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Mexiko, 28. Juli 1926

Mein lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine frdl. Zeilen vom 10. Juni nebst den Beila­gen wegen der verschiedenen Zahlungen, die ich Herrn Brauer gezeigt habe & anbei zurücksende. Hier wird immer so viel ge­sammelt, daß die meisten Leute recht dickfällig geworden sind. Die Ansprüche sind enorm. Wir haben hier für alle mög­lichen Dinge, die die Deutschen angehen, wie Schule, Hilfs­verein, Krankenkasse, Handelskammer, Reichsverband etc., per­manent zu blechen. Dann ist hier im Land immer etwas los, wo eingegriffen werden muss. Religiöse Schulen haben wir ca. 50 Stück auf unserer Liste. Und dann hat fast jeder Verwandte drüben, die Hilfe haben wollen, wenn sie auch im umgekehrten Fall sich kaum mehr an einen erinnern könnten. Wo aber die Möglichkeit ist, denke ich gerne an meine alte, liebe Heimat.

Aus Deiner Postkarte aus Badenweiler ersehe ich, dass meine Leute bei Dir waren & Dir ein wenig von uns erzählen konnten. Ich hoffe nach ihrer Rückkehr auch über Dich etwas erzählt zu bekommen. Auch das Heft über den Nahrungsmittel-Grosshandel habe ich erhalten mit Deinem Bild als Vorstandsmitglied. Du kannst stolz auf Deine Leistungen & Dein Aufwärtskommen sein, denn Du hast das allen Quertreiberreien zum Trotz geschaffen. Ich wünsche Dir herzlich, dass Du gesund im Kreise der Deinen die Früchte Deiner Anstrengungen bis in ein hohes Alter ge­niessen kannst. Da ich nicht weiß, ob Du die Zeitschrift noch benötigst, habe ich sie Dir lieber zurückgeschickt.

Frl. Klinger ist die Tochter des verstorbenen Postmeisters, der in der Pirmasenser Strasse wohnte. Ich kenne sie von den Tanzstunden her & war mit ihr beim Tanzstundenball Vortänzer. Alte, längst verklungene, aber schöne Zeiten!

Du schreibst mir leider immer so knapp über geschäftliche Dinge, die mich, was O & C betrifft, immer sehr interessie­ren. Was Detailverkauf betrifft, so sind wir hier längst dazu gezwungen worden, ohne jedoch den Engros aufzugeben. Unser Detailgeschäft hält die Sache aufrecht & deckt die Unkosten, wenn mal der Engros durch die ewigen politischen Geschichten von Zeit zu Zeit versagt. Im Innern des Landes machten wir vor 1919 an größeren Plätzen, wo wir nichts mehr am Kunden verkaufen konnten, selber grosse Filialen auf & setzten un­sere besseren Leute hinein, um uns so den Umsatz zu erhalten. Die Revolutionen mit ihren Inflationen zwangen uns schon 1915/16, nach und nach damit abzubauen, weil wir wegen des Krieges nicht mehr nachsortieren konnten. Und jetzt sind die Dinge so, dass mangelndes Vertrauen es uns möglich macht, das Engroß-Geschäft recht gut zu forcieren. Im letzten Jahr haben wir fast 6 Millionen Mark umgesetzt, in unserem Krims-Krams schon allerhand. Unsere Konkurrenz ist ziemlich kalt ge­stellt, nachdem sie im Krieg unter Hilfe der Schwarzen Liste fast alles an sich gerissen hatte.

An Peter Barth, den Stenographie-Lehrer, erinnere ich mich sehr gut, dagegen weiss ich nicht, wo ich Zenker unterbringen soll.

Die Steingutfabrik ist ein deutsches Unternehmen, an dem wir mit Kapital beteiligt sind. Auch bearbeiten unsere 12 Reisen­den im Innern den Verkauf der Fabrik mit. Wir haben also In­teresse an dem Gang der Sache & deshalb liess ich mich breit­schlagen, den Vorsitz zu übernehmen. Daß ich den gleichen Po­sten in der hiesigen Deutschen Handelskammer übernommen habe, schrieb ich Dir, glaube ich, schon. Das mir ebenfalls angebo­tene Konsulat musste ich aber abweisen, denn ich kann nicht so vielerlei besorgen, man fühlt es doch, daß man über die 50 hinaus ist. Ich möchte mich nicht noch mehr binden, als das schon der Fall ist, sonst macht man mich „hin“. In meiner Freizeit zerstreue ich mich mit meinen Briefmarken, die mir viel Spass machen. Von ganz Alt-Deutschland fehlen mir nur noch 2 Braunschweiger, es ist also schon eine Sammlung, die sich sehen lassen kann. Im Ganzen habe ich 32000 verschie­dene, darunter ganz nette Seltenheiten.

Interessant war mir das Festprogramm der 650 Jahr-Feier von unserem alten Lautringen. Da ist doch schon manches Tröpfchen die Lauter hinuntergeflossen. Hoffentlich haben meine Leute in der Pfalz gutes Wetter, damit mein Albert die Vaterstadt seines Alten geniessen kann. Er versprach mir schöne fotogr. Aufnahmen zu machen; mal sehen, ob was daraus wird.

Und nun wünsche ich Dir, dass Dir die Kur gut bekommen ist & Du mit neuer Wut wieder ins Geschäft gestürzt bist & bin mit herzlichen Grüssen stets

Dein alter Freund
Reichert

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Kaiserslautern, den 27.7.1926

Lieber Freund Karl !

Es war für mich eine ausserordentlich grosse Freude, Deine Tante Alverdes u. Deinen Sohn Albert während meiner Kur in der Villa Hedwig in Badenweiler i/Schwarzwald begrüssen zu dürfen, und wir haben Dir ja von unserem gemeinsamen kleinen Nachmittagsausflug von Schloss Hausbaden eine Ansichtskarte mit Grüssen geschickt. Es tat mir nur sehr leid, dass die lieben Leute mich in Badenweiler nicht gleich auffanden, in­dem sie zu dem dirigierenden Doktor Heinecke gingen, der von der Kuranstalt entfernt wohnt und mir über Mittag nicht tele­fonieren konnte, weil an dem grossen „Seeplatz“ das Telefon von 11–5 Uhr mittags geschlossen ist (an Sonntagen). Da in der Kuranstalt für jeden einzelnen Patienten diätisch gekocht wird und an diesem Tage noch 6 Gäste anwesend waren, war es mit dem besten Willen nicht möglich, die Mexikaner bei mir zu Tisch zu haben.

Wir haben nachmittags beim Kaffee uns über Angenehmes und Schönes aus der Vergangenheit, über gemeinsame Freunde und über Mexiko und last not least über Dich selbst angenehm un­terhalten können. – Der Besuch in Kaiserslautern brachte als­dann meiner Frau und meinen Kindern lebhafte Freude und Frl. Alverdes und Albert werden Dir alles erzählen.

Dieselben sagten mir in Badenweiler, dass man Dich von der Regierung in Berlin als deutschen Konsul ausersehen habe. Du hättest aber vor Annahme dieser hohen Ehrenstellung die Be­dingung daran geknüpft, auf Deinem Heim die alte schwarz-weiss-rote Flagge hissen zu dürfen. Nach den Kämpfen im Reichstag und im Deutschen Blätterwalde wird dies wohl augen­blicklich noch nicht möglich sein, aber die Flaggenfrage selbst soll ja auf die eine oder andere Art und Weise in nächster Zeit gelöst werden, und ich hoffe zuversichtlich, dass Du in der Zwischenzeit Deine Bedenken zurückgestellt und das Amt angenommen hast.

Wie ich von Frl. Alverdes hörte, soll der alte Paasche, der Dich voriges Jahr besuchte, in Amerika gestorben sein. Er hat sich früher im Reichstag sehr verdient gemacht.

Bei uns ist die politische Lage etwas besser geworden. Aber die wirtschaftliche lässt noch viel zu wünschen übrig. Die Zahl der Arbeits- und Erwerbslosen hat noch nicht viel abge­nommen, weil die Industrie- und die Bautätigkeit nicht rich­tig in Schwung kommen will.

Infolge des Dumpings der französisch-spanisch-italienisch-etc. Valuten befindet sich der deutsche Export in grossen Schwierigkeiten. Hoffentlich wird bald überall stabilisiert. Ebenso wären jetzt Handelsverträge allerseits notwendig. Man sieht mit Besorgnis dem Winter entgegen!

Heute las ich in der Zeitung von dem mexikanischen Religions­streit, der jedenfalls für die mexikanischen Verhältnisse nicht angenehm ist.

Die wichtigste Nachricht, die ich Dir heute zukommen lassen will, ist die Tatsache, dass ich durch Mehrheitsbeschluss der Firma Ottmann & Co. G.m.b.H. als Geschäftsführer dieser Firma abberufen bin, unbeschadet aller meiner Rechte aus meinen Verträgen, die noch drei bis vier Jahre laufen. Ich habe da­gegen Protest erhoben und (es) wird in einigen Wochen zunächst ein Schiedsgericht darüber beschliessen. Alsdann wirst Du Weiteres von mir hören. Solange mein Vertrag läuft, muss ich noch Teilhaber der Firma bleiben. Ich sende Dir einliegend noch für Herrn Louis Brauer die Quittung der Sani­tätskolonne sowie ein Schreiben des Pfälzer Waldvereins nebst Mitgliedskarte und Satzungen, wonach Herr Brauer als Mitglied des Pfälzer Waldvereins geführt wird.

Ohne mehr für heute begrüsse ich Dich

in alter Freundschaft
Dein treuer
A. Fröhlich

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10. Juni 1926

Lieber Reichert !

Dein Brief vom 8. Mai kam in meinen Besitz, und ich danke Dir vielmals für Deine Mitteilungen. Zunächst entnahm ich Deinen Ausführungen gerne, dass Deine Tante und Dein Sohn Albert auf der Reise nach der alten Heimat sind und mich besuchen wol­len. Dieser Tage war Herr Ottmann da und bestellte Grüsse von Dir, die ich erwidert habe. Ich muss Mitte nächster Woche auf einige Wochen zu einer Stoffwechselkur nach Badenweiler und habe Deiner Tante nach Frankenhausen geschrieben, dass es mir lieb wäre, wenn der Besuch Ende Juli, Anfang August stattfin­den könnte. Wenn nicht, mögen die beiden Personen, die ich mit Freuden erwarte, mich auf der Reise nach der Schweiz in Badenweiler aufsuchen. Ich hoffe, dass die Sache klappt, und wir ein paar Ständchen von Dir, sowie von Mexiko und Deiner Heimat erzählen können.

Die Verhältnisse bei uns in Deutschland liegen nach wie vor im Argen. Danke Gott, dass Du den besseren Teil erwählt hast und seinerzeit auswandertest. Gewiss hast Du recht, dass man durch Spekulation manches gut machen kann, aber für die deut­schen Firmen heisst es heute, das Wenige, was nach der Infla­tion erhalten blieb, zu wahren und spekulieren soll man erst dann, wenn man eine Reserve hat und nicht alles „die Bach hinunter geht“. Hunderte und tausende Firmen von hundertjäh­rigem Ruf und Ansehen sind verschwunden, ganz abgesehen von den vielen Nachkriegsgründungen, die den Weg alles Fleisches gehen mussten, –

Die Briefmarken, die Du mir für Herrn Klinger geschickt hast, habe ich demselben übergeben und lässt er vielmals dafür dan­ken. Herr Klinger ist nicht verwandt mit der Dame, die mit Dir tanzen lernte. Er hat hier keine Verwandte, weil er von auswärts zugezogen ist. Fräulein Klinger, mit der Du noch in Korrespondenz stehst, wird eine Tochter des Postmeisters Klinger gewesen sein, der in der Nähe des Stadtparks wohnte.

Das Geschäft bei uns ist immer noch sehr ruhig. Die Einkaufsgenossenschaften, Konsumvereine etc. wollen den Grosshandel ausschalten, und vielfach geht der Grosshandel dazu über, ei­gene Verkaufsläden aufzumachen. Wir befassen uns auch mit dem Gedanken und wenn die Verhältnisse nicht besser werden, wer­den wir dazu gezwungen sein.

Ausserordentlich erfreut war ich über die Spende Deines Freundes Brauer. Es rührte mich tief, dass Abkömmlinge von ausgewanderten Deutschen noch so sehr an ihrer Heimat hängen. Ich habe den Betrag wie folgt verwandt:

Säuglingsfürsorge M 200.-, Tuberkulosenfürsorge M 200.-, Pfälzer Waldverein M 100.-. Bezüglich des Pfälzer Waldvereins bist Du ja im Bilde, wie wohltätig derselbe wirkt und bezüg­lich der Tuberkulosen- und Säuglingsfürsorge brauche ich ja nichts zu sagen. Gerade diese Anstalten tun bei der kolossa­len Armut der Bevölkerung nur Gutes. Sodann habe ich dem hie­sigen Oberbürgermeister nach vorheriger Rücksprache mit ihm M 300.- übergeben. Davon will Herr Oberbürgermeister M 200.- für einen Herrn Dr. Barth verwenden, der vollständig verarmt ist und in München sein juristisches Staatsexamen machen möchte, aber kein Geld hat. Es ist dies ein Sohn des früheren Einnehmers und Stadtschreibers Peter Barth, der schon längst gestorben ist und mit dem wir zusammen im Stenographenverein waren. B. war damals Vorsitzender, und ich glaube speziell auch in Deinem Sinne zu handeln, wenn ich, wie geschehen, ihm durch Herrn Oberbürgermeister den Betrag überweisen liess. Der Junge wird Dir ewig dankbar dafür sein. Sodann hat Herr Oberbürgermeister M 100.– einem Fräulein Zenker gegeben, de­ren Vater Du auch gekannt hast. Er war Ingenieur beim Eisenwerk und wurde kurz vor dem Waffenstillstand durch eine Flie­gerbombe getötet. Seine Tochter lebt in den bittersten und ärmsten Verhältnissen und ist krank, sodass auch hier der kleine Betrag gut angebracht ist. Die restlichen M 200.- habe ich der Freiwilligen Sanitätskolonne zugeleitet. Über M 700.- erhälst Du in der Einlage das offizielle Dankschreiben des Herrn Oberbürgermeisters. Die Quittungen des Pfälzer Waldver­eins sowie der Freiw. Sanitätskolonne sende ich Dir nach Emp­fang nach.

Du schreibst von einer Steingutfabrik, bei der Du Vorsitzen­der wärest. Ist dies ein neues Unternehmen von Dir?

Herrn Brauer bitte ich, meine persönlichen Empfehlungen zum Ausdruck zu bringen. Wie gut wäre es, wenn in der dortigen Kolonie es noch mehr solch edeldenkender Menschen gäbe, ein­gedenk des Sprichwortes: „Geben ist seliger wie Nehmen.“

Am letzten Sonntag war hier anlässlich des 650 jährigen Jubi­läums unserer Stadt ein grosses Fest mit Festzug in Erinne­rung an die im Jahre 1276 durch König Rudolf von Habsburg der Stadt Kaiserslautern verliehenen Stadtrechte. Ich sende Dir einliegend das Festprogramm. Es war eine unzählige Menge fremder Leute hier.

Sonst weiss ich heute nichts Neues und grüsse Dich

in alter Freundschaft
Dein
A. Fröhlich

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MEXICO, D.F., 8. Mai 1926

Mein lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 8. April, deren Inhalt mir sehr interessant war. Man hört nur so im Allgemeinen die Kla­gen über die deutschen Verhältnisse, aber ein concreter Fall, wie der Eurige, beweist die Wahrheit der Nachrichten. Wenn schon eine so bedeutende Firma, wie Ottmann & Co zu leiden hat, wie mag es erst den Anderen gehen?

Das elende Fieber der Politik und Unzufriedenheit, das durch die ganze Welt geht, hat überall bösen Schaden gestiftet und gebessert hat es nichts. Hier geht es auch wieder etwas brenz­lich, aber man gewöhnt sich nach und nach daran.

Wir selber können nicht klagen und haben voll zu tun. Aller­dings darf man nicht zu ängstlich sein und muss was riskie­ren. Ich sorge aber immer für Reserven in guten Zeiten und riskiere dann, sodass man immer Aussicht hat, weniger als die Reserven – im schlimmsten Fall – zu verlieren. Damit bin ich bisher immer noch gut gefahren, ausgenommen die Schlappen der ersten Revolu­tion, die mehr Mordbrennerei als sonst etwas war, und dann die Folgen des auch für uns fatalen Weltkriegs.

Herr Heger schrieb mir, Euer Herr Klinger wünsche einige mex. Briefmarken. Gerne sende ich Dir anbei Einiges für ihn. Ist derselbe eigentlich verwandt mit der Familie Klinger, die frü­her in der Nähe des Stadtparks wohnte? Ich correspondiere noch immer mit Frl. Marie Klinger, einer alten Tanzstunden-Bekannt­schaft, die jetzt in Berlin wohnt.

Ich werde mir vormerken, was Du mir durch Herrn Heger lies­sest sagen wegen weiterer Geld-Anliegen und werde mich vorher erkun­digen. Ich schrieb Dir fast immer darüber. Da die Bitte aber von H. Heger kam, wusste ich, dass die Sache in Ordnung war.

Gleich heute möchte ich von Deiner Intervention wieder Ge­brauch machen und umso lieber, als ich weiss, dass Du selber Spass daran hast, etwas Gutes zu tun.

Unter unserem Personal haben eine Anzahl einen Haupttreffer in der Lotterie gemacht. Ein Herr Luis Brauer erinnerte sich dann seiner deutschen Abstammung, wenn er selber auch Mexika­ner ist, und bat mich, aus seinem Gewinn den Betrag von 1000 Mark einer wohltätigen Sache in Deutschland zuzuweisen. Was könnte mir lieber sein, als es der alten Heimat zu geben? Ich bitte Dich also, Dir von u/ Berliner Contor den Betrag kommen zu lassen und ihn einer Waisenanstalt oder dergl. zuzuweisen. Auch der Pfälzer Waldverein ist mir recht. Im Namen von Luis Brauer! Hast Du Zweifel, so warte den Besuch meiner Tante und meines Sohnes Albert ab, die übermorgen nach drüben reisen. Sie werden etwa Mitte Juni von Frankenhausen aus eine Tour über Dresden, Bayern, Schweiz machen und auch Kaiserslautern einen kurzen Be­such abstatten. Leider bin ich so in Anspruch genommen, dass ich hier bleiben muss und warten, bis ich mal leichter abkommen kann. Die Zeiten sind sehr schwierig und durch die Übernahme des Postens als Vorsitzender u/ Deutschen Handelskammer und der Steingutfabrik habe ich zu meinem son­stigen Kram mir noch mehr aufladen müssen, sehr gegen meine Neigung. Die famosen beiden Excursionen von Deutschen nach Mexiko haben ein sehr minimales Resultat ergeben, und die me­xik. Studienexcursion wird auch nur eine Spazierfahrt werden. Die Deutschen Herren kamen hierher in der Annahme, Mexiko zu „entdecken“ und waren sehr erstaunt, als sie den schon ziem­lich regen Handel sahen.

Mit der Deutschen Schule habe ich nichts mehr zu tun. Ich hatte die Sache 11 Jahre und nun sollen sich mal andere amü­sieren.

Meine Verwandten werden Dich dorten also aufsuchen und Dir meine herzlichen Grüsse überbringen und Dir über mich erzäh­len.

Grüsse mir bestens meine alten Bekannten und sei selber herz­lich gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

 

Anlage:
Copie Accredit, Contor Berlin.
Marken

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den 8. April 1926

Lieber Freund Karl !

Ich habe noch Deinen Brief vom 14. Januar zu beantworten und oftmals habe ich Ansatz dazu genommen, bin aber immer davon ab­gekommen.

In der Zwischenzeit hast Du ja gehört, dass wir mit der be­freundeten Firma C.N. Thomas G.m.b.H. hier eine Interessenge­meinschaft eingegangen sind, und zwar aus dem Grunde, um Unko­sten etc. zu sparen, was heute bei der Wirtschaftskrisis in Deutschland, die wir durchzumachen haben, in erster Linie er­forderlich ist. Wie sich die Sache entwickelt, lässt sich na­türlich noch nicht sagen, aber bis jetzt kommen wir in guter Harmonie mit der Firma aus. Die Lagerräumlichkeiten sind in un­serm neuerbauten Lager Ottmann & Co., während die Büros der Firma C.N. Thomas G.m.b.H., Spittelstrasse vorerst noch unter­gebracht sind. Es ist in Deutschland außerordent­lich schwer im Großhandel geworden, denn viele Einkaufsgesellschaften und Kon­sumvereine haben sich gebildet, deren Hauptbestreben ist, den Großhandel auszuschalten. Dazu kommt, dass ein großer Teil un­serer alten Kundschaft durch die In­flation und Nachkrieszeit vollständig verarmte und nicht mehr in der Lage war, ihr Ge­schäft aufrecht zu erhalten. Du liest ja hoffentlich deutsche Zeitungen und kannst Dir aus den vielen Geschäftsaufsichten (eine Form zur Verhütung des Kon­kurses) sowie aus den Konkursen selbst ein ungefähres Bild machen, wie es in Deutschland aus­sieht. Das Dawes-Gutachten brachte Deutschland eine Belastung, die es auf die Dauer un­möglich tragen kann. In letzter Zeit ist eine Nuance Besse­rung zu konstatieren, weil die Reichsbank den Zinssatz auf 7 % ermäßigt hat, während wir voriges Jahr einen Zinssatz von 14–18 % hatten und vor zwei Jahren sogar bis zu 60 %. Dass dies kein Geschäft und keine Fabrik verdienen kann, wirst Du wohl einsehen.

Ich freue mich aus Deinem Brief zu ersehen, dass es Dir persön­lich und Deiner Familie gesundheitlich gut geht. Meine Kur in Lugano hatte nicht den Erfolg, den ich erwartete, und ich war in letzter Zeit mit den Nerven ziemlich auf den Hund gekommen und erst gestern wieder beim Arzt. Ich will, denke ich, im Mai/Juni in ein Bad gehen und mich mal gründlich er­holen. Über­dies erhoffe ich von dem Frühjahrswetter, das ich fleißig zu Spaziergängen benutzen will, eine Besserung. Am 27. April werde ich 54 Jahre alt, und dass das Alter sowie die schweren Zeiten, die wir durch den Krieg und die Nach­kriegszeit etc. durchzuma­chen haben, sich nicht in die Klei­der setzte, ist wohl ein na­türlicher Vorgang. Wenn erst meine Kinder älter wären (der kleinste Bursche ist jetzt 6 Jahre alt, er kommt dieses Jahr zur Schule), würde ich nicht so sehr am Leben hängen, denn es ist tatsächlich nicht mehr schön in Deutschland. Trotzdem lasse ich die Hoffnung nicht sinken und will weiter mithelfen, soweit es in meiner Kraft steht, am Wiederaufbau.

Die politischen Verhältnisse in Deutschland schreien zum Him­mel. Die Parteien werden nicht weniger, sondern immer mehr und viele Emporkömmlinge und Schieber glauben, eine Rolle spielen zu sollen.

Es tut mir außerordentlich leid, dass Dein Besuch, den Du für den Monat Juni sicher in Aussicht stelltest, wieder unterbleibt. Hoffentlich führst Du denselben doch alsbald aus. Dieser Tage brachte die Frankfurter Zeitung einliegende Notiz über mexika­nischen Besuch in Deutschland und wäre dies doch m.E. gute Ge­legenheit gewesen für Dich, Deine alte Heimat zu besu­chen, um­somehr als Du nunmehr Vorsitzender der deutschen Handelskammer in Mexiko geworden bist und Vorstand der deutschen Kolonie und Schule. Ich gratuliere Dir zu diesen Ehrenposten, die aller­dings ja nichts eintragen, aber Führer müssen sein und es ist besser, hierfür Charaktere als Streber zu haben. An Deinen Söh­nen wirst Du jetzt bald tüchtige Hilfe haben und dann kannst Du es Dir auch bequemer machen. Meine beiden Bu­ben hoffe ich spä­ter nicht ins Geschäft zu nehmen, denn meine Absicht besteht, ihnen ein perfektes Studium geben zu lassen. Mein ältester Bur­sche Franzl ist jetzt in der 2. Gymnasial­klasse und hat ein sehr gutes Zeugnis. Er ist einer der Be­sten in der Schule mit fünf 1er und zwei 2er.

Von unserem Herrn Heger hörte ich, dass Du M 1000.- für den Pfälzer Waldverein gestiftet hast, worüber ich mich sehr freute. Es wird dies vielleicht Anlass sein, dass man Dir von anderer Seite Bettelbriefe schickt, denn Heger sagte mir, dass sich bereits Verschiedene nach Deiner Adresse erkundigt hätten. In dieser Beziehung empfehle ich Dir Vorsicht, wie früher schon meinerseits geschehen, und wenn Du etwas tun willst, kannst Du ja vorher meinen Rat einholen.

Das Buch von Landenberg habe ich, soweit mir die Zeit zur Ver­fügung stand, durchgesehen und fand es sehr gemeinver­ständlich und interessant geschrieben. Heißen Dank dafür!

In der Zwischenzeit wird wohl Herr Kommerzienrat Albert drü­ben angekommen sein und an seinem Sohn hast Du ebenfalls Hilfe. Be­züglich Staatsrat Korn (aus) München habe ich nichts mehr ge­hört. Sein Junge wird wohl dieses oder nächstes Jahr das Gymna­sium absolvieren, und wenn er ihn dann nach Mexiko schicken will, wird er schon Dir oder mir schreiben. Er hat es sehr weit gebracht, denn er ist jetzt Stellvertreter des Ministers. Nur etwas hat er getan, was mir nicht passt. Er soll nämlich seinen protestantischen Glauben abgelegt haben und vor einigen Jahren zum Katholizismus übergetreten sein, um desto rascher Karriere zu machen. Dies aber streng ver­traulich unter uns.

Sonst gibt es in Lautern nichts besonderes Neues. Das Jahr 1925 und 1924 war für die Firma Ottmann & Co. verlustbrin­gend, und oftmals habe ich es bereut, dass ich nicht früher, wie Du, auch ausgewandert bin. Dann hätte man diese schweren Zeiten doch nicht so am eigenen Leib gespürt und könnte mit größerer Beru­higung der Zukunft entgegensehen. Aber trotzal­ledem heißt es, Kopf hoch, denn einmal muss es auch wieder anders werden, und wenn die Alten keinen Vorteil mehr davon haben, dann sind es die Jungen.

In diesem Sinne verbleibe ich heute wie immer mit den besten Grüßen von Haus zu Haus

Dein alter treuer Freund
A. Fröhlich

1 Einlage

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MEXICO, D.F., 14. Januar 1926

Lieber Fröhlich!

Meine Neujahrswünsche hoffe ich zeitig in Deinem Besitz ge­langt und wünsche Dir hiermit nochmals für das neue Jahr gute Gesund­heit, ebenso für Deine Familie. Der Spanier wünscht einfach: Salud y Pesetas und gibt da kurz und treffend, was man Jemanden wünschen soll: Gesundheit und Moneten. Mit die­sen beiden Arti­keln lässt es sich schon aushalten und die wünsche ich Dir auch.

Leider muss ich aus Deinen Briefen, zu deren Beantwortung ich heute komme, ersehen, dass Du in 1925 über Deinen Gesundheits­zustand nicht viel Gutes berichten kannst, ich hoffe aber, dass Deine Ausspannung Dir geholfen hat. Es lässt sich denken, dass Ihr im Geschäft unter der augenblicklich schlechten Lage dorten schwer zu leiden habt. Der definitive Umgang aus der Inflati­onsepoche in die stabile Währung bringt aber immer schwere Verschiebungen mit sich. Ich konnte dieses Problem hier am eigenen Geldbeutel spüren und glaube, darin Einiges gelernt zu haben. Hoffentlich komme ich nicht noch­mals in die Lage, meine etwas kostspieligen Kenntnisse ver­werten zu müssen. Ich weiss nicht, ob ich nochmals den Mut und die Spannkraft aufbringen würde, wieder so ungefähr von vorn wieder anfangen zu müssen.

Hier geht es momentan auch wieder recht brenzlich her. Mexiko macht jetzt stark in Gesetzen, die man selber als „sehr fort­schrittlich“ bezeichnet. Arbeitergesetze, idem gegen Auslän­der, Landbesitz etc.: fast jede Woche bringt eine Überra­schung. Schon längst hätte ich gerne eine längere Ausspannung gehabt, aber immer wieder kommt etwas dazwischen und mit rei­nem Gewis­sen kann man dann nicht weg. In finanziellen Dingen haben un­sere Junior-Partners wenig Erfahrung, und ich stehe da recht allein. Mein Sohn Pancho macht sich zwar recht gut und kann trotz seiner Jugend laufende Sachen schon ganz gut führen, aber sich auf neue Geschichten einstellen, dazu braucht es etwas mehr.

Statt mich freier machen zu können, hat man mich nun noch zu einer anderen Geschichte eingefangen. Ich habe für die Deut­sche Kolonie speciell während meiner 11-jährigen Schultätig­keit viel Zeit und Geld geopfert und war fest entschlossen, mich dazu nicht mehr quetschen zu lassen. Die Zeiten erfor­dern aber einen Zusammenschluss, um nicht zu sehr unterge­kriegt zu werden. An­dere Nationalitäten, sogar die Chinesen, haben längst eine Handelskammer, nur die Deutschen, die in kommerzieller Hinsicht viel bedeutender sind, wie die meisten anderen Nationen, konn­ten es noch nicht fertig kriegen. Nun wurde ich solange gepie­sackt, bis ich den Vorsitz übernahm und die Sache ins Leben rief. Nun habe ich also wieder mein Pöstchen, und Du kannst mir Dein Beileid ausdrücken.

Korn hat mir von seiner Idee, seinen Sohn hierherzusenden, noch nichts geschrieben, hat sich überhaupt immer stark ausgeschwie­gen. Vielleicht hatte er Angst, ein solcher Me­xiko-Abenteurer könne ihn mal anpumpen oder sonstwie belusti­gen. Wenn die Her­ren so in die Höhe kommen, kennen sie nicht mehr gerne ihre al­ten Kameraden. Ich hatte und habe so das Gefühl und weiss nicht, ob es mich täuscht. Sollte ich mich täuschen, desto bes­ser. Vor mir und meinen Belästigungen mei­nerseits kann er si­cher sein. Natürlich werde ich ihm gerne behilflich sein, wenn er seinen Sohn schicken will. Er muss mir natürlich vorher sa­gen, was er mit ihm vorhat, um einen Platz für ihn zu suchen.

Für die gemachten Sendungen von Weihnachtsartikeln an einige meiner Verwandten danke ich Dir sehr, und die Sortierung hatte meinen vollen Beifall. Aus den Berliner Berichten sehe ich, dass man den Betrag an Euch remittiert hat. Nochmals vielen Dank.

Das Buch von Landenberger enthält manches Wissenswerte und man­ches treffende Urteil über das Land. Man sieht, der Mann hat mit offenen Augen gesehen. Wenn man aber mal 30 Jahre hier ist, findet man in solchen Reisewerken immer manches, was nicht stimmt. Im Allgemeinen ist es aber so beschrieben, dass man eine Ahnung von diesem Land hat, wenn man das Buch gelesen hat.

Ich erwarte Deinen Kollegen in der Würde, unseren Kommerzien­rat Albert, im April hier. Er will seinen Sohn hierherbrin­gen, der sich hier im Geschäft nützlich machen soll. Er bleibt dann wohl hier, bis ich mit der Bilanz fertig bin und wenn Alles ruhig bleibt, würde ich mit ihm Ende Juli nach Deutschland fahren. Allzu grosse Lust habe ich nicht, denn ich fühle mich in meinen 4 Wänden sehr mollig und meine Ar­beit ist mir lieb. Ich bin ge­rade heute 53 Jahre alt gewor­den, da fängt man an, bequem zu werden.

Für heute schliesse ich und verbleibe mit herzlichen Grüssen in alter Freundschaft

Dein
C. Reichert

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Mexiko, 14. November 1925

Mein lieber Fröhlich!

Ich danke Dir sehr für Deine frdl. Mitteilungen, auf welche ich nächstens näher eingehe, weil es mir heute an Zeit man­gelt. Ich möchte aber die Sache mit den Weihnachtspacketen erledigen & schreibe Dir deshalb heute schon in dieser Sache. Ich hätte gerne einige Preise gehabt, um danach Packete zu­sammenstellen zu können, denn die Beträge, welche ich für die Einzelnen ausgeben möchte, sind verschieden.

Einige haben sich übrigens schon an mich gewandt, denn meine Verwandten denken in den letzten Jahren häufig an mich, und ich habe ihnen der Einfachheit halber Checks geschickt. Für Lebens­mittelsendungen bleiben nur die unteren Verzeichneten übrig, und ich bitte Dich, die Sache abfertigen zu wollen und Dir den Betrag von unserem Berliner Contor kommen zu lassen. Ich habe schon Order gegeben dieserhalb.

Von dem Verlag Duems, Berlin, geht Dir ein Werk über Mexiko zu, das ich als kleine Aufmerksamkeit entgegenzunehmen bitte: viel­leicht kann Dich der Inhalt dazu veranlassen, auch mal hierher zu kommen.

Also nächstens schreibe ich Dir ausführlicher. Sei inzwischen begrüsst von Deinem alten Freund!

C. Reichert

 

Frau Oberregierungsrat Hogenmueller,
Bahnhofstr. 19-1/8, Weiden i/Bayern Mk 100.–

Frau Dr. Ida Reinhard, Weiden i/Bayern Mk  50.–

Herrn Major Karl Hogenmueller, Jutastr. 4.
IIIr, München  Mk  50,–

Zusammengesetzt aus Kaffee, Thee, Chokolade und dergl., was sich als Weihnachtsgeschenk eignet.