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[Briefkopf  der Deutschen Schule]1

MEXICO, D.F.2 8. Febr. 1915

Mein lieber Fröhlich!

Da Veracruz von der Hauptstadt fast 3 Monate abgeschnitten war, lag die ganze Post unten an der Küste. Jetzt, nachdem Carranza wieder einmal von México City Besitz ergriffen, kam 14 Wagen Post herauf, auch Dein l. Schreiben vom 19. October, das ich sogleich beantworten will: lange genug war es unterwegs.

Deine Schilderungen sind interessant, finde ich doch schon bestätigt, was uns nur in den ersten Wochen verschleiert war. Nachdem die ersten drahtlosen Meldungen über New York/Sayville kamen, lebten wir von dem Entsetzen wieder auf, das uns angesichts der ersten Kriegsnachrichten ergriffen hatte. Danach war unser Vaterland schon verloren im Hinblick auf die Macht der Feinde. Ost- & Westpreußen & die Reichslande schon besetzt, die Flotte kalt gestellt etc.! Du kannst Dir denken, wie wir darunter litten, denn wir haben hier noch apart unsere großen Sorgen zu tragen. Groß war daher unsere Freude, als die Siegesnachrichten anläßlich der Operationen Hindenburg & der belgisch/franz. Armeen kamen. Leider währte die allzu große Freude nicht lange & wir sind nun wegen der Langsamkeit der Kämpfe enttäuscht – eben, weil wir zu viel erwartet hatten. Man wird die Angst nicht los, daß wir gegen die Übermacht der Feinde auf die Dauer nicht aufkommen. Diese Bedenken finden ihre Nahrung darin, daß fast Alles gegen uns ist & nur die direkten Briefnachrichten, die Alle enthusiastisch & zuversichtlich klingen, geben uns wieder Mut.

Schade, daß man nicht recht warm wird dabei, denn Ihr drüben sprecht z.B. im September zuversichtlich von dem Fall von Verdun, der vor der Tür stehe & bis heute warten wir mit Schmerzen auf dies Ereignis. Trotz alledem haben wir aber das bestimmte Vertrauen in unser Heer & unsere Marine, daß wir den Riesenkampf mit Ehren bestehen werden, nachdem unsere Diplomatie leider Gottes sich gegenüber der unserer Feinde als unterwertig erwiesen hat. Das ist meine feste Meinung: nachdem seit 10 Jahren gegen uns gehetzt wird, mußten wir auch auf dem Plan sein. Die Zerstückelung der Türkei, die wir als natürliche Bundesgenossen zugaben & der Jammerbundesgenosse Italien, der jeden Tag über Österreich herfallen kann, sind Armutszeugnisse für die Herren Diplomaten! Es wird ja Manches nach dem Krieg an den Tag kommen & ich würde mich freuen, wenn sich herausstellte, daß ich im Irrtum bin.

Wir haben hier bei Kriegsausbruch sofort eine eigene Zeitung gegründet, um gegen die unverschämten Lügereien der Engländer anzugehen: unsere besten Argumente werden aber die Hiebe sein, welche unsere braven Soldaten austeilen! Das ist Realpolitik, die unsere Diplomatie noch nicht richtig gelernt hat. Die veranstaltete Sammlung hat unter den Deutschen ca. 180.000 $ ergeben, ferner ca. 12.000 $ für Tabaksendungen, ebensoviel für einen Bazar, abgesehen von vielen kleinen Konzerten etc., die zusammen auch einige tausend $ ergaben. Unsere jungen Leute haben leider nicht nach drüben kommen können & wurden von New Orleans zurückgeschickt. Ottmann soll in Brest sitzen: hast Du nichts von ihm gehört?

Hier ist ein anarchisches Chaos eingerissen, an dessen Entwicklung resp. Entwirrung man verzweifeln könnte. Der Kurs ist von M 2.08 bis auf ca. 60 Pfg gesunken, wodurch natürlich meine (& vieler Anderer) Hoffnungen auf eine baldige, angenehme Stellung als Rentier ins Wasser gefallen sind. Den Rest gab uns der europ. Krieg, der einen energischen Druck auf die USA ausschließt & es uns nicht ermöglicht, nennenswerte Importe zu machen. Wenn es noch einige Monate so fortgeht, müssen wir wohl zeitweilig schließen, da es sich nicht rentiert, die Gehälter weiter zu zahlen. Es ist ein elendes Gefühl, zu solchen Zeiten an der Spitze eines Hauses zu stehen, wo man mit dem besten Willen gegen die Macht der Verhältnisse nicht ankommt.

Hier in der Stadt herrscht momentan schon fast Hungersnot & die Zapatistas aus den Gebirgen südlich der Hauptstadt haben die Wasserleitung abgeschnitten, sodaß großer Wassermangel herrscht. Alle Lebensmittel sind infolge mangelnder Zufuhr auf das 3–4 fache gestiegen & da hunderttausende sengend herumziehen, statt zu arbeiten im Feld, so werden die Ernten immer weiter zurückgehen. Die USA schüren fleißig weiter, bis Mexico ihnen wie eine reife Frucht in den Schoß fällt. Da keine Aussicht ist, daß die streitenden Parteien gewissenloser Hallunken sich einigen, so ist es vielleicht die einzige Rettung, unter die Fuchtel der U.S. zu kommen. Ich sage Dir, es herrschen Zustände hier, die Ihr in Euerer Ordnung & bei der grundanständigen Verwaltung für Lügen halten würdet, wenn man sie Euch erzählte. Am Besten wäre es, wenn ein Mann wie Carranza über die Anderen Übermacht erhielte, aber das ist der Jammer, daß Alles aufeinander einhaut & keiner ist stark genug, mit den Andern fertig zu werden.

Die Lieferung nach Germersheim muß sehr interessant gewesen sein & Du hast da eine ordentliche Arbeit auf Dir gehabt. Ich erinnere mich noch recht gut an einige Details, wie vor über 20 Jahren die Verhandlungen bei O & Co stattfanden.

Wie geht es Dir und Deiner Familie? Bitte, schreibe mir bald ausführlich! Bei uns geht es wenigstens gesundheitlich gut.

Grüße mir bitte die Herren J.O., C.O. & L.O. sowie die alten Kollegen & sei Du selbst mit Familie bestens gegrüßt von

Deinem alten Freund!

C. Reichert

 

[i] [Schule der Deutschen Kolonie/(Colegio de la colonia alemana S. A.)/Direccion del consejo administracion:/Apartado 146./Direccion del director:/Calzada de la piedad, 81.] [2] Ab hier handschriftlich.

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2. Juni 1914

Mein lieber Fröhlich!

Ich komme erst heute zur Beantwortung Deiner l. Zeilen vom 16. Dezember und zwar, wie Du nachher sehen wirst, aus einem sehr egoistischen Grunde. Ich hätte Dir gerne schon früher geschrieben, aber die Zustände sind so deprimierend hier, dass ich abwarten wollte, bis ich bessere Nachrichten geben könnte. Die Geschichte hat sich aber immer mehr zugespitzt und wer weiss, was aus dem Zauber noch wird. Die USA verfolgen da eine grosszügige Politik und werden nicht locker lassen. Ich sehe für die Staaten eine absolute Notwendigkeit darin, die Länder zwischen ihrem Territorium und dem Panamakanal unter ihre Fuchtel zu bringen und das werden sie auch früher oder später erreichen. Für diese Länder, denen man eine scheinbare Unabhängigkeit lässt, ist der Zustand auch tatsächlich der beste, denn diese Leute sind nicht fähig, sich selbst zu regieren. Der weitaus grösste Teil der Bevölkerung sind Indianer, welche weder lesen, noch schreiben können und diese Leute stehen auf der niedersten Stufe der Civilisation, wofür der Beweis die unerhörten Greueltaten sind, welche wir nun schon seit über 3 Jahren mitansehen müssen. Du machst Dir keinen Begriff, was diese traurige Bande Alles sich leistet und wenn es noch lange so weiter geht, so ist das halbe Land eine Ruine. Der geringe Prozentsatz besserer Elemente kümmert sich nur um sich und Alles andere ist ihm egal. Man redet furchtbar viel und schön, begeistert sich für das Vaterland, aber wenn es sich darum handelt, einmal Gewehrgriffe zu üben, dann zieht sich alles gleich zurück. Ich kann Dir sagen, dass ich es sehr bedauert habe, nicht vor einigen Jahren nach drüben gegangen zu sein. Statt schön zu verdienen, sitzt man nun hier und hat mehr Sorgen wie sonst was. Man kann noch froh sein, wenn nicht eines „schönen“ Tages der ganze Kramladen ausgeplündert wird und womöglich das Haus angezündet wird, wie diese edlen Patrioten das an so und so vielen Plätzen getan haben zur grösseren Ehre des Vaterlands. Uns hat die Gesandtschaft schon vor Wochen geraten, nach drüben zu gehen, aber das ist ausgeschlossen. Ich wollte die Familie und die jungen Leute wegschicken, aber sie haben opponiert und wollen aushalten. In dieser Lage sind wir und unsere einzige Hoffnung ist, dass die USA endlich Ernst machen und richtig zu kommandieren anfangen. Sympathisch sind mir die Herrschaften auch nicht, aber ich ziehe sie den hiesigen Ehrenmännern doch 1000 Mal vor.

An  H U B E R  ist nicht viel. Du beurteilst ihn richtig als „fackelig“ und das ist er auch. Er gibt sich viel Mühe, aber ist sehr nervös & zerfahren.

An der Schutzorganisation habe ich mich nur durch eine Geldspende beteiligt, denn ich wohne nicht in jener Zone, unser Geschäft zu verteidigen, ist mir wichtiger, aber wenn die Andern Spass daran haben, so mögen sie es tun. Ottmann hat sich mit einem unserer Prokuristen gezankt und ist einmal wieder ausgetreten. Er ist jetzt bei einem Agenten für amk. Artikel und ganz zufrieden. Bassler geht es sehr gut.

Meiner Familie gleichfalls und ich selbst kann gesundheitlich nicht klagen und mit dem geschäftlichen Kram habe ich mich abgefunden. Es werden auch mal wieder bessere Zeiten kommen. Ende dieses Monats tritt mein Kollege Graue von der Leitung, die er mit mir zusammen ausübte, zurück, bleibt für den Rest seines Contracts (1 Jahr) „zur Disposition“ und wird dann wohl stiller Teilhaber werden. Ich kriege dann etwas mehr Arbeit, aber es ist jetzt so wenig los, dass ich froh bin, noch Einiges dazuzunehmen [sic] zu können. Wie es mit dem nächsten Contract wird, wissen die Götter. Die Herren drüben wünschen, dass ich eine kurze Reise mache, um mit ihnen zu conferieren, aber unter den jetzigen Verhältnissen kann ich meinen Posten nicht verlassen. Dazu ist der Kurs so gefallen, dass ich meine Familie nicht mitnehmen möchte, denn das würde zu teuer kommen und allein gehen und sie jetzt hierlassen, mag ich auch nicht. Ich hätte es  allerdings nötig, auszuspannen, denn ich war seit 8 Jahren nicht mehr drüben, aber was nicht geht, geht nicht.

Wie geht es Dir, Deiner l. Frau und der Kronprinzessin? Schreibe mir auch in dem nächsten Brief etwas über dortiges Wissenswerte. Du weisst, Lautern interessiert mich immer.

Nun komme ich zu meinem Anliegen. Ich möchte gerne für meine Kinder eine Art Sparkasse machen, bezw. das was sie schon haben, in deutschen Papieren ablegen und dann immer weiter dazu kaufen. Ich sende Dir anbei einen Check über M 700,-, den ich der Einfachheit halber an die Order Deiner Firma stellte und bitte Dich, dafür durch ein dortiges Bankhaus, das auch Depositen verwaltet, 4%ige Papiere, Deutsche Reichsanleihe oder Bayr. Anleihe kaufen und diese in einer 1a Bank als Depot zu hinterlegen. Die Zinsen können immer gutgeschrieben werden und werden mit den neuen Rimessen (150–200 M pr. Mt) zum Ankauf weiterer Papiere verwandt. Ich denke, dass die Rhein. Kreditbank solche Geschäfte besorgt, bin aber mit allem einverstanden, was Du darin machst. Damit ich Dich nicht permanent zu piesacken brauche, bitte ich Dich, mich der Bank zu empfehlen und sie anzu­weisen, mir direct Anzeige zu machen. Im Voraus herzlichen Dank für Deine Bemühungen.

Ich bitte Dich, die Herren Jacob, Karl und Ludwig Ottmann herzlichst zu grüssen, ebenso die anderen mir bekannten Herren der Firma und sei selbst mit Deiner l. Frau bestens gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

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México, 17. Juli 1913

Mein lieber Fröhlich!

Es hat mich sehr gefreut, durch meine Tante und mein kleines Gör mal wieder direct etwas von Lautern gehört zu haben. Beide sind in Hubers Begleitung am 7. ds. in Veracruz ange­kommen, haben sich glänzend erholt und Jedes brachte einen Gewichtszuwachs von 5–6 Kilo mit. Das möchte ich mir auch mal wünschen, denn ich bin noch genau so dick oder dünn, wie damals, wo ich von Lautern weg bin.

Ich möchte Dir meinen herzlichsten Dank für die liebenswürdige Aufnahme meiner Reisenden ausdrücken und bitte Dich, dies auch Herrn Ottmann und Familie auszusprechen, bis ich Ihnen selbst schreibe. Besonders meine Kleine weiss nicht genug Rühmenswertes zu erzählen. Ich hätte etwas darum gegeben, wenn ich hätte selbst dabei sein können, denn es sind nun 7 Jahre, dass ich nicht mehr dorten war & so wie die Dinge liegen, werde ich so schnell auch nicht wieder hinkommen, denn ich bin leider hier sehr nötig und hätte auch selbst keine Ruhe, in so bewegten Zeiten das Steuer abzugeben. Wenn dann was schlimmeres passierte, würde ich mir ewig Vorwürfe machen.

Unsere Verhältnisse hier sind noch immer entsetzlich verworren und man sieht gar kein Ende. Man hat allgemein die Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten schüren und mit so mächtiger Hilfe fällt es der Regierung natürlich schwer, gegen den Tohuwabohu anzukommen.

Doch ich will Dir nicht zu viel von Politik erzählen, denn ich hörte, dass Du einmal einen Brief von mir veröffentlicht hättest und da muss ich mich sehr in Acht nehmen. Ich darf wohl als Privatperson sagen, was ich will, in meiner Eigenschaft als Generalkonsul geht das aber nicht. Wenn ich also einmal auf die Zustände schimpfe, so geht das nur Dich an. Man kann da nicht vorsichtig genug sein. Es liegt mir zwar nicht viel an meiner Würde, denn sie bringt so manche Last mit sich, aber es ist mir lieber, ich lege sie einmal selbst nieder, als dass man abgesägt wird.

Meine Tante wird Dir wohl erzählt haben, dass sie ihre Rückreise früher als vorgesehen antreten musste, weil meine Mutter immer mehr abmagerte und der Arzt sagte, sie müsse nach drüben, da seiner Ansicht nach eine Operation nötig werden würde. Ich wollte sie daher schon Mitte Juni abreisen lassen, aber sie weigerte sich, wegzureisen, bevor ihre Schwester wieder hier wäre. Da blieb mir also nichts übrig, als zu telegrafieren. Ich war in Veracruz, um sie abzuholen, konnte mich aber nicht entschliessen, meine Mutter hinunterzubegleiten, denn Veracruz ist jetzt der reinste Backofen. Es ging ohne mich, da der Director der Deutschen Schule mitfuhr, der auch nach drüben auf Urlaub ging. Hoffentlich wird die Operation nicht nötig, wenn aber, so hoffe ich, dass sie sie gut übersteht und dann wieder zurückkommt. Sie hat doch natürlich bei mir mehr Bequemlichkeit, als sie sich dorten schaffen kann.

Die Verhältnisse liegen ja leider so, dass ich jetzt nicht daran denken kann, nach Beendigung meines Contracts (Mitte 1915) mich zurückzuziehen, denn die traurigen Zustände haben uns natürlich manche Schlappe verursacht und den Verdienst böse mitgenommen. Auch der Umstand, dass mein Partner schwer geerbt hat und nun sogar noch ein Jahr früher austreten will, spielt mit und die Kommanditäre des Hauses werden nicht zugeben, dass die Leitung direct auf die Prokuristen übergeht, am allerwenigsten in solchen Zeiten, wo enorm aufgepasst werden muss. Zu allem Pech haben wir auch wieder [Fortsetzung fehlt]

Karl ,Carlos‘ Reichert (1)

Karl Reichert wurde am 14. Januar 1873 als erstes von fünf Kindern des Mathias und der Katharina Reichert, geb. Hogenmüller, in Kaiserslautern geboren. Der Vater war bei der Bahn angestellt und bewohnte das Haus Zollamtstrasse 1, das heute nicht mehr steht. Sein Großvater Matthäus Reichert war Küfer und Bierbrauer. Die mündliche Familiengeschichte überliefert, daß er seine eigene Brauerei beim Spiel verlor.

Nach dem frühen Tod seiner Frau heiratete der Vater Cecilie Alverdes (ein in Thüringen geläufiger Familienname), und Karl Reichert bekam vier Geschwister. Er besuchte das Humanistische Gymnasium bis zur Mittleren Reife, zuerst drei Jahre in Saargemünd, dem damaligen Arbeitsplatz des Vaters, nach dessen Versetzung dann in Kaiserslautern. Danach begann er bei der Kaiserslauterer Großhandelsfirma Ottmann 1890 eine kaufmännische Lehre. Dort lernte er den ein Jahr älteren Adolf Fröhlich kennen.

Von Kaiserslautern über Düsseldorf nach Mexiko

Beide verließen zum Jahr 1894 den Betrieb. Karl Reichert war beim Besuch eines Mitarbeiters der Firma Wuppermann & Co aus Düsseldorf aufgefallen und war auf der Stelle abgeworben worden. „H. Julius Albert ist Chef obiger Exportfirma W & Co, die Eisenwaren (Säbel, Nägel, Schrauben, Messer, Emaillewaren etc) nach Guayana, Columbia & Venezuela exportiert“, berichtete Reichert 1895 an Fröhlich in Kaiserslautern, und weiter: „Außerdem kauft H. Albert aber auch unter seinem Namen Seidenwaren, Litzen, Tressen, Fächer, Agréments, Nadeln usw für sein Haus Julio Albert y Co sucs. in Mexico ein und sendet dieselben herüber. Die beiden Geschäfte sind in einem Lokal zusammen, und man arbeitet einmal für W & Co und einmal für Jul. Albert, wie man Zeit hat“ (17/1/1895). Nachdem er sich etwas in den internationalen Handel, den die Firma führte, eingearbeitet hatte, wurde er nur ein Jahr später, am 11. Februar 1895 nach Mexiko geschickt um in der Firma Julio Albert y Cia Suc. zu arbeiten. Er war gerade 22 Jahre alt.

Ein Jahr später, im November 1896, bereiste Harry Graf Kessler (1868–1935) Mexiko. In seinen ,Notizen über Mexico’ gibt er den Eindruck wieder, den die Stadt Mexiko auf ihn machte: „Das Auge empfindet zuerst von der Stadt nur die Gewalt der Farben und des tropischen Lichts in der Höhenklarheit. Daneben verschwindet die Eintönigkeit des Stadtplans, den noch die vizeköniglich spanische Beamtenschaft im papierenen Stil geradwinklig reguliert hat, und auch die nordamerikanische Häßlichkeit der Telegraphenstangen auf den Trottoirs und der Trambahnen, die hier nicht nur den Verkehr des Publikums vermitteln, sondern es unternommen haben, in besonderen, schwarz gestrichenen Wagen zu billigen Preisen Leichen zu befördern. Die Menschenmenge, die alles farbig umflutet, die helle, rosenrote oder zartblaue Tünche der Häuser, um die das Licht beständig vibriert, die fernen Gletscher mit ihren bald mächtiger, bald nur blaß leuchtenden Firnen, und darüber ein Himmel, dessen Ton und Tiefe fortwährend wechseln, schaffen eine Bewegung von Farben und Reflexen, die wie ein Spiel das Auge beschäftigt“ (Kessler, S. 24).

Die Firma Julio Albert war von einem Deutschen gegründet worden und hatte auch eine Niederlassung in Berlin. Über die ausländischen Unternehmer berichtet Graf Kessler, mit der Arroganz des Europäers: „Weil also der Einheimische mit wenigen Ausnahmen weder den Wunsch noch die Gabe besitzt, einen komplizierten, auf langsamen und dauernden Erwerb gerichteten Betrieb zu leiten, liegen die großen und alle wichtigen Unternehmungen in der Hand von Ausländern, die mit ihrer eigenen Heimat in näherer wirtschaftlicher Verbindung als mit Mexico stehen. So fließt der größte Teil des Kapitals, das sich aus den Hilfsquellen des Landes bildet, nach außen ab“ (Kessler, S. 40). Reichert fiel es nicht leicht am Anfang, denn später gestand er: „Nach einigen Wochen war ich der Idee, daß es ein schweres sein würde, meinen 3-jährigen Contract auszuhalten & wenn man mir damals gesagt hätte, ich würde es 32 fertig bringen, so hätte ich ihn wohl ausgelacht“ (11/3/1927).

Sehr bald, im Juli 1899, heiratete Reichert, im April 1900 kam sein erste Kind – Carlos – auf die Welt, ihm folgte 1901 die Tochter Blanca. Von seiner Frau Manuela Kopahl lebte er nach der Geburt der Zwillinge Franz und Albert 1902 getrennt. Eine Scheidung war nach mexikanischem Gesetz zu dieser Zeit nicht möglich. Die Schwester seiner Stiefmutter, Hedwig Alverdes, kümmerte sich um die vier Kinder und besorgte den ganzen Haushalt. Sie war wohl nicht nur Erzieherin und Haushälterin, sondern stand Reichert persönlich sehr nah. Später erhielt sie von Reichert auch Generalvollmacht im Falle einer krankheitsbedingten Verhinderung Reicherts. 

1906 unternahm Reichert eine Reise nach Kaiserslautern und traf sich auch mit Fröhlich. Nach dem 1. Weltkrieg schrieb dieser ihm: „Denkst Du noch daran, als wir bei Deinem letzten Hiersein mit Ludwig am Hohenecker Weiher abends gemütlich bei einer Flasche Wein saßen und Pläne für die Zukunft schmiedeten! Alles ist ins Wasser gefallen. Aber trotzdem heißt es Kopf hoch im Interesse des Vaterlandes und unserer Familien“ (1/11/1919).

1910 dachte Reichert, 37 Jahre alt, schon ans Aufhören: „Länger als diese fünf Jahre will ich unter gar keinen Umständen arbeiten, wenn nicht unvorhersehbare Geschichten einen Strich durch die Rechnung machen“ (8/11/1910). In Mexiko war er sehr engagiert, besonders in der Deutschen Schule, in deren Verwaltungsrat er saß: „Ich übernahm mein Amt, als die Schule in großer Gefahr war, in Folge finanzieller Nöte zu stranden und mit viel Mühe gelang es mir, sie wieder flott zu machen. Aus diesem Grund verlieh mir die Reichsregierung den Orden“ (4/4/1911). Bis zum ersten Weltkrieg war er außerdem Deutscher Konsul für Costa Rica.

Revolution

Mexiko war ein vorrevolutionäres, autoritär regiertes Land, als Reichert dort angekommen war. Porfirio Diaz regierte Mexiko mit Unterstützung der katholischen Kirche, den Großgrundbesitzern und mit ausländischem Kapital. Graf Kesslers Beobachtungen gelten auch für die Europäer: „Die Nordamerikanischen Einwanderer, die anfangen, Großbetriebe innerhalb des Landes hervorzurufen und für sich Eisenbahnen und Telegraphen, Bergwerke und Fabriken zu gründen, sitzen in Mexico nicht als Mitglieder der Volksgemeinschaft, sondern als mächtige mit allen Hilfsmitteln des neunzehnten Jahrhunderts ihre eigene Bereicherung verfolgende Einzelmenschen, sie sind eine Art von wirtschaftlichen Übermenschen […]“ (Kessler, S. 41). Das Entstehen von Großplantagen in ausländischem Besitz verschlechterte die Lebensbedingungen der kleinen Landbesitzer. Die fortschreitende Verelendung der mexikanischen Landbevölkerung führte 1910 zur Revolution. Sie zog sich bis 1917 hin. 1914, während der Aufstände, schrieb Reichert an Fröhlich: „Ich kann Dir sagen, daß ich es sehr bedauert habe, nicht vor einigen Jahren nach drüben gegangen zu sein. Statt schön zu verdienen, sitzt man nun hier und hat mehr Sorgen wie sonst was“ ( 2/6/1914). Auch nicht ansatzweise ist ein Schimmer von Verständnis für die Probleme des Gastlandes zu sehen.

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México, 8. März 1913

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt Deine lieben Zeilen vom 17. pti, also am Tage bevor der hiesige Rummel zu Ende ging. Ich erhielt schon einige Zeitungsausschnitte aus Deutschland, worin die unglaublichsten Dinge erzählt werden, was hier Alles passiert sein soll. Es war ja auch schauderhaft und einfach unerhört. Das Regime des Hallunken Madero stank schon zum Himmel und lange konnte es so nicht mehr fortgehen, denn diese Bande hat entsetzlich gewirtschaftet und die Staatsfinanzen auf den Hund gebracht. Man macht sich im Ausland keinen Begriff von der Schweinewirtschaft, die eingerissen war. Es war höchste Zeit, dass es zu Ende ging mit Madero & Co und man hat gründlich fortgeräumt.

Es ging am 9. Febr. früh an. Wir wohnen direct dem Palast gegenüber an der grossen Plaza, woran auch die Kathedrale liegt. Man hatte Nachts Maschinengewehre in die Türme geschafft und schoss darauf los, was das Zeug hielt. Die ersten Schüsse gingen schon in unsere grossen Wasserbehälter, die auf dem flachen Dach sind, 10 Stück, wovon die beiden grössten sofort durchlöchert wurden und ihr Wasser über ein Glasdach ergossen. Sonntags ist fast Niemand im Geschäftshaus, und da ich fürchtete, dass unser Wasservorrat auslaufe (die Wasserleitung ist das erste, was diese Kerle abschneiden), so musste ich aufs Dach, um die intakten Behälter abzustellen. Eine etwas ungemütliche Affaire.

Dann zog sich Felix Diaz, da er den Palast nicht nehmen wollte, nach dem Arsenal zurück, eroberte dies mit leichter Mühe und verschanzte sich in den umliegenden Strassen, bevor Madero wusste, wie ihm geschah. Leider blieben die Truppen dem Kerl treu und so kam es, dass die Entscheidung sich so lange hinzog. Wir waren 12 Tage eingeschlossen, denn da wir direct im Centrum wohnten, glaubte ich meine Wohnung nicht verlassen zu dürfen, obwohl die Vorstädte ganz sicher waren. Meine Familie wollte mich nicht allein lassen, es musste auch schlimm kommen, wenn wir in Gefahr geraten sollten. Die beiden Gebäude sind 5 und 6stöckig und in Gefahr waren nur die oberen Stockwerke.

In den ersten 2 Tagen hatte man etwas Bedenken, oben zu sein, und wir hielten uns im Geschäft auf, dann sahen wir aber, dass es nicht so schlimm war und blieben ruhig oben. Alle 2 Tage holten wir, wenn die Schiesserei etwas aufhörte, die Post und mit 4 jungen Deutschen, die auch im Geschäft wohnten, wurde gearbeitet. Über uns platzten viele Shrapnells, welche auf den Palast geschossen wurden. Aber Du machst Dir kein Bild, 12 Tage und Nächste [sic] diese haarsträubende Schiesserei, besonders der Maschinengewehre. Der Sachschaden ist enorm und geht in die Millionen. Ca 1200 Menschen, darunter viele neugierige Civilisten, kamen um, die Verwundeten nicht gerechnet.

Meine Tante nimmt eine Kollection Fotografien mit, die sie drüben zeigen kann. Da kannst Du einmal sehen, was geleistet wurde. Vor einigen Tagen wurde Madero und der Vicepräsident nach dem Strafgefängnis überführt & und man machte einen Befreiungsversuch, wobei diese beiden Verbrecher an ihrem Vaterland ihre edlen Taten mit dem Leben büssen mussten. Das klingst zwar brutal, aber es ist das Beste, was passieren konnte. Nur so kann es bald Frieden und Ordnung geben. Die neue interimistische Regierung ist gut zusammengestellt, und wir haben die Hoffnung, dass wir jetzt rasch wieder in bessere Bahnen kommen.

Für das Geschäft ist dies natürlich schlimm, aber was will man machen. Mit dem Millionärspielen wird es auf diese Weise nichts, glaube auch nicht, dass ich so viel Ehrgeiz habe. Ein bisschen weniger tut es auch.

Anbei sende ich Dir einige Marken.i Wenn Du mehr haben willst, sage es nur. Wer sind eigentlich die jungen Leute, welche sich etablieren? Kenne ich sie?

Ich hoffe, bald wieder von Dir zu hören. Grüsse mir bestens die Herren der Firma, ebenso Deine werte Frau und sei herzlichst gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

Bassler & Ottmann geht es gut. Ottmann geht jedenfalls im Spätjahr zu Besuch nach Deutschland.

[i] Briefmarken 

Die beiden Gebäude links und rechts der Av. Francisco I. Madero, an der Calle 5 de Febrero, gehörten beide zu Reicherts Firma. Sie liegen an der zentralen Plaza de la Constitucion, rechts der Kathedrale und gegenüber dem damaligen und heutigen Präsidentenpalast.

4

Mexico, 21. Januar 1913

Mein lieber Freund Fröhlich!

Ich erhielt Deine liebe Karte aus Florenz, von Deiner Hochzeitsreise und freute mich darüber ganz besonders, denn dass Du bei einer solchen Reise an mich gedacht hast, ist Dir hoch an­zuschlagen.

Ich hoffe, dass Dir als altem Reiseerfahrenen unter so angenehmen Begleitumständen die Italientour recht gut gefallen hat und verfehle nicht, Dir nochmals recht herzlich Glück zu wünschen, Dir und Deiner geschätzten Lebensgefährtin, welche ich bei meiner nächsten Reise kennen zu lernen hoffe. Allerdings weiss ich noch nicht, wann ich mich mal wieder los reissen kann. Vor der Hand wird meine Tante, welche nun über 6 Jahre hier ist, mit meiner kleinen Tochter eine Erholungsreise nach drüben antreten, und zwar Mitte März. Sie wird im Laufe des Sommers auch nach Lautern kommen.

Leider kann ich nicht weg, denn meine Associe ist seit September in Paris und Südfrankreich und wird wohl noch ein paar Monate wegbleiben. Er wollte in Paris unsere Modeeinkäufe besorgen, musste aber gesundheitshalber darauf verzichten und mir telegrafieren, dass ich schleunigst einen der Prokuristen sende. Nun habe ich aber eine andere als die früher übliche Politik, möglichst viel Oberpersonal zu haben, befolgt und schon seit Jahren darauf hingewirkt, die „Gewalt“ mehr zu centralisieren. Aus 3 Teilhabern und 4 Prokuristen sind jetzt 2 und 2 geworden und nun will es der Zufall, dass wir hier oben gerade 1 Chef und 1 Prokuristen haben. Du kannst Dir denken, was da Einem Alles vor die Flinte kommt. Dazu noch bei der gar nicht enden wollenden Revolution.

Die Geschäfte des verflossenen Jahres waren recht zufriedenstellend, wenn auch nicht glänzend, denn man hat gegen Mexico in Europa und den USA ein grosses Misstrauen, was uns, die wir das Vertrauen nicht benötigen, in den Stand setzt, mit unseren Capitalien besser wirtschaften zu können.

Vor einigen Tagen starb die Schwiegermutter meines Socius, der nun ein grosses Kapital (ich taxiere es auf 1 Million) erbt und dann natürlich etwas Besseres zu tun haben wird, als Litzchen zu verkaufen. Dann tritt für mich die Notwendigkeit heran, noch länger hier tätig sein zu müssen. Ich hatte gedacht, mit der jetzigen Contractperiode zurückzutreten, aber es wird schwerlich gehen, denn unsere Kapitalisten drüben werden mich jedenfalls halten. In dem Fall möchte ich aber nächstes Jahr, wenn es irgend geht, eine kurze Europareise machen und es wird mich sehr freuen, einmal wieder das alte Lautringen zu sehen.

Zu Hause geht es uns gut. Meine Mutter fühlt sich wohl, ob sie aber für einige Jahre noch hier bleibt, bezweifle ich, denn ihr fehlt das deutsche Leben. Die Kinder machen gute Fortschritte, und ich könnte ganz zufrieden und glücklich sein, wenn ich nicht manchmal an mein eheliches Pech dächte. Na, es muss jeder Mensch eine Stelle haben, wo ihn der Stiefel drückt.

Was macht O & C ? Ich hoffe bald einen langen Brief von Dir zu erhalten, voll von Neuigkeiten. Grüsse mir vielmals die alten Freunde und Bekannten von der Firma und sei selbst herzlichst gegrüsst von

Deinem alten Freund!
C. Reichert

Der Brief Reicherts vom 21. Januar 1913. Reicherts schrieb fast alle seiner Briefe mit der Maschine und benutze stets Vorder- und Rückseite des Blatts.

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Mexiko, 4. April 1911

Lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deinen l. Brief vom 3. und 22. pti und danke Dir zuerst für Deine Glückwünsche. Wenn ich nur wüsste, wer mir das eingebrockt hat!! Ich wäre Dir für eine Richtigstellung sehr verbunden, denn ich erhielt von allen möglichen  Seiten Zu­schriften und werde darin so gewissermassen als Schullehreras­sistent gefeiert, der seinen Piepmatz sich abge­sessen hat. Ich bin in allererster Linie Kaufmann und das will ich bleiben. Mein Metier ändere ich nur in das des Ren­tiers um und es tut mir leid, dass der Artikel so undeutlich ist. Du selbst kannst meine Stellung der Schule gegenüber nicht verstehen, wie sollen das die anderen ehemaligen Schulkollegen!

Also ich sende Dir anbei eine kurze Notiz, die ich Dich bitte, der „Presse“ mitteilen zu wollen. Wenn schon diese Herren von einem alten Landsmann Notiz nehmen, so sollen sie es wenigstens richtig tun. Sonst denken sie ja wohl in Bayern nicht an die Staatsangehörigen. Die Reichsregierung ist darin entgegenkom­mender und sucht nationale Bestrebungen im Ausland zu stützen und anzuerkennen. Ich dachte es mir s. Zt., weil bei mir ange­fragt wurde, ob ich noch bayerischer Untertan sei, das alte Va­terland, d.h. das engere, würde sich meiner erinnern, das war aber ein kleiner Irrtum.

Die Sache liegt so: Unsere Realschule wird durch freiwillige Beiträge seitens der Kolonie, besonders durch die ersten deut­schen Geschäftsfirmen gehalten, denn die Schülerbeiträge rei­chen nicht aus. Auch zahlt die Reichsregierung einen hohen jährlichen Beitrag (momentan M 16000). Den Verwaltungsrat, der dem Reich gegenüber als Behörde figuriert, bilden 5–6 Chefs der ersten Firmen. Ich bin seit 3 Jahren Mitglied des Verwaltungs­rats und führe die Geschäfte mit dem Titel „Verwalter“. Gleich­zeitig bin ich 2. Vorsitzender des Verwal­tungsrats. Es sind na­türlich Ehrenämter. Ich übernahm mein Amt, als die Schule in grosser Gefahr war, infolge finanziel­ler Nöte zu stranden und mit vieler Mühe gelang es mir, sie wieder flott zu machen. Aus diesem Grund verlieh mir die Reichsregierung den Orden. Ein Vergnügen ist die Verwaltung nicht und compliziert ist der Zau­ber auch, da man sich auch dem technischen Teil natürlich etwas widmen muss. Ich war vor einigen Tagen in der Commission zur Prüfung der Einjährigen,i die 5 Mann hoch bestanden.

Es wäre mir lieb, wenn meine Lauterer Bekannten wüssten, dass ich dieses Ehrenamt verwalte neben meiner Haupttätigkeit als Chef unseres Hauses. Der Name „Calzada de la Piedad“ ist die Strasse, wo sich die Schule befindet.

Also tue mir den Gefallen und berichtige das. Solltest Du der Verbrecher des Artikels sein (was ich mir gar nicht denken kann, denn Du bist ein besserer Kenner der Verhältnisse), so sehe ich es als verdiente Strafe für den Artikel an, nun diese Richtigstellung zu veranlassen. Warst Du es nicht, de­sto bes­ser, dann tust Du mir wohl den Gefallen, nicht wahr?

Die Verhältnisse hier sind recht eigentümliche, aber man wird aus alle den übertriebenen Nachrichten gar nicht klug. Das bis­herige autokratische Regiment erlebt nun seine Früchte und der Brotkorb wird etwas niedriger gehängt. Es ist aber, bis jetzt, lange nicht so schlimm, wie es gemacht wird und eine grosse geschäftliche Schädigung ist noch nicht stark zu mer­ken. Wohl aber wird das kommen, wenn es noch eine Zeit lang so andauert. Und es hat ganz den Anschein.

Für Deine Bemühungen wegen des jungen Mannes nochmals meinen Dank. Ich werde die Cigarretten im Gedächtnis behalten. Deine Lokalnotizen interessieren mich sehr und ich bitte Dich, sie von Zeit zu Zeit fortzusetzen, aber ein wenig ausführlicher.

Für die dem Bürgermeisteramt gegebene Auskunft besten Dank. Sollte sich solche wirklich auf den Orden beziehen?

Bassler geht im Mai für kurze Zeit nach Hause und kommt jeden­falls auch nach Lautringen. Er hat sich in ein ganz war­mes Nest gesetzt und wird sicher vorankommen, denn es ist ein gutes Geschäft.

Meine Stiefmutter wird sich Ende ds. Mts. nach hier auf den Weg machen, um bei mir zu bleiben. Es könnte sein, dass sie wegen der Erhebung der Pension nicht weiss, wem da Vollmacht geben. Ich habe ihr gesagt, wenn sie Auskunft brauchte, solle sie sich an die Firma O & C wenden! Wenn Ihr etwas für sie tun könnt, bitte ich Dich darum.

Für heute schliesse ich und bin mit herzlichen Grüssen

Dein alter Freund
C. Reichert

i Die Mittlere Reife, so genannt weil sich mit diesem Schulabschluss der ansonsten dreijährige Wehrdienst auf ein Jahr verkürzte.