55

Mexico, 17. Januar 1928

Mein lieber Adolf !

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 13. Dezember, deren Inhalt mir manches Interessantes brachte. Es freut mich, zu sehen, dass es Deine Verwunderung erregt, wenn ich mich noch auf meine alten Tage (ich war vor wenigen Tagen 55) in neue Un­ternehmungen einlasse. Ich war eigentlich immer ziemlich un­ternehmungslustig, ohne mich in uferlose Projekte zu verlie­ren und die Vorsicht ausser Acht zu lassen. Letzteres habe ich allerdings immer getan und dabei geriet ich manchmal in Collision mit den jüngeren Herren. Als wir durch die vielen Revolutionen und den Krieg 1919 ziemlich ausgepowert waren, setzten wir uns gleich zusammen und berieten, was wir noch unternehmen könnten. Inzwischen waren neutrale oder alliierte Häuser sehr in die Höhe gekommen und hatten uns alles abge­nommen. Da meinten die ganzen Herren, nun gehörig bestellen und wieder hinein ins Geschäft. Aber womit? Wir hatten unse­ren Grundbesitz, aber verflucht wenig Bargeld. Unsere USA und englischen, sowie französischen Kredite waren weg und von Deutschland war nichts zu bekommen. Wir hatten bei der hiesi­gen Deutschen Bank einen Kredit von 250 000 $. Ich fragte dann an, was man uns geben könne. Die Antwort war absolut ne­gativ, wie es ganz natürlich war. Sie hatten selber nichts. Da kam die Bank of Montreal und bot uns 50 000 $ an und so starteten wir wieder. Es ist leicht gesagt, fix bestellen, aber dann kommen die Riesenzölle & der zu gewährende Kredit auf lange Monate. Nun, wir gingen dann langsam vor, erhielten neue Gelder, liquidierten manches aus der Kriegszeit verblie­bene und in 3 Jahren waren wir wieder so weit, dass wir in unserem Hauptbetrieb wieder oben waren und die Konkurrenz bös zurückblieb. Unsere Associès, die vorher nicht genug heraus­ziehen konnten an Geldern, verdienten so gut, das Niemand mehr Gelder aufnehmen wollte. Ich musste also wieder suchen, was mit den schon vorhandenen und in Bälde zu erwartenden Überschüssen gemacht werden sollte, denn auf die Bank legen kann man das Geld nicht, wenn man es hoch verzinsen soll. Dann muss es arbeiten. Deshalb habe ich mich in die Eisenwa­rengeschichte hineingesteckt. Ich habe noch ein Projekt in petto, eine Wollfabrik für Strickwolle, aber nach dem Ader­lass muss ich mir die Sache noch etwas verkneifen. Ich möchte es gar zu gerne machen. Inzwischen mussten wir die Zucker­plantage übernehmen und fangen jetzt an, zu arbeiten. Klein­bahnen, Ochsen, Motorboote und alle solche Sächelchen müssen herbei, und dafür brauche ich auch Geld. Unser Betriebskapi­tal sind jetzt über 7 Mill. Mark, und ich könnte ganz gut 10 Mill. verbuttern. Da muss ich aber Geduld entwickeln, bis ich es (mir) leisten kann, denn die Hauptsache ist doch ein ge­sunder finanzieller Standpunkt. Lieber weniger verdienen. Und in einem solch unsicheren Land wie Mexico muss man extra vor­sichtig sein.

Übrigens darfst Du Dich nicht über mich wundern, Du steckt Dich ja auch wieder hinein, statt auf Deinen Lorbeeren auszu­ruhen. Ich wünsche Dir übrigens besten Erfolg dazu und glaube sicher, dass er nicht ausbleiben wird, denn Du verstehst Dei­nen Kram. Ich wundere mich immer wieder, wie die Leute bei O & C Dich haben herausekeln können. Es geschieht ihnen recht, wenn sie jetzt merken, dass das unüberlegt und unklug war. Es wird mich sehr interessieren, zu hören, wie sich die Sache weiterentwickelt. Das betr. Rundschreiben ist übrigens noch nicht eingetroffen. Vergiss es nicht, mir zu senden.

Von Vetter Loehmer hatte ich einen Brief, worin er meinte, ob ich mich noch an das deutsche Weihnachtsfest mit Tannenbaum etc. erinnere. Wir feiern es nie anders. Rings um das Thal von Mexico wachsen herrliche Tannen zwischen 3000 und 3500 M Höhe. Wir hatten dieses Jahr ein Prachtexemplar und hatten eine sehr schöne Feier. Es fehlt gegen deutsche Weih­nachten nur der Schnee. Den kann man nur sehen, wenn man von dem fla­chen Dach aus die Vulkane ansieht.

Dem jungen Wernz geht es gut, aber er schreibt wohl wenig nach Hause?

Vom Verschönerungsverein erhielt ich die Anerkennungs-Ur­kunde, die mich sehr freute. Ich habe auch an den Pfälzer Waldverein einen Beitrag gesandt. Soll man eigentlich einen der beiden Vereine vorziehen? Und welchen?

Mit meiner Reiserei wird es wohl wieder Essig, denn ich kann mit gutem Gewissen nicht weg unter den jetzigen Umständen. Ich bin ein schlechter Seefahrer und die 3 Wochen hin und 3 Wochen her sind mit ein Greuel. Wenn es man erst gute Luft­schiffe gäbe! Vielleicht komme ich dann eher ans Reisen. Mir geht es fast so wie unserem Gründer Julius Albert, dem auch das Reisen einen Schrecken verursachte.

Wenn Du gelegentlich bei Crusius vorbeikommst, könntest Du ihm mal empfehlen, er möge mir Preisliste senden von Büchern über die Pfalz, Albums etc. sowie Karten.

So, für heute muss ich schliessen. Lasse mal bald wieder von Dir hören und grüsse mir die Herren Loehmer, Wolf, Hertzog, Lieberich. Du selber sei allerbestens gegrüsst von

Deinem alten Freund
C. Reichert

54

 o. D. (1927)

Mein lieber Fröhlich!

Endlich komme ich mal dazu, Deine freundlichen Zeilen vom 13. Juni zu beantworten und Dir auch dem Empfang Deiner Karte aus Interlaken anzuzeigen. Hoffentlich hast Du Dich in der Schweiz gut erholt und mit Deinem Filius schöne Tage verlebt. Ich hätte auch nichts dagegen, mal auf einige Zeit vor Anker gelegt zu sein, aber wenn ich mal so weit bin, dass der Kar­ren ziemlich läuft, kommt mir irgend eine Idee und dann gehe ich wieder darauf los und es lässt mich nicht ruhen. Dabei muss ich ehrlich sagen, es ist nicht die Absicht des Gelder­werbs, die mich lockt, es ist direkt ein Sport oder Fimmel, wie Du es nehmen willst. Ich würde mich nicht wohl fühlen, wenn ich dann nicht mit der Idee losgehen könnte.

So war ich vor einem Jahr so weit, dass unsere Finanzen leicht zu „managen“ waren, und ich verlegte das Datum unserer Bilanzen auf den 28. Februar, um im Frühjahr reisen zu kön­nen. Es war meine feste Absicht.

Da traten hier 3 Präsidentschaftskandidaten auf, und das ganze Geschäftsleben fing an zu stagnieren, denn wenn so was kommt, gibt es immer ein Revolutiönchen. (Jetzt ist es ja mal wieder so weit.) Da die meisten Häuser gar nicht darauf vor­bereitet waren und sich zu stark engagiert hatten, kamen Ver­schiedene in böse Schwulitäten, darunter auch 3 grössere deutsche Firmen. Die eine wurde gestürzt, die anderen aber kamen in gerichtliche Liquidation. Eine dieser Firmen aus der Farben, Küchen & Haushaltsartikel etc.-Branche ging sehr gut und nur die Finanzen riess das Haus um. Ich interessierte mich für den Ankauf und bot darauf. Aber man nahm das nicht an, denn der Syndikus glaubte, für die Gläubiger 100 % her­auszubekommen. Das Haus hat ca. 450 000 $. Warenlager, ein Lager an einem Bahnhof und das Geschäftsgebäude in der besten Gegend. Das Objekt ist für die heutige Lage und Geldknappheit so gross, dass schliesslich Niemand darangehen wollte. Ich entschloss mich dann zu einer Offerte, den inzwischen im Wert geminderten Kram zu 1/2 Million Pesos zu nehmen und nach lan­gem Würgen und Drücken, dem ich aber nicht nachgab, hat man uns die Geschichte zugesprochen. Ich bin nun gerade dabei, die Sache neu zu organisieren, denn es ist alles sehr ver­nachlässigt und es bedarf einiger Monate, um einigermassen auf den Punkt zu kommen, wo einem das Geschäft Spass macht. Inzwischen haben wir den Durcheinander politischer Natur, von dem Du sicher durch die Presse gehört hast. Aus begreiflichen Gründen will ich mich darüber nicht auslassen. Die Welt schreitet fort, redet immer mehr von Freiheit und Brüderlich­keit und Demokratie und dabei kommen wir immer weiter weg.

Mein Ältester ist in Nicaragua gewesen, um zu helfen, die Welt in Bezug auf jenen Raubstaat sicherer für die Demokratie und Selbstbestimmung der Völker etc., wie all der Quatsch heisst, zu machen. Nachdem die USA das besorgt haben, nahm die Flotte Richtung nach Guam, Manila und Shanghai, denn die Charlies im Far East wollen auch nicht begreifen, was Demo­kratie ist. Ich will nur hoffen, dass er eines Tages wieder gesund wiederkommt. Er ist sehr unternehmend, schreibt aber in seinem letzten Brief, nun habe er aber bald von der Welt genug gesehen.

Dem jungen Wernz geht es sehr gut. Er besucht mich ab und zu und berichtet mir Gutes über sein Fortkommen. Er ist in einer kanadischen Bank und verdient schon ganz nett.

An den alten Hoffmann erinnere ich mich sehr gut. Er war da­mals Facturist und liess sich da nichts dreinreden. Ich sehe ihn noch vor mir mit seiner Handschrift sogar. Wenn Du ihn siehst, bitte ich ihm einen Gruss auszurichten, ebenso Peter Wolff.

Durch den Besuch eines Vertreters der Pfaffschen Fabrik, Zahn mit Namen, kam ich wieder in Contact mit meinem Vetter Loeh­mer, der Prokurist von Pfaff ist, sich aber bald zurückziehen will. Ich kenne ihn persönlich leider nicht, wohl aber hörte ich viel über ihn. Er war früher immer auf Reisen und muss wohl ein tüchtiger Mann sein.

Dass Oberbahnmeister Walter starb, ist mir schmerzlich. Er war meinem Vater immer ein guter Kollege gewesen. So nach und nach merkt man, dass man alt wird, denn um einen herum bröc­kelt doch manches schon ab.

Sonst geht es uns gut. Mein kleiner Enkel macht jetzt schon viele Sonntagsausflüge mit und läuft ganz niedlich seine 2 Stunden. Dann muss er fahren oder auf seinem Vater reiten.

Für heute muss ich schliessen, wünsche Dir und Deinen Lieben alles Gute und verbleibe mit herzlichen Grüssen stets

Dein alter Freund
C. Reichert

53

Mexico, 4. Mai 1927

Mein lieber Fröhlich!

Ich erhielt Deine l. Zeilen vom 4. und 12. April und las mit grossem Interesse von der Abwicklung mit der Firma Ottmann. Zuerst sprichst Du von 140ooo Mk und dann nur von 80ooo Mk: ich hoffe, dass man Dir nicht noch Abzüge gemacht hat, was man allerdings nach Allem, was Du mir über die Affaire sagst, erwarten konnte, denn Dankbarkeit findet man bei der nächsten Generation nicht. Das haben schon grosse Leute mitmachen müs­sen. Ich lese gerade den Roman von Strobl über Bismarck, die Trilogie „Runen Gottes“. Da kann man auch so Einiges von men­schlicher Dankbarkeit lesen. Geleistete Dienste werden selten oder nie anerkannt. Ich erinnere mich da an eine Anekdote von dem mexik. Präsidenten Juarez. Der hatte einen Freund, dem er viele Gefälligkeiten getan hatte. Der Kern wandte sich dann gegen ihn. Da meinte er: Es genügt meistens, jemanden einen Dienst erwiesen zu haben, um einen Feind mehr zu haben. Ganz so niederdrückend sind nun meine eigenen Erfahrungen nicht, aber einiges Üble habe ich doch erlebt.

Es ist übrigens eine grosse Anerkennung für Dich, dass Du die Ehrenämter beibehalten hast und das gibt Dir Gelegenheit, Dich gelegentlich mal an einer Sache zu beteiligen, die Dei­ner Begabung entspricht, ohne allzuviel schuften zu müssen. Ich meine, Du solltest da mal an eine Bankstellung denken, um nicht den ganzen Tag angespannt zu sein. Es ist sehr schwierig, sich seinem Alter entsprechend einzustellen. Ich bemühe mich auch innerhalb unseres Betriebs, aber da kommen Zeiten, wie jetzt gerade, wo man mehr arbeiten muss als je. Die Lage ist hier recht brenzlich und ich fürchte, sie wird sich so schnell nicht zum Guten und zur Ordnung wenden. Die Zeitungen haben Censur und als Ausländer tut man besser, seinen Schna­bel zu halten und nichts zu sagen.

Dass unter diesen Umständen an die so lange ersehnte Reise nicht zu denken ist, wirst Du begreifen. Meine Verantwortung ist zu gross & es heisst, das Steuer in der Hand behalten.

Das erwähnte Buch von Ludwig kenne ich und besitze es schon, denn ich liebe es, auch andere Meinungen zu hören. Waldersee und Zedlitz, die hohe Ehren eingeheimst haben und sich dann hinsetzten, um Dinge niederzuschreiben, die man nur im Zusam­menhang verstehen kann, sind in meinen Augen Lumpen. Und Lud­wig macht ein Geschäft daraus, einen Mann mit Dreck zu bewer­fen, dem er sicher hinten hineinkriechen würde, wenn der Krieg anders ausgegangen wäre. Sei die Sache, wie sie wolle, ein anständig denkender Mensch sollte ruhig sein, denn wenn man jetzt über den Kaiser schimpft, so sollte man bedenken, dass alle Welt ihn früher anhimmelte. Warum haben diese Tröpfe denn nicht früher ihr Schandmaul aufgerissen? Jetzt, nachdem der Mann gefallen ist, sollte man ihn in Ruhe lassen. Es ist eine recht hässliche Sache. Ich selber denke auch, dass es nicht convenieren kann, den Kaiser wieder ans Ruder zu bringen, aber man sollte doch seinen Frieden mit ihm ma­chen und nicht die Verbannung aufrecht zu erhalten. Das er­zeugt böses Blut. Ich kann mich jedenfalls nicht mit einer Republik befreunden, die auf Lügen aufgebaut ist. Alle Welt hat eingesehen, dass der Kaiser geradesowenig und geradeso­viel Schuld hatte am Krieg, wie andere auch und die November­tage 1918 enthalten viele Hundsgemeinheit. Siehe das Prinz­chen Max von Baden, dieser armselige Herr. Na, lassen wir den Kram beiseite, meinen Standpunkt sehe ich nur immer mehr be­festigt durch das, was man sieht in der Welt. Der ganze Kram geht zum Deibel mit dem Parlamentarismus und den Volksfrei­heiten.

Mein Ältester ging wieder von seinem Urlaub in die Marine zu­rück und er schrieb mir, er müsse wohl nach China oder Nica­ragua. Aber ich habe seit 2 Monaten keine Nachrichten mehr von ihm.

Ein Billet kostet Newyork-Laredo-Mexico etwa 110 Dollars. Dazu kommt Pullman. Billiger reist man mit der Ward-Line ab Newyork via Veracruz. Da Du nach Arkansas musst, conveniert es Dir, die Herreise über Newyork per Bahn über Laredo zu ma­chen und die Heimreise über Veracruz direkt nach Europa. Je nach den Ansprüchen, die man macht, kann man billiger oder teurer reisen. Das Mittel-Europäische Reisebureau oder Hapag kann Dir die näheren Preise angeben. Es wäre sehr schön, Dich mal hier zu sehen, denn es ist ein interessantes Land und mal ganz was Anderes. Mich zieht es nicht nach Deutschland, denn ich kenne vieles und heute kann es mir nicht imponieren mit seinem Parteigezänke und alle dem Quatsch, der verzapft wird. Man sollte mal die Politik 10 Jahre ausschalten in der ganzen Welt und die Hauptschweinigel bei Wasser und Brot einige Jahre gefangen setzen, damit ihnen die Hetzerei vergeht.

Wegen der mexik. Papiere kann ich Dir nichts Bestimmtes sa­gen, denn ich bekümmere mich nicht darum. Hier arbeitet fast Niemand darin und Niemand kauft heute solches Zeug. Drüben wird viel mehr darin gemacht. Ich habe eine hiesige Firma ge­beten, durch ihre Frankfurter Verbindung sich mit Dir ins Be­nehmen zu setzen, aber die Leute haben kein Interesse daran und wenn sie es tun, dann nur aus Gefälligkeit. Ich würde Dir abraten, Dich sehr damit zu befassen, denn die Lage ist zu unklar. Es haben schon Viele ihre Finger daran verbrannt. Fast einfacher ist es, rouge et noir zu spielen. Da weiss man gleich Bescheid und braucht sich nicht lange den Kopf zu zer­brechen.

So, nun habe ich für heute eine Menge zusammengetippt. Lasse bald und viel von Dir hören: Du hast jetzt mehr Zeit wie ich!

Mit herzlichen Grüssen bin ich stets
Dein alter Freund
C. Reichert

52

Kaiserslautern, den 4. April 1927

Mein lieber Freund Fröhlich!

Dein lieber Brief vom 11. ds. Mts. kam dieser Tage in meinen Besitz, als ich krank im Bett lag und zwar an einer starken vernachlässigten Grippe, die zu einer schweren Bronchitis führte. Ich bin noch nicht ganz herge­stellt und darf tagsüber nur einige Stunden ausser Bett zubringen. Ich hoffe jedoch, dass mit Beginn des warmem Frühjahrswetters die Sache bald wieder behoben wird. Die Erkältung hatte ich schon seit An­fang des Jah­res, aber sie niemals richtig ausgeheilt, weil man sich keine Zeit dazu nimmt.

Zu Deinem 32jährigen Mexico-Dienstjubiläum gratuliere ich Dir herzlichst. Es ist in der Tat eine lange Zeit, ein Menschen­alter, welches Du im frem­den Lande zugebracht hast. Du kannst jedoch die Befriedigung für Dich bu­chen, das erreicht zu ha­ben, was Du Dir als Ziel stecktest und für Deine Kinder hast Du nunmehr das Bett gemacht. Wenn ich mein Schicksal dagegen vergleiche, dann müsste ich mich allerdings darüber aufregen, aber das ist mir nicht gegeben, denn in einer Art bin ich froh, dass ich von Ottmann-Thomas weg bin, denn ich hätte mich zu Tode geär­gert. Wenn auch bei den alten Herren Ott­mann, namentlich in den letzten Jahren, viel auszusetzen war, was mir nicht gefiel, wovon Du keine Ahnung hast und das ich Dir auch nicht schreiben möchte, so war es doch immerhin er­träglich, weil man sich sagte, die alten Herren wissen in ih­rer nervösen Krankheit nicht, was sie tun und sind nicht voll verantwortlich. … Ich bin mit 140–150 000.- MK. abgefunden worden. Davon ist ein Teil so­fort zahlbar, der grössere Teil in Jahresraten. Ich hätte zwar ruhig Teilhaber bleiben können, aber die Umfirmierung der Firma Ottmann-Thomas passte mir nicht in den Kram und hätte eine spätere Liquidation der Firma Ottmann & Co., die mir zustand, illusorisch gemacht. Die Sache kam vor das Landgericht Mannheim, das im Vortrag als zuständig erklärt war und habe ich dort den Vergleich ge­schlossen. Wäre derselbe nicht zustande ge­kommen, dann hätte es einen jahrelangen Prozess  gegeben. Vorerst lebe ich ein­mal als Rentner und da ich mich schon früher verpflichtet habe, innerhalb drei Jahren kein Konkurrenzgeschäft anzufan­gen und mich an kei­nem solchen zu beteiligen (in Mannheim, d.h. ausserhalb der Pfalz wäre mir dies sofort erlaubt und sind mir schon Anerbieten gemacht worden), will ich vorerst einmal langsam tun, um meine ziemlich heruntergekommenen Ner­ven in Ordnung zu bringen. Du hast recht, wenn Du für die neue Firma Dein Desinteresse erklärst.

Das Ansehen, welches ich für die Firma geschaffen habe, schwindet sicher­lich bald dahin und hat schon Not gelitten. In die Handelskammer bin ich trotzdem wieder gewählt worden. Auch meine übrigen Ehrenämter (Vorstandsmitglied des Nah­rungsmittelgrosshandels in der Pfalz, in Bayern und in Ber­lin, ferner Mitglied des Landeseisenbahnrates für Bayern und München etc.) behalte ich infolge Neuwahl bei.

Deine Neujahrswünsche, die ich mittels der reizenden Karte mit dem Bilde Deines lieben Enkels Veerkamp erhielt, habe ich s. Zt. erwidert und Dir ebenfalls gratuliert. Hoffentlich ist mein Brief angekommen.

Bezüglich Deiner Anregung zu einer Amerikafahrt, so schwebt mir diese Idee schon selbst einige Monate im Kopf herum, doch ist es mir in den nächsten Monaten nicht möglich, eine solche auszuführen. Ich will einmal ruhig den Sommer vorübergehen lassen und dann mit meinem Bruder in Arkan­sas in Verbindung treten, um zu hören, was dieser meint. Vorerst bitte ich Dich, Dich damit zu trösten, dass aufgeschoben nicht aufgeho­ben ist. Ich muss hier noch Verschiedenes abwarten, und dann ist auch mein augen­blicklicher Gesundheitszustand nicht der­art, dass ich eine solche Reise unternehmen kann. Dass ich während meines evtl. dortigen Aufenthaltes Dein Gast sein darf, dafür danke ich Dir verbindlichst und wenn ich mich entschliesse, die Reise zu machen, können wir ja vorher noch die Route festlegen.

Lieb wäre es mir natürlich, wenn Du Deine geplante diesjäh­rige Sommer­reise nach Europa ausführen würdest. Dann würde ich mich bestimmt einige Wochen frei machen und mit Dir in der Schweiz oder sonstwo einige schöne Tage zubringen.

Die Mexico-Politik verfolge ich stets mit grösster Aufmerk­samkeit. Es hat jetzt den Anschein, dass hinsichtlich des Kirchenkonfliktes wieder Ruhe herrscht und auch die Affäre mit den U.S.A. in Ordnung kommt. Dass Bass­ler in seinem Ge­schäft nicht prosperiert, tut mir sehr leid. Er ist in der Tat ein braver fleissiger Mensch mit gutem Charakter und es beruhigt mich, von Dir zu hören, dass er evtl. eine Stütze an Dir hat.

Deine Mitteilungen bezüglich Prinz Heinrich und seines Bru­ders Wilhelm II. interessierten mich ausserordentlich. Ich kann mir lebhaft denken, dass dieser Besuch für Dich und alle dortigen Deutschen von grossem In­teresse war und dass Du viel erfahren hast, was gewöhnliche Sterbliche im deutschen Reiche nicht wissen und je erfahren werden. Es ist heute unbe­stritten, dass der Kaiser am Weltkrieg nicht mehr schuld hatte wie die übrigen Regierungschefs auch, wenn er auch manchmal besser geschwiegen als viel geredet hätte. Seine Ratgeber hatten ein gerüttelt Maß an Schuld an dem Nieder­gang, aber die Ereignisse, die zum Unglück Deutschlands führ­ten, lassen sich nicht mehr ändern und es ist jetzt Pflicht eines jeden Deutschen, ob zu Hause oder in der Fremde, mitzu­helfen an dem Wiederaufbau unseres Vaterlandes. Die Lasten, die wir zu tragen haben, sind ausserordentlich, und ich glaube, im Verlauf der Jahre werden die kleinen Parteien und Parteichen verschwinden müssen. Schuld daran sind nur die egoistischen Führer, die im Trüben fischen wollen. Was uns die Zukunft bringen wird, wissen wir nicht und (das) ist gut so. Ich war vor dem Kriege ein ausgesprochener Monarchist und bin heute noch kein überzeugter Republikaner. Aber jedermann, welcher die Verhältnisse in Deutschland miterlebt hat und sich heute nicht persönlich um Politik bekümmert, sagt sich doch, dass in den nächsten Jahren an den bestehenden politi­schen Zu­ständen nichts zu ändern ist, weil sonst der Bürger­krieg unvermeidlich ist. Ich empfehle Dir, einmal das Buch zu lesen: „Wilhelm II.“ von Emil  L u d w i g , Verlag Ernst  R o w o h l t , B e r l i n , Ausgabe 1926, das grosses Aufse­hen erregte. Wenn es dorten nicht zu haben ist, will ich es Dir gerne schicken.

Dass Ottmann verheiratet ist, ist mir neu. Er war voriges Jahr hier, und ich konnte ihn nur kurz sprechen.

Hat sich Dein Ältester bei der amerikanischen Marine auf meh­rere Jahre verpflichtet und ist er Offizier?

Hoffentlich bist Du und Deine Familie gesundheitlich in be­ster Ordnung. Seit Januar hatte ich ausser mir ständig Kranke; meine Kinder und meine Frau waren nacheinander bett­lägrig. Das sind die Sorgen eines Familienva­ters.

Sonst weiss ich für heute nichts besonders Neues. In der Hoffnung, bald wieder von Dir hören, begrüsse ich Dich

in alter Freundschaft
Dein
A. Fröhlich

N. B. Ich bewundere Deine immer noch so jugendliche, energische und dabei überaus schöne Handschrift, die noch nichts davon merken lässt, dass der Schreiber bereits über 50 Jahre alt ist.

51

Mexico, 11. März 1927

Lieber Freund Fröhlich!

Wenn ich das Datum 11. März schreibe, muss ich immer daran denken, dass das der Tag ist, an dem ich in unsere Firma ein­trat, heute vor 32 Jahren. Ein Menschenalter fast! Nach einigen Wochen war ich der Idee, dass es ein schweres Stück Ar­beit sein würde, meinen 3-jährigen Contract auszuhalten & wenn man mir damals gesagt hätte, ich würde es 32 fertig be­kommen, so hätte ich ihn wohl ausgelacht.

Nach dieser kleinen Reminiscenz komme ich endlich zur Beant­wortung Deiner freundlichen Zeilen vom 9. Dezbr. Meine Neu­jahrs-Glückwünsche wirst Du wohl erhalten haben? Ich wartete inzwischen auf die mir versprochene Nachricht, wie Du nun mit O & C auseinander gekommen bist. Hoffentlich einigermassen Deinen grossen Verdiensten um die Firma entsprechend. Ich habe immer noch sehr an meiner Lehrfirma gehangen, muss aber nun doch feststellen, dass Du den Bindestrich darstelltest. Nachdem alle Ottmänner, Schneider & Du abgebröckelt sind, hat mein Interesse wenig mehr übrig.

Es würde mich lebhaft freuen, wenn Du die Zeit des Wartens zu einer Amerika-Fahrt benützen würdest & ich kann Dir nur ra­ten, dann mal nach dem Aztekenland zu kommen, wo Du manches Schöne sehen wirst. Ich würde dann Urlaub nehmen, um mich Dir ganz zu widmen. Selbstverständlich würde der Aufenthalt hier Dir keinerlei Spesen verursachen.

Wir haben unser Bilanz-Datum vom 30. Juni auf den 28. Febr. verlegt, um mir Möglichkeit zu einer Sommerreise nach Europa zu geben, aber gleich im ersten Jahr – wir haben am 28. 2. Bi­lanz gemacht – geht es schon nicht, denn die Verhältnisse sind so, dass es schon fast gewissenlos wäre, jetzt das Ge­schäft liegen zu lassen. Nach ein paar guten Jahren geht es jetzt mal wieder normal hier zu & wer weiss, was die nächste Zeit bringt. Man wünschte, es käme einmal zum Arrangement oder zum Krach, aber dieses watchfull waiting ist scheuss­lich.

Du fragst, ob Prinz Heinrich bei mir war. Gewiss, ich war öfters mit ihm zusammen & er verbrachte auch einen Abend in meiner Wohnung. Er war riesig nett & wir haben ihn liebgewon­nen. Nichts von Politik, nur Patriot. Es hat ihm besonders in Cuernavaca gut gefallen, wo er in meinen Räumen wohnte. Er war so entzückt von der herrlichen Gegend, dass sein Reisebe­gleiter, Capitän Götting, hier ein Bild suchen wollte. Ich hatte ein Aquarell-Gemälde, gerade das, was er suchte, in Abendstimmung (die ich Dir hoffentlich mal zeigen kann, in natura), und als ich ihn bat, es von mir anzunehmen, war er ganz „weg“. Consul Rau, der in Veracruz noch mit ihm an Bord war, sagte mir, der Prinz habe das Bild gleich ausgepackt & es in seiner Cabine aufgehängt. Der Chef der Ozean-Linie hat ihm die Reise gestiftet. Die Gespräche mit dem Prinzen haben mir einen tiefen Eindruck gemacht & ich bin mehr als je über­zeugt, dass die Ereignisse vom Nov. 1918 nicht hätten kom­men sollen. Wir waren unter solchen Leuten besser ab, als jetzt mit dem öden Durcheinander & dem Parteiengezänk. Meine eigene Idee, früher auch etwas „rosig“, leicht liberal, haben sich bei dem hier genossenen Anschauungs-„Unterricht“ von de­mokratischen Republiken sehr entfernt. Wir haben hier dieses Jahr auf meine Veranlassung hin auch dem Kaiser zu einem Ge­burts-Tag gratuliert, in Form einer Adresse, die ohne weitere Bemerkungen einfach dem alten Herrn Glück wünschte & ich er­hielt von ihm ein Bild & Brief, sowie seine Bücher.

Ich finde das als ein Gebot der Höflichkeit. Der Mann hatte den besten Willen, war aber schlecht beraten. Und man bedenke die ungeheure Tragik, die in der Sache liegt. Schon jetzt sind alle vernünftigen Menschen einig, dass Deutschland nicht die Schuld hatte. Die Meinungen darüber, was der Kaiser im Nov. 1918 hätte tun müssen, sind sehr geteilt, ob er dann wirklich das Falsche tat, weiss man nicht, denn man weiss nicht, was gekommen wäre, wenn er nicht nach Holland ging. Ich werde jedenfalls mir die Überzeugung, dass er ein viel zu anständiger Mann für die Alliierte-Manager war & dass die Ideen sich noch sehr ändern werden, nicht rauben lassen & sein Bild hat in meinem Haus den Ehrenplatz.

Bassler hat in seinem Geschäft keine Seide gesponnen, denn er war zu gutmütig. Er verpumpte & verlor viel & es scheint, dass er liquidieren will. Ich hätte ihm schon gerne einen guten Posten bei uns gegeben, aber er will lieber frei sein. Wenn er mich braucht, werde ich gerne helfen, denn er ist ein fleissiger Mann.

Ottmann hat sich verheiratet, wie Du wohl weisst & ist noch immer Prokurist in der Firma meines Schwiegersohnes.

Mein Ältester ist wieder nach U.S.A. zurück & sollte nach China oder Nicaragua. Wo er nun hinkommt, weiss ich noch nicht. Er möchte gerne nach China. Meine beiden Anderen sind nach wie vor im Geschäft. Sonst geht es so ziemlich.

Ich erwarte also bald Nachrichten von Dir & sende Dir & den Deinen beste Grüsse, auch von den Meinen, so weit sie Euch kennen.

Stets Dein getreuer
Reichert

Der Brief vom Verschönerungsverein
folgt anbei zurück!

50

Kaiserslautern, den 9. 12. 1926

Lieber Freund Reichert !

Mit Deinem Briefe vom 15. November hast Du mir und natürlich noch mehr dem Verschönerungsverein hier, viel Freude berei­tet. Wir müssen hier in der Stadt wegen der geringen Beiträge von M 3.– bis 4.– bei den alten Mitgliedern des Verschöne­rungsvereins tatsächlich betteln gehen, um die vor dem Kriege erstellten Bänke und Wege wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen. Durch die Verrohung der Jugend wurde Vieles zer­stört, und Du kannst Dir lebhaft vorstellen, dass in Anbe­tracht der rückliegenden In­flation der Mittelstand verarmt ist und gerade aus dieser Sparte des Deutschtums hatte früher der Verschönerungsverein seine Mitglieder her­eingeholt. Mit Deiner hochherzigen Spende können wir schon manches begin­nen. Ich überlasse Dir in der Einlage zunächst ein offizielles Dank­schreiben des Verschönerungsvereins sowie zwei Zeitungs­ausschnitte. Der Artikel stand noch in mehreren Zeitungen, und ich hoffe, dass  Du über Deine Gabe selbst Befriedigung findest. In der nächsten Ausschußsitzung soll noch besprochen werden, wie man Dich im übrigen ehren will.

Was nunmehr den übrigen Inhalt Deines Briefes anbelangt, will ich Dir kurz mitteilen, dass  ich jetzt für das Schieds­gericht eine Dame mehrere Wochen beschäftigte, um die Entwickelung der Differenz niederzulegen. Mein Rechtsbeistand stu­diert nunmehr die Sache, und ich hoffe, dass die Angelegenheit in Fluss kommt. Über das Urteil werde ich Dich später verständigen. Es ist genau so wie Du schreibst und auch hier in Kaiserslau­tern hat man mehrere solcher Beispiele.

Der Krieg hat vieles zerstört, was früher gang und gäbe war. Ob dies aber für die Wirtschaft von Vorteil ist, möchte ich bezweifeln. Bevor das Schiedsgericht nicht gesprochen hat, kann ich für die Zukunft keinerlei Pläne machen und es ist richtig, was Du vermutest: Meine Nerven sind we­sentlich ruhi­ger geworden, ich schlafe besser und fühle mich gesundheit­lich überhaupt mehr auf dem Damm. Ich selbst hatte schon die Idee, wenn meine Sache erledigt ist, eine mehrmonatliche Ame­rikareise zu machen und habe dies bezüglich auch meinen bei­den Brüdern (zwei sind in den letzten Jahren gestorben) ge­schrieben. Etwas Bestimmtes kann ich noch nicht vor­hersagen und will ruhig abwarten, was das neue Jahr bringt. Wenn ich dann die Fahrt über das Wasser mache, um meine beiden Brüder, die im Staate Arcansas (Lonoke und Devalls Bluff) wohnen, ist es meine feste Absicht, die Heimreise über Mexico zu machen, um auch Dir und den übrigen dortigen Freunden „Guten Tag“ zu sagen.

Es tut mir sehr leid zu hören, dass Du Dich in letzter Zeit nicht ganz wohl fühlst. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn Du Deinen nächstjäh­rigen grossen Urlaub in Europa ver­bringen könntest, damit wir uns gemein­sam einige schöne Woche machen können. Ich empfehle Dir unter allen Umständen, jetzt mit der Arbeit langsam zu tun, denn die fünfziger Jahre sind für die Männer immer etwas verhängnisvoll, wie mir mein Pro­fessor in Heidelberg sagte. Hoffentlich ist bei Dir die Sa­che nicht so schlimm, da­mit Du bald wieder in Ordnung kommst.

Du schreibst, dass  Dein ältester Sohn bei der amerikanischen Marine war. Das war mir unbekannt, und ich glaubte, dass letztere nur Amerikanern einstellen würde. – Über die Mexico-Politik verfolge ich mit großem In­teresse die Tageszeitungen. Hoffentlich wird sich der amerikanisch-mexi­canische Streit auch in Güte erledigen lassen. War Prinz Heinrich bei Dir? Ich wäre Dir dankbar, wenn Du mir darüber schreiben würdest. – Das Bild, das ich Dir sandte, war ein Schnellbild. Viel Runzeln habe ich noch nicht, dagegen schon einen grauen Kopf.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland sind immer noch sehr un­günstig. Die Steuern erdrücken jegliches Gewerbe und Handel, sie sind beinahe unaufbringlich. Wenn sich aber die europäischen politischen Verhältnisse konsolidieren, glaube ich doch auf eine allmähliche Besserung schliessen zu dürfen. Die vielen Zollschranken, die der Versailler Vertrag errichtet hat, müssen wieder fallen und es ist das Bestreben aller Politiker, ein Pan-Europa zu schaffen.

Gestern sprach ich auch Peter Wolf, der Dich auch bestens grüssen lässt. Durch die Verbandsgeschichten habe ich immer noch Zerstreuung und ich werde Anfang Januar zu einer Vor­standssitzung des Reichsverbandes des Deutschen Nahrungsmit­telgrosshandels nach Hamburg fahren. Was macht Bass­ler’s Ge­schäft? Was macht der junge Ottmann? Letzthin traf ich auch Hermann Rheinberger, der in Pirmasens bei seinem Onkel in der Schuhfabrik ist. Es geht ihm gut. Er lässt Dich ebenfalls grüssen. Mein Schwager Gotthold, der auch einmal drüben bei Dir war, wird am 7. Januar für ver­schiedene deutsche Firmen eine Indien-Reise unternehmen. Meine Familie ist gesund, und ich hoffe, dass bei Dir sonst auch alles in Ordnung ist. Schliesslich wünsche ich Dir und Deinen lb. Ange­hörigen zum bevorstehenden Jahreswechsel das Allerbeste. Auch Herrn Bass­ler bitte ich für das Jahr 1927 unsere besten Grüsse und Wün­sche zu bestellen. Er soll einmal was von sich hören lassen.

In alter Treue
Dein Freund
A. Fröhlich

49

 

Kaiserslautern, den 15. Oktober 1926

Lieber Freund Reichert !

Ich nehme zunächst Bezug auf einliegendes handschriftliches Schreiben und komme auf Deinen lieben Brief vom 14. August zurück. Hoffentlich sind die beiden „Weltreisenden“ wieder glücklich in Mexico gelandet und haben durch den furchtbaren Sturm an der Floridaküste nicht gelitten. Meine Kinder spre­chen immer noch von Deinem netten jungen Sohn, und ich hoffe, dass  er Dir alles von seinem Aufenthalt hier und in Baden­weiler erzählen wird.

Deine Aufklärungen in der Konsulatsfrage haben mich sehr in­teressiert, und ich kann wohl die Empfindung der Auslands­deutschen verstehen. Es wäre besser gewesen, wenn man in Wei­mar damals die alte Flagge gelassen hätte, dann wäre dieser hässliche Flaggenstreit nicht entstanden. Im üb­rigen wird aber dadurch die deutsche Republik nicht in Gefahr kommen, denn wir brauchen jetzt endlich Ruhe, um die Wirtschaft zu konsolidieren, wozu ja allerseits in Europa Anstrengungen ge­macht werden. Dass Du schliesslich die Konsulate abgelehnt hast infolge Deiner Gesundheit, da­mit hattest Du recht. Denn wir sind beide keine „heurige Hasen“ mehr und das Alter er­fordert einmal sein Recht. Ich hoffe, dass  Dein Unwohlsein sich in der Zwischenzeit wieder behoben hat und würde Dir ra­ten, öfters auszuspannen. Bezüglich des Kulturkampfes ist es in Mexico nach den Zei­tungen wieder etwas ruhiger geworden. Wie Du weisst, war ich von jeher ein Gegner aller Kulturkampfbestrebungen, denn ich stehe mit dem „Alten Fritz“, König von Preussen, auf dem Standpunkt, dass  man jeden nach sei­ner Fasson selig werden lassen soll.

Besondere Neuigkeiten in hiesiger Stadt gibt es nicht, die Dich interes­sieren könnten. Nur möchte ich heute etwas an­schneiden, und damit komme ich gleichzeitig das erste Mal als „Bettler“ zu Dir. Wie Du aus einlie­gender Zeitungsnotiz erse­hen wirst, wurde dieser Tage wieder der alte Verschönerungs­verein neu gegründet, nachdem er in der Inflationszeit eingeschlafen war. Infolge Verrohung der Jugend wurden die vielen Anlagen, Bänke etc. oft in unwilliger Weise auf ge­meine Art zerstört und es gibt jetzt, wenn man das Alte wie­der auffrischen will, viel Arbeit. Ich bin selbst in dem Aus­schuss, und da die meisten Leute aus dem früheren Mit­telstand verarmt sind, können wir nur M 3.– Jahresbeitrag erheben, ohne zu wissen, welche Zahl wir erreichen können. Schon oft hast Du Dein mil­des Herz für Notleidende während der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgetan, ohne jegliche Anregung meiner­seits, und wenn ich Dich diesmal bitte, dem Verschönerungs­verein etwas zu stiften, dann weiss ich, dass  Du mir dies nicht „krumm“ nehmen wirst. Die ganze Einwohnerschaft hat In­teresse daran, dass  die schönen Spaziergänge in unserm Kai­serslauterer Wald wie­der in den alten Zustand versetzt wer­den. Wenn Du dazu beitragen willst, dann wird Dein Name als Förderer in goldenen Lettern ins Vereinsbuch ein­getragen. Vielleicht beteiligt sich auch Bassler mit einem kleinen Be­trag, und ich bitte mir dieses Ersuchen nicht übel zu deuten.

Auf Deinen letzten Brief erwarte ich noch eine Nachricht und begrüsse Dich wie immer

in alter Treue
Dein
A. Fröhlich