­menhang verstehen kann, sind in meinen Augen Lumpen. Und Lud­wig macht ein Geschäft daraus, einen Mann mit Dreck zu bewer­fen, dem er sicher hinten hineinkriechen würde, wenn der Krieg anders ausgegangen wäre. Sei die Sache, wie sie wolle, ein anständig denkender Mensch sollte ruhig sein, denn wenn man jetzt über den Kaiser schimpft, so sollte man bedenken, dass alle Welt ihn früher anhimmelte. Warum haben diese Tröpfe denn nicht früher ihr Schandmaul aufgerissen? Jetzt, nachdem der Mann gefallen ist, sollte man ihn in Ruhe lassen. Es ist eine recht hässliche Sache. Ich selber denke auch, dass es nicht convenieren kann, den Kaiser wieder ans Ruder zu bringen, aber man sollte doch seinen Frieden mit ihm ma­chen und nicht die Verbannung aufrecht zu erhalten. Das er­zeugt böses Blut. Ich kann mich jedenfalls nicht mit einer Republik befreunden, die auf Lügen aufgebaut ist. Alle Welt hat eingesehen, dass der Kaiser geradesowenig und geradeso­viel Schuld hatte am Krieg, wie andere auch und die November­tage 1918 enthalten viele Hundsgemeinheit. Siehe das Prinz­chen Max von Baden, dieser armselige Herr. Na, lassen wir den Kram beiseite, meinen Standpunkt sehe ich nur immer mehr be­festigt durch das, was man sieht in der Welt. Der ganze Kram geht zum Deibel mit dem Parlamentarismus und den Volksfrei­heiten.

Mein Ältester ging wieder von seinem Urlaub in die Marine zu­rück und er schrieb mir, er müsse wohl nach China oder Nica­ragua. Aber ich habe seit 2 Monaten keine Nachrichten mehr von ihm.

Ein Billet kostet Newyork-Laredo-Mexico etwa 110 Dollars. Dazu kommt Pullman. Billiger reist man mit der Ward-Line ab Newyork via Veracruz. Da Du nach Arkansas musst, conveniert es Dir, die Herreise über Newyork per Bahn über Laredo zu ma­chen und die Heimreise über Veracruz direkt nach Europa. Je nach den Ansprüchen, die man macht, kann man billiger oder teurer reisen. Das Mittel-Europäische Reisebureau oder Hapag kann Dir die näheren Preise angeben. Es wäre sehr schön, Dich mal hier zu sehen, denn es ist ein interessantes Land und mal ganz was Anderes. Mich zieht es nicht nach Deutschland, denn ich kenne vieles und heute kann es mir nicht imponieren mit seinem Parteigezänke und alle dem Quatsch, der verzapft wird. Man sollte mal die Politik 10 Jahre ausschalten in der ganzen Welt und die Hauptschweinigel bei Wasser und Brot einige Jahre gefangen setzen, damit ihnen die Hetzerei vergeht.

Wegen der mexik. Papiere kann ich Dir nichts Bestimmtes sa­gen, denn ich bekümmere mich nicht darum. Hier arbeitet fast Niemand darin und Niemand kauft heute solches Zeug. Drüben wird viel mehr darin gemacht. Ich habe eine hiesige Firma ge­beten, durch ihre Frankfurter Verbindung sich mit Dir ins Be­nehmen zu setzen, aber die Leute haben kein Interesse daran und wenn sie es tun, dann nur aus Gefälligkeit. Ich würde Dir abraten, Dich sehr damit zu befassen, denn die Lage ist zu unklar. Es haben schon Viele ihre Finger daran verbrannt. Fast einfacher ist es, rouge et noir zu spielen. Da weiss man gleich Bescheid und braucht sich nicht lange den Kopf zu zer­brechen.

So, nun habe ich für heute eine Menge zusammengetippt. Lasse bald und viel von Dir hören: Du hast jetzt mehr Zeit wie ich!

Mit herzlichen Grüssen bin ich stets
Dein alter Freund
C. Reichert

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